Immunität nach Covid-19: Was wir schon wissen – und was nicht

ARCHIV - Bayern, Kempten: Ein medizinischer Mundnasenschutz hängt am Rückspiegel eines im Regen parkenden Autos.

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Der Deutsche Ethikrat hat am Dienstag Stellung zu möglichen Immunitätsausweisen genommen, die genesene Corona-Patienten als immun einstufen sollen. Gegenwärtig lehnt das Gremium die Einführung solcher Bescheinigungen wegen “erheblicher Unsicherheiten hinsichtlich der Ausprägung und des zeitlichen Verlaufs einer Immunität und Infektiosität” ab.

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Denn immer noch ist unklar, für wie lange ein Corona-Patient nach überstandener Krankheit immun gegen Sars-CoV-2 ist. Auch fraglich sei, welche und wie viele Antikörper Schutz bieten, sagt der Immunologe Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin und Präsident der Europäischen Föderation der Immunologischen Fachgesellschaften. “Ein ‘Immunitätsausweis’, ohne dass die ‘Immunität’ definiert und messbar wäre, und mit einer Gültigkeit von wenigen Wochen, wäre absurd."

Studie zeigt: Immunität hält nur drei Monate an

Inzwischen wurden mehrere Studien veröffentlicht, in denen zu einer Immunität nach überstandener Covid-19-Erkrankung geforscht wurde. So hatten Wissenschaftler des King’s College London in einer Preprint-Studie Anfang Juli die Antikörperkonzentration von 90 Covid-19-Patienten über einen Zeitraum von drei Monaten untersucht.

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Sie stellten fest, dass die Immunität gegen das Coronavirus nicht von langer Dauer war. Zum Höhepunkt der Erkrankungen zeigten rund 60 Prozent der Testpersonen eine “starke” Antikörperreaktion, drei Monate später waren es nur noch 17 Prozent.

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Antikörper werden vom Körper abgebaut

Andere Studien legen hingegen nahe, dass der Zeitraum der Immunität weitaus länger sein könnte – teilweise bis zu sechs Monate. Zusätzlich sorgte in den vergangenen Monaten eine Meldung aus Hongkong für Aufsehen: Forscher berichteten von einem 33-Jährigen, der sich zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit mit dem Erreger infiziert haben soll. Auch andere Länder wie die USA meldeten Fälle von Reinfektionen.

“Es ist bekannt, dass die meisten Menschen nach einer einmaligen Infektion mit den meisten Krankheitserregern ‘nur’ ein ‘reaktives’, immunologisches Gedächtnis (Immunität) aufbauen", erklärt Radbruch. “Sie reagieren bei einem erneuten Kontakt mit demselben Erreger schneller und besser, werden aber weniger krank. Und erst dann entsteht auch ein 'schützendes’, immunologisches Gedächtnis, also Antikörper, die dauerhaft produziert werden, über Jahre und Jahrzehnte." Antikörper, die bei der erstmaligen Infektion mit Erregern entstehen, würden meist relativ schnell wieder verschwinden und nur wenige Monate schützen.

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Reinfektionen sind nicht auszuschließen

Antikörper sind Teil des menschlichen Immunsystems. Sobald Viren oder Bakterien in den Körper eindringen, reagiert das Immunsystem mit der Bildung von spezifischen Antikörpern und sogenannten zytotoxischen T-Zellen. Die Antikörper verhindern, dass Viren an menschliche Zellen andocken können (neutralisierende Antikörper), oder sie markieren Viren und infizierte Zellen unter anderem für Fresszellen, die diese dann zerstören.

“Nach erfolgreicher Immunantwort verbleiben einige der Antikörper produzierenden Zellen und der T-Zellen als Gedächtniszellen im Körper, um bei Reinfektionen sofort reagieren zu können”, erklärt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. “Die Gedächtniszellen und Antikörper nehmen jedoch mit der Zeit ab, daher sind Reinfektionen nicht 100-prozentig auszuschließen.” Auch Weber kann die Entscheidung des Deutschen Ethikrates nachvollziehen.

Immunsystem wirft immer noch Fragen auf

In den bisherigen Studien war zudem auffällig, dass der Schweregrad der Erkrankung maßgeblichen Einfluss auf die Antikörperkonzentration nahm. Je stärker die Patienten am Coronavirus erkrankten, desto mehr Antikörper waren im Blut messbar. Umgekehrt würde das bedeuten, dass bei milden beziehungsweise asymptomatischen Krankheitsverläufen kaum oder gar keine Antikörper gebildet werden.

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Covid-19 zeigt uns deutlich, dass wir das menschliche Immunsystem immer noch nicht richtig verstehen.

Andreas Radbruch, Immunologe

“Es könnte tatsächlich sein, dass milder verlaufende Infektionen einen weniger nachhaltigen Immunschutz aktivieren”, sagt Weber. “Das würde auch erklären, warum man sich mit den schon lange kursierenden Erkältungs-Coronaviren wiederholt infizieren kann.” Eine bereits überstandene Infektion mit den Erkältungs-Coronaviren könnte zudem eine Hintergrundimmunität nahelegen, wie einige Studien berichten. In diesem Fall würde das Immunsystem durch eine T-Zell-Kreuzreaktivität auch die neuartigen Coronaviren erkennen und unschädlich machen.

“Unterm Strich ist aber die große Bandbreite der menschlichen Immunreaktionen auf Sars-CoV-2 immer noch eine grundsätzliche und enorm wichtige Herausforderung für die immunologische Forschung”, fasst Radbruch zusammen. “Covid-19 zeigt uns deutlich, dass wir das menschliche Immunsystem immer noch nicht richtig verstehen. Hier gibt es Nachholbedarf.”


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