Autoreparaturen in Deutschland: Kampf dem Kostenkreislauf
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Pkw-Ersatzteile verteuern sich sogar deutlich schneller als die Inflationsrate.
© Quelle: SP-X
Er läuft und läuft und manchmal rumpelt‘s auch: Leichte Parkrempler werden die Fahrerin oder den Fahrer eines VW Käfer allerdings nicht so recht schrecken. Eine neue Stoßstange gibt‘s für 80 Euro, hat es das Scheinwerferglas erwischt, ist schon für 20 Euro Ersatz zu haben. Auch Oldtimerfreunde mit Bastelallergie können die Gebrauchtteile zudem recht einfach montieren. Da lohnt es nicht, einen Versicherungsfall aus der Unaufmerksamkeit zu machen.
Nachhaltiges Reparieren ist gefragt
Bei aktuellen Autos gehen vergleichbare Rempler allerdings inzwischen in die Tausender, sagt Frank Sommerfeld. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz Versicherungs-AG fordert auf dem Autotag des Unternehmens darum nachhaltiges Reparieren. Denn die Kosten für Reparaturen sind inzwischen für die Versicherer und ihre Kundschaft explodiert. Pkw-Ersatzteile verteuern sich sogar deutlich schneller als die Inflationsrate. Nach aktuellen Zahlen des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) erhöhten Autohersteller ihre Ersatzteilpreise in den vergangenen zehn Jahren um fast 44 Prozent – dreimal stärker als die allgemeine Teuerung.
Das liegt vor allem an vier Faktoren: der Komplexität der Teile, dem Quasimonopol der Autohersteller auf den Ersatz, der Bürokratie und einem mangelnden Kostenbewusstsein der Versicherten. Eine Stoßstange etwa war beim Käfer eben noch genau das: eine bessere Blechstange. Heute stecken an der Stelle hinter lackiertem Kunststoff Parkpiepser, das große Teil ist bündig in die Karosserie integriert, entsprechend aufwendig und teuer wird die Reparatur.
Zudem sind viele Ersatzteile gar nicht mehr einzeln auszutauschen. In Deutschland lässt der Gesetzgeber etwa die Instandsetzung der Scheinwerferverglasung nicht zu. Gibt es einen Kratzer oder Vergilbung im Scheinwerfer, muss das ganze Teil ausgetauscht werden. Nach einer Studie der Allianz könnte beim Reparieren nur des Glases bei einem VW ID.3 bis zu knapp 1000 Euro gespart werden.
Gegenüber dem Einbau eines Neuteils werden zudem 98 Prozent der CO₂-Emissionen eingespart. Entsprechend verärgert ist Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer des Allianz Zentrum für Technik, denn auch über den trägen Gesetzgeber: „Dies ist insofern nicht verständlich, da dieses Verfahren in anderen europäischen Ländern zulässig ist und zudem von einer Reihe von Fahrzeugherstellern freigegeben ist.“
Grüne Instandsetzungen sind möglich
Meist sind die Fahrzeughersteller allerdings selbst auch nicht gerade die Speerspitze im Kampf gegen hohe Ersatzteilpreise – obwohl der Hebel zur Kostenreduzierung gewaltig ist. Bei den meisten Fahrzeugaußenteilen beispielsweise sind grüne Reparaturen grundsätzlich möglich, so Lauterwasser.
Bei der Windschutzscheibe eines ID.3 können etwa im Vergleich zum Ersatz 99 Prozent der CO₂-Emissionen und bis zu 1200 Euro gespart werden, bei der Seitenwand eines Ford Fiesta reduzieren sich die Kosten um circa 1700 Euro, der Verbrauch von Kohlendioxid verringert sich um 60 Prozent. „Würde man in Deutschland die Reparaturquote nur um 2 Prozentpunkte erhöhen, ließen sich rund 5000 Tonnen CO₂ einsparen“, so Lauterwasser. Das ist so viel, wie 860 Haushalte in einem ganzen Jahr an Energie verbrauchen.
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Nach einer Studie der Allianz könnte beim Reparieren nur des Scheinwerferglases bei einem VW ID.3 bis zu knapp 1000 Euro gespart werden.
© Quelle: Volkswagen AG
„Aber noch werden diese Teile zu häufig durch Neuteile ersetzt“, sagt der Experte. Denn Hersteller und Autohaus wollen lieber hohe Umsätze und Gewinne retten, und Kunden kennen oft die Alternative grünes Reparieren gar nicht. 89 Prozent der Verbraucher und Verbraucherinnen würden laut einer repräsentativen Umfrage des Versicherers eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatz- anstelle von Neuteilen akzeptieren.
Sie erfahren bloß offenbar oft nicht, dass die Möglichkeit besteht. In Frankreich und in Großbritannien sei das Verwenden von Gebrauchtteilen dagegen bereits etabliert, so Lauterwasser. „In Deutschland haben wir aus unserer Sicht noch Nachholbedarf. Wir brauchen einen funktionierenden Markt für Gebrauchtteile für ein nachhaltiges, grünes Schadenmanagement, gerade angesichts der aktuellen Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen.“
Ein frommer Wunsch. Denn der Designschutz sichert Autoherstellern ein Monopol auf sichtbare Karosserieersatzteile. „Autofahrer und Werkstätten können viele Ersatzteile nur vom Hersteller des Autos kaufen, es gibt auf diesem Markt keinen freien und fairen Wettbewerb“, sagt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach.
Bei neuen Modellen ist dieses Monopol zwar inzwischen etwas gelockert, doch die bestehenden Rechte der Autohersteller gelten im Prinzip noch bis ins Jahr 2045. Da heißt es also Verhandeln für die Versicherer, damit die Hersteller wenigstens mehr grüne Reparaturen ermöglichen sowie Menge und Umfang der Gebrauchtteile erhöhen.
Versicherungen entdecken die Nachhaltigkeit
Zumindest will Allianz-Manager Sommerfeld jetzt die Kundinnen und Kunden stärker zum Sparen animieren: „Wir haben deshalb den Nachhaltigkeitsaspekt im Schadenfall in unsere Allgemeinen Kundenbedingungen neu aufgenommen.“ Wenn es gekracht hat, wird die Kundschaft nun auf Wunsch darüber informiert, ob die Beschädigung am Fahrzeug für eine nachhaltige Reparatur geeignet ist oder nicht.
Einen Bonus für das grüne und kostensparende Reparieren gibt der Versicherer aber vorerst nicht. Da muss der Kunde darauf hoffen, dass irgendwann mal die Gesamtsumme der Reparaturen für Versicherer wieder sinken, wenn nachhaltiges Ausbeulen und Ähnliches zur Massenbewegung werden. „Dann geben wir solche Ersparnisse auch über den Preis der Police wieder an die Kunden weiter“, verspricht Sommerfeld. Bis dahin dürfte die Kundschaft am nachhaltigsten sparen, wenn sie einfach keinen Unfall baut.
RND/SP-X