Vier gut gemeinte Sätze, die an Depressionen Erkrankte oft hören – und was man besser sagen könnte
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/CEWSQ4V7QBE6PFT72HOK3JEBNA.jpg)
Manche Ratschläge an Menschen mit Depressionen sind zwar gut gemeint, aber schlicht nicht umsetzbar – und führen zu kommunikativen Missverständnissen (Symbolbild).
© Quelle: Unsplash/ Sammy Williams
„Stell dich nicht so an.“ Dass man so einen Satz einem an Depressionen erkrankten Menschen nicht an den Kopf schmettern sollte, dürfte vielen Leuten mittlerweile klar sein. Doch auch andere, eigentlich gut gemeinte Worte und Ratschläge, können verletzend wirken oder schlichtweg nicht umsetzbar sein. Denn über die Krankheit existieren so einige Missverständnisse.
Anlässlich des Europäischen Tags der Depression am 1. Oktober haben wir typische Sätze gesammelt – samt Erklärungen und Vorschlägen, was man stattdessen sagen könnte. Die Informationen in diesem Text stammen von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Depressionsliga.
1. „Das kenne ich, ich bin manchmal auch sehr traurig.“
Depressionen gehören zu den hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Krankheiten. „Die Erkrankung geht mit einer um zehn Jahre reduzierten Lebenserwartung einher“, sagt Psychiater Prof. Ulrich Hegerl im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Die Symptome von Depressionen sind umfangreich – eine gedrückte Stimmung ist nur eines von vielen. An Depressionen Erkrankte können das Interesse an Dingen und Aktivitäten völlig verlieren, die ihnen früher wichtig waren. Ihr Antrieb kann vermindert sein, sie sind schnell müde. Einige können sich in den Krankheitsphasen schlechter konzentrieren, andere entwickeln Schuldgefühle. Manche Erkrankte leiden unter Suizidgedanken. Auch körperliche Symptome wie Magen-, Kopf- oder Rückenschmerzen können ein Hinweis auf eine Depression sein.
Mit „manchmal sehr traurig sein“ hat eine Depression also nichts zu tun. Stattdessen berichten einige Erkrankte von einer inneren Leere, und dass sie ihre Gefühle gar nicht mehr wahrnehmen könnten, also auch keine Traurigkeit. Außerdem sprechen Fachleute erst von einer Depression, wenn mehrere Symptome länger als 14 Tage anhalten.
Was man stattdessen sagen könnte: „Ich gebe mir Mühe, die Erkrankung zu verstehen“ – und sich dann auch über Depressionen informieren. Der oder die Depressive ist nämlich vielleicht viel zu erschöpft, um selbst über seine Krankheit aufzuklären.
2. „Aber du hast doch gar keinen Grund, depressiv zu sein.“
Viele Menschen würden glauben, Depressionen seien vor allem eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände. Das sei ein weit verbreitetes Missverständnis, sagt Hegerl. Um zu erklären, woher es rührt, nimmt der Psychiater die Corona-Pandemie als Beispiel: „Der Stress, die Sorgen und Ängste, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, sind normale menschliche Reaktionen. Sie sind Befindlichkeitsstörungen und kein Zeichen einer depressiven Erkrankung.“ Gleichzeitig betont der Experte, dass die Situation während der Pandemie den Zustand vieler Erkrankter verschlechtert haben würde.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Eine Depression hängt viel weniger von äußeren Umständen ab, als viele denken. Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist entscheidend, dass eine Veranlagung zur Depression vorliegt. Diese kann genetisch bedingt sein, Folge eines Traumas sein oder von Missbrauchserlebnissen in der Kindheit herrühren. Die Auslöser einer depressiven Episode – also der akuten Krankheitsphase – müssen zudem nicht immer negativ sein. Auch eigentlich positive Veränderungen, etwa ein Umzug oder der Start in den Urlaub, können dazu führen. Manche Menschen erkranken außerdem ganz ohne einen bestimmten Auslöser.
Was man stattdessen sagen könnte: „Es ist okay.“ Dieser simple Satz kann Erkrankte entlasten, die oft sowieso schon Schuldgefühle empfinden.
3. „Geh mal an die frische Luft!“
Bewegung kann die professionelle Behandlung einer Depression tatsächlich unterstützen. Es gibt Studien, die belegen, dass regelmäßiger Ausdauersport sich positiv auf die Behandlung auswirken und auch einer erneuten Episode vorbeugen kann. Eine professionelle Behandlung mittels Psychotherapie und gegebenenfalls das Einnehmen von Medikamenten kann Sport aber nicht ersetzen.
Wer in einer akuten Krankheitsphase steckt, dem fällt es oft schon schwer, alltägliche Aufgaben wie Aufstehen, Hausarbeit oder Essenkochen zu bewältigen. Denn oftmals ist der Antrieb dann gemindert. Raus gehen und einen Spaziergang machen kann sich anfühlen wie eine kaum zu bewältigende Aufgabe.
Was man stattdessen sagen könnte: „Nicht schlimm, wenn heute nichts geht.“ Wer krank ist, ist schließlich nicht so leistungsfähig wie sonst. Die Expertinnen und Experten der Stiftung Deutsche Depressionshilfe raten Angehörigen dazu, zurückhaltend mit Ratschlägen zu sein. Allerdings: Zeigt der oder die Erkrankte Eigeninitiative, sollte man sie oder ihn auf jeden Fall bestärken.
4. „Wenn du XY kannst, bist du doch nicht depressiv.“
Depressionen beginnen oft schleichend. Auch für Betroffene ist es schwierig zu unterscheiden: Habe ich gerade ein paar schlechte Tage, die zum Leben dazugehören? Oder ist das der Beginn einer depressiven Episode? Außerdem ist die Bandbreite der möglichen Symptome sehr vielfältig. „Die Krankheit verläuft generell in Phasen, die in Schweregrad und Dauer variieren können. Die Dauer einer Episode kann zwischen wenigen Wochen und vielen Monaten schwanken“, informiert die Deutsche Depressionsliga in einer Broschüre. Heißt: Unter welchen Symptomen ein Depressiver oder eine Depressive in welcher Ausprägung leidet, ist von Person zu Person unterschiedlich. Dementsprechend fallen verschiedenen Erkrankten auch unterschiedliche Tätigkeiten schwer oder leicht.
Was man stattdessen sagen könnte: „Kann ich dich unterstützen?“ Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe rät allerdings, dass man als Angehöriger oder Freundin die eigenen Grenzen und Belastbarkeit beachten sollte. Angehörige können die professionelle Behandlung durch Ärztinnen und Therapeuten nicht ersetzen.
Hinweis: Die Sätze aus der Rubrik „Was man stattdessen sagen könnte“ sind dem Mutmach-Bingo der Stiftung Deutsche Depressionshilfe entnommen. Die Stiftung hat Betroffene gefragt, welche aufmunternden Worte sie in depressiven Phasen gern hören würden.
Sie leiden an Depressionen oder krankhafter Niedergeschlagenheit oder haben düstere Gedanken? Bitte holen Sie sich Hilfe. Bei Notfällen können Sie unter 112 den Notarzt rufen.
Das Infotelefon Depression hat die Telefonnummer (0800) 33 445 33. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar unter den Telefonnummern (0800) 11 10 111 oder (0800) 11 10 222 oder 116 123. Weitere Informationen für Betroffene und Angehörige gibt es etwa bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe im Internet: www.deutsche-depressionshilfe.de.