Weniger ist mehr: Warum übertriebener Dank im Job schaden kann
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Man kann nicht oft genug Danke sagen? Diese Binsenweisheit stimmt im Job leider nicht.
© Quelle: Wilhelm Gunkel/Unsplash
Angenommen, Sie tun jemandem einen Gefallen, aber er bedankt sich nicht bei Ihnen. Er nimmt Ihren Gefallen entgegen, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Was empfinden Sie dann? Kann es sein, dass sich die Faust in Ihrer Tasche ballt und Sie schlecht auf den undankbaren Menschen zu sprechen sind? Dankbarkeit ist ein sozialer Klebstoff, der Menschen aneinander bindet, auch bei der Arbeit. Dankbarkeit verbessert den Umgangston, sorgt für Sympathie und steigert die Stimmung in Teams. Auch psychologische Studien unterschreiben das: Wer anderen gegenüber dankbar ist, lebt nachweislich länger und bekommt seltener Depressionen.
Dankbarkeit wirkt wie Medizin. Aber was passiert, wenn Sie Dankbarkeit in einer Überdosis verteilen? Dann wird sie im Job zu Gift.
Zu viel Dank klingt nach wenig Selbstbewusstsein
Während Egoisten dazu neigen, mit Dankbarkeit zu geizen, fallen soziale Typen ins andere Extrem: Sie überschütten ihre Mitmenschen mit Dank, und das hat fatale Folgen für sie. Hier ein paar Beispiele:
Eine Bewerberin bedankt sich überschwänglich für ihre Einladung zum Vorstellungsgespräch. Sie wiederholt mehrfach, wie sehr sie sich freut, dass man ihr „eine Chance gibt“. Ein einfaches „Danke“ wäre zu ihrem Vorteil gewesen, aber diese Dankeshymne schürt einen Verdacht: dass sie selbst meint, diese Einladung nicht verdient zu haben. Sie rutscht in den Tiefstatus, „Chance geben“ klingt nach Resozialisierung, nicht nach Selbstbewusstsein.
Nicht jeder oder jede bedankt sich gleich viel
Oder: Eine Sachbearbeiterin bedankt sich bei der Kollegin mehrfach für deren Unterstützung bei einem Projekt. Dabei hat sie vor einigen Wochen dasselbe für die Kollegin geleistet, nur ohne großen Dank dafür zu ernten. Deshalb bekommt die Kollegin das Gefühl, sie habe noch etwas gut. Womöglich kommt sie bei nächster Gelegenheit mit einer Riesenarbeit angelaufen, um die Unterstützung der netten Sachbearbeiterin einzufordern.
Oder: Ein Außendienstler bedankt sich überschwänglich bei einem Kunden, weil er einen kleinen Fehler in der Kalkulation verzeiht. Mehrfach wiederholt er seinen Dank. Deshalb nimmt der Kunde den Fehler immer mehr als Zumutung wahr und fragt sich: „Welche Gegenforderungen kann ich stellen?“ Gut möglich, dass er beim nächsten Angebot auf einen unangemessenen Preisnachlass pocht.
Ausführlicher Dank ist ein Geschenk
Ich bin dafür, dass Sie sich bedanken, wenn Ihnen jemand einen Gefallen tut. Aber übertreiben Sie es nicht. Ich kenne Menschen, die wiederholen und unterstreichen ihren Dank, bis der andere sich als Wohltäter sieht, auch wenn er nur Selbstverständliches getan hat. Damit wird man nicht mehr ernst genommen.
Wenn Sie meinen, sich nicht genug bedankt zu haben, ist die Dosis meist genau richtig. Der Empfänger misst Dank mit eigenen Maßstäben. Und wie er selbst mit Dank nicht um sich wirft, erwartet er das auch nicht von anderen. Wenn Ihr Chef Ihnen zum Beispiel einen Standardurlaubstag genehmigt, reicht ein kurzes „Danke“. Es braucht keinen Dankgesang in mehreren Strophen. Jeder ausführliche Dank ist ein Geschenk an Ihre Mitmenschen. Und Geschenke sollte es nur zu besonderen Anlässen geben. Indem Sie sich wenig bedanken, steigt der Wert Ihres Dankes.