Musik

Grönemeyer mit neuem Album: Es ist angerichtet

In Berlin: Herbert Grönemeyer.

In Berlin: Herbert Grönemeyer.

Berlin. Herbert Grönemeyer tanzt nicht an diesem Abend. Aber er scheint zu schweben. Gerade hat er zum ersten Mal sein neues Album „Tumult“ vorgespielt, vor ausgewähltem Publikum. „Ich finde, der Künstler hat Chancen“, befindet er lakonisch: „Man kann vielleicht an der Optik noch etwas machen.“

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Wenn Deutschlands größter lebender Popstar ein neues Album veröffentlicht, ist das ein Ereignis. Doch alles an diesem Dienstagabend in der deutschen Hauptstadt, in der Grönemeyer seit neun Jahren lebt, wirkt locker und leicht. „Das Stue“ hat er sich für die Präsentation ausgesucht, ein schickes Boutique-Hotel, die ehemalige dänische Botschaft im Berliner Diplomatenviertel - draußen wuchtige 30er-Jahre-Architektur, drinnen verspielte Moderne, mit einem bronzenen Krokodilskopf im Foyer und Giraffenskulpturen aus Kaninchendraht in der verwinkelten Bar. Hier, zwischen Zoologischem Garten und anderen großen Tieren, fühlt sich Grönemeyer sichtlich wohl, plaudert heiter, voller Selbstironie.

„Tumult“ ist ein politisches Album geworden, ein Signal in „diesen nervösen Zeiten“. Grönemeyer singt gegen Rechts und für die offene Gesellschaft: „Bist du da, wenn zu viel gestern droht?“, singt er in „Bist du da“, „Kein Meter nach Rechts, Verständnis ist nie schlecht“ hebt ein Frauenchor an in „Fall der Fälle“. Und doch klingt das Album leicht und beseelt. Das ist kein Widerspruch, findet der Künstler: „Politik ist nichts anderes als Zusammenleben“, sagt er: „Das ist durchaus beschwingt und leichtfertig.“

Doch der Tumult, den Grönemeyer beschreibt, ist auch einer des Herzens. Große Not („Warum“) ist ebenso Thema wie größtes Glück: Mit „Mein Lebensstrahlen“ findet sich eines seiner schönsten, weil zartesten Liebeslieder auf dem Album. „Keine umarmt wie du“, singt er darin: „Du lässt mich endlos treiben.“ Man darf sich Herbert Grönemeyer als glücklichen Menschen vorstellen, als einen, der mit sich und seinen Eigenheiten im Reinen ist. Dass die Menschen vor allem wegen seiner Tänze zu seinen Konzerten kämen, scherzt er im Vorgriff auf seine anstehende Arenentour im kommenden Jahr: „Vielleicht werde ich manche Lieder nur durchtanzen und nicht singen, und die Leute müssen raten, was das ist.“ Welche neuen Lieder er spielen werde, wisse er noch nicht; dazu fehle ihm noch der Abstand.

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Grönemeyer und sein bewährter Produzent Alex Silva setzen mehr denn je auf eine Mischung von sphärischen Klänge und interessanter Rhythmik. Karibisches klingt an, auch Orientalisches. Seine zweite Vorabsingle „Doppelherz“, ein teils auf Türkisch gesungenes Fest des Multikulturellen, ist dafür ein Beispiel. Schon bei der Veröffentlichung sei das „Internet drauflosgaloppiert und hat mir die Trolle um die Ohren gehauen“, erzählt Grönemeyer amüsiert. Kritik von Rechts sei er gewohnt. Immerhin habe ihm schon die CDU der Kohl-Ära „deutsche Unkultur“ vorgeworfen.

Klare Kante zu zeigen, sei gefragt: „Jeder ist gefragt, sich zu engagieren: Die Zeit ist nicht mehr danach, dass man auf dem Sofa herumsitzt.“ Und dennoch sei er davon überzeugt, dass das 21. Jahrhundert eines des Zusammenrückens sei und der momentane Rechtsruck nur ein letztes Aufbäumen der alten Welt. „In Deutschland herrscht kein rechter Geist“, ist er sich sicher.

Grönemeyer zeigt sich als Optimist. Nicht so viel reden, einfach mal anpacken – das habe ihn seine Kindheit im Ruhrgebiet gelehrt. Mut machen wolle er; das sei sein Job als Künstler. Mit dem Lied „Mut“, dem dritten Bonustrack, endet auch „Tumult“. „Wie enteilt man der Raserei, und bring‘ ich Ruhe in die Bewegung und steh‘ ich auf für eine weite Zeit?“, singt er da, Leichtigkeit im Herzen und Klarheit im Blick. Die wichtigste Frage gerade sei: „Wie rücken wir zusammen, damit wir den Rechten Kante zeigen?“ Man müsse deutlich machen, „dass wir zusammenstehen, und damit hat es sich“.

„Ich glaube, die Platte kommt zur richtigen Zeit“, findet Tom Bohne, Chef der Plattenfirma Universal. Vieles spricht dafür, dass auch dieses Album auf Platz eins der Charts starten wird, wie alle Grönemeyer-Platten seit „4630 Bochum“ von 1984.

Und wenn es nichts wird mit dem Album? Dann, flunkert Grönemeyer, gäbe es ja immer noch seine Tanzschule, in der ausschließlich „sein Style“ unterrichtet werde: „Da setze ich mich an die Rezeption.“

„Tumult“ (Universal) erscheint morgen.

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Grönemeyer live: am 6. September 2019 in der HDI-Arena. Karten (51,85 bis 88,65 Euro gibt es in den NP-Ticketshops.

Von Stefan Gohlisch

NP

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