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Kolumne „Eltern – Kinder – Emotionen“

Zuhören ist das beste Mittel gegen Lügen

Eine Lüge führt immer zu Schamgefühlen und verletztem Vertrauen.

Eine Lüge führt immer zu Schamgefühlen und verletztem Vertrauen.

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Viele Eltern fühlen sich vor den Kopf gestoßen, wenn sie Kinder oder Jugendliche bei einer Lüge ertappen: beim Verschweigen einer verhauenen Mathearbeit, beim Weglassen sachdienlicher Hinweise darüber, wer mit der Prügelei auf dem Schulhof in Wahrheit angefangen hat, oder bei Ausreden nach einer Verspätung.

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„Ich kann meinem Kind so ziemlich alles verzeihen, aber keine Lüge“, habe ich schon zahlreiche Eltern sagen hören. Ebenso Sätze wie: „Lügen enttäuschen mich sehr, verletzen mich, die darf es bei uns zu Hause nicht geben.“ Gerade Eltern, die zu Strafen neigen, strafen oft doppelt, wenn sie eine Lüge aufdecken. Doch Kinder für Lügen zu bestrafen, anstatt zu verstehen, was zu einer Lüge geführt hat, wird das Vertrauen in der Familie eher vermindern – und so künftiges Lügen wahrscheinlicher machen.

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Vertrauen herstellen

Ich kann mich gut daran erinnern, wie es war, als Kind bei einer Unaufrichtigkeit ertappt worden zu sein. Es war ein brennend heißes Gefühl, es war peinlich. Ich mochte gar nicht hochschauen, viel lieber habe ich mich mit meinen Schuhspitzen beschäftigt. Und auch wenn ich als Kind nicht auf den Mund gefallen war: In solchen Momenten habe ich geschwiegen. Ich habe mich geschämt. Denn auch darum geht es beim Lügen: um Schamgefühle.

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Beim Lügen erwischt zu werden, ist beschämend – und belogen zu werden, erst recht. Diese Kluft aus Schamgefühlen und verletztem Vertrauen zu überbrücken und über die Lüge ins Gespräch zu kommen, ist schwierig. Und doch ist dies der beste Weg, um wieder zu neuem Vertrauen zu finden und zu verhindern, dass bald schon wieder die Unwahrheit gesagt wird.

Was steckt hinter der Lüge?

Damit dieses Gespräch gelingt, hilft mir die Vorstellung, dass Kinder und Jugendliche eben nicht nur lügen, um sich Vorteile zu verschaffen oder Strafen zu vermeiden. Sondern um etwas zu überdecken, für das sie sich schämen, wie eben eine verhauene Mathearbeit oder ihre kurze Zündschnur bei Auseinandersetzungen auf dem Schulhof. Hinter einer Lüge können Gefühle von Verwundbarkeit und Zerbrechlichkeit stecken, die den Betroffenen wirklich unangenehm sind und für die man nur schwer Worte findet.

Darum ist jede aufgedeckte Lüge ein guter Anlass, vorsichtig miteinander ins Gespräch zu kommen. Das bedeutet nicht, dass wir als Eltern auf jede Lüge extra sanft und verständnisvoll reagieren müssen. Unwahrheiten fühlen sich schlecht an und Ärger oder Enttäuschung müssen nicht unter den Teppich gekehrt werden. Wenn der Pulverdampf sich aber verzogen hat, ist ein guter Zeitpunkt, um als Eltern darüber nachzudenken, wie schwierige Themen in der Familie besser besprochen werden können.

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Auch die schwierige Frage gehört dazu, was wir als Eltern dazu beitragen können, dass man uns mehr vertraut. Fürchtet sich unser Kind vor Strafe oder schämt es sich vor uns? Sind wir zu kritisch? Urteilen wir zu schnell?

Wenn Sie auf diese Fragen keine rechte Antwort wissen: Stellen Sie Ihrem Kind genau diese Fragen. Hören Sie einfach zu, ohne die Antworten zu bewerten oder sich zu rechtfertigen. Durch dieses Zuhören kann wieder mehr Vertrauen wachsen. Dies ist das beste Mittel gegen Lügen.

In seiner Kolumne „Eltern – Kinder – Emotionen“ schreibt der Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Dierssen künftig einmal pro Monat über die emotionalen Herausforderungen des Familienalltags und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf.

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