Erbbaurecht: Warum sich eine frühzeitige Vertragsverlängerung oftmals finanziell auszahlt
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Das Erbbaurecht ermöglicht noch immer, günstig ein bestehendes Haus zu erwerben oder neu zu bauen. Denn die Grundstückkosten entfallen, sodass weniger Eigenkapital aufgebracht oder Geld von der Bank geliehen werden muss.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich, dpa
Für viele Hausbesitzer und -besitzerinnen wird es allmählich Zeit, sich für die Zukunft abzusichern. Rund 30 Prozent aller Erbbaurechtsverträge laufen zwischen 2041 und 2050 aus – deutlich mehr als in den Jahrzehnten davor und danach. „Dieser hohe Wert ist darauf zurückzuführen, dass in Deutschland sehr viele Erbbaurechte nach dem Zweiten Weltkrieg vergeben wurden“, schreibt der Deutsche Erbbaurechtsverband (DERV). In der Regel besaßen die Verträge eine Laufzeit von 99 Jahren.
Für den Abschluss eines neuen Vertrages sollte man einen Zeithorizont von bis zu 30 Jahren vor Augen haben, rät Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB). Das gelte vor allem dann, wenn für erforderliche Investitionen, etwa in eine bessere Energieeffizienz oder Klimabilanz des Hauses, Planungssicherheit bestehen soll. „Das Geld sollte man nicht in ein Gebäude zu stecken gezwungen sein, das nach zehn Jahren ‚heimfällt‘, also gegen Entschädigung zurück an den Grundstückseigentümer gegeben werden muss“, sagt er.
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Matthias Nagel, Geschäftsführer des DERV, nennt einen weiteren Grund für frühzeitige Gespräche: „Dann ist der Verhandlungsspielraum größer, als wenn nach Ablauf der Zeit ein ganz neuer Vertrag aufgesetzt wird.“ Häufig kämen die Erbbaurechtsgeberinnen und -geber mit eigenen Konzepten und Konditionen für eine Vertragsverlängerung auf die Erbbaurechtsnehmerinnen und -nehmer zu, weil sie in der Regel eine einvernehmliche Lösung wünschen. „Viele Erbbaurechtsgeber haben gar kein Interesse daran, Entschädigungen aufbringen zu müssen, sondern wollen lieber zeitig eine weitere langfristige Perspektive haben und sind daher auch an frühzeitigen Verlängerungen der Verträge interessiert“, sagt Freitag.
Vertragsverlängerung möglichst früh aushandeln
Doch selbst wer nicht auf dem Grundstück wohnen bleiben möchte, sollte frühzeitig eine Vertragsverlängerung aushandeln. Das lohnt sich finanziell, weil ein Haus, das verkauft werden soll, einen deutlich höheren Wert besitzt, wenn das Erbbaurecht für das Grundstück, auf dem es steht, noch lange gilt. „Kaum jemand wird bei zehn oder 15 Jahren Restlaufzeit des Erbbaupachtvertrages das Risiko ohne happige Abschläge im Preis akzeptieren“, sagt Freitag. Hinzu kommt: Für interessierte Käuferinnen und Käufer werde die Finanzierung immer schwieriger, je kürzer das Erbbaurecht bestehe, so Nagel: „Sie finden für Erbbaurechte mit weniger als 30 Jahren Restlaufzeit kaum eine finanzierende Bank.“
Bei der Verlängerung von Erbbaurechtsverträgen muss mit höheren Kosten gerechnet werden. Denn zum einen wird oft der Inflationsausgleich eingepreist. Zum anderen richtet sich der Erbbauzins üblicherweise nach dem Bodenwert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Und der verteuerte sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich: Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Preise allein zwischen 2009 und 2019 um knapp 90 Prozent. Zwar sehen viele Erbbaurechtsverträge während der Laufzeit eine regelmäßige Zinsanpassung vor. Diese gleichen aber in der Regel nicht die in höherem Maße gestiegenen Bodenwerte aus. Vor allem teure Lagen führen zu hohen Erbbauzinsen, erläutert Freitag.
Wer vergibt Erbbaurechte
Erbbaurechtgeber sind häufig Kommunen, Stiftungen und Kirchen. Auch Landwirtinnen, Landwirte oder Unternehmen vergeben mitunter Erbbaurechte. Aktuell sind gut 5 Prozent aller Grundstücke im Erbbaurecht vergeben – Tendenz steigend. Denn immer mehr Kommunen wollen sich einen größeren Einfluss auf die Bebauung und die Preise sichern, vor allem um Bodenspekulation einzudämmen und bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. In vielen Städten wird deshalb mittlerweile auf Erbbaugrundstücken Geschosswohnungsbau realisiert. Kirchen entscheiden sich ebenfalls oft für Erbbaurechtsverträge, weil ihnen der Verkauf bestimmter Ländereien von den Schenkern untersagt wurde. Wer Grundstücke im Erbbaurecht vergibt, hat den Vorteil, langfristig regelmäßige Einnahmen anstatt einmalig eine hohe Summe zu erzielen.
Grundsätzlich ermöglicht das Erbbaurecht jedoch noch immer, günstig ein bestehendes Haus zu erwerben oder neu zu bauen. Denn die Grundstückkosten entfallen, sodass weniger Eigenkapital aufgebracht oder Geld von der Bank geliehen werden muss. „Allerdings sehen manche Banken für eine Hausbaufinanzierung bei einem Erbbaurecht teilweise schlechtere Konditionen vor“, sagt Freitag. So könnten höhere Zinsen oder ein größerer Eigenanteil verlangt werden.
Erbbauzins variiert von Ort zu Ort stark
Doch auch in einem solchen Fall sind die Investitionskosten vergleichsweise gering. Dafür muss an den Erbbaurechtsgeber während der gesamten Vertragslaufzeit ein Erbbauzins entrichtet werden. Dieser variiert von Ort zu Ort stark: „Üblich sind 2 bis 6 Prozent des Bodenwertes inklusive der Erschließungskosten“, erklärt Nagel. Im Schnitt werden in den zehn größten deutschen Städten knapp 4 Prozent verlangt. Bei einem 500 Quadratmeter großen Grundstück mit einem Bodenwert von 100 Euro pro Quadratmeter und einem Erbbauzins von 3,1 Prozent müssen also jährlich 1550 Euro aufgewendet werden.
Grundlage für das Erbbaurecht sei das Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG), erklärt Freitag: „Das gibt aber nur den Rahmen vor, der mittels eines notariell zu beurkundenden Vertrages ausgefüllt werden muss.“ Geregelt werden vor allem die Laufzeit, der Erbbauzins, dessen Anpassung im Laufe der Jahre sowie die Entschädigungshöhe für den Gebäudewert bei einer Rückgabe oder dem Auslaufen eines Erbbaurechtsvertrages. Außerdem räumen viele Verträge den Grundstückeigentümern und -eigentümerinnen Mitbestimmungsrechte bei einem Weiterverkauf des Erbbaurechtes und Umbauten des Gebäudes ein.
Vertragslaufzeiten sind frei wählbar
Die Laufzeit des Vertrages ist frei wählbar, beträgt aber in der Regel zwischen 70 und 99 Jahren. Nach Vertragsabschluss ist ein Eintrag ins Grundbuch erforderlich. Wer auf einem Erbbaugrundstück ein Haus kauft oder baut, ist juristisch betrachtet Besitzerin oder Besitzer, aber nicht Eigentümerin oder Eigentümer des Gebäudes. Allerdings haben Erbbauberechtigte während der Vertragslaufzeit einen Anspruch darauf, dieses zu verkaufen oder zu vererben.
Wird ein Erbbaurechtsvertrag nicht verlängert, fällt das Gebäude auf dem Grundstück an den Erbbaurechtsgeber. Dafür erhalten die Besitzerinnen und Besitzer des Hauses eine Entschädigung. „In den meisten Fällen beläuft sich diese auf zwei Drittel des Gebäudewertes“, schreibt der DERV. Mitunter würden sogar 100 Prozent gezahlt.
Das Gebäude kann auch an die Grundstückeigentümerin oder den -eigentümer übergehen, bevor der Erbbaurechtsvertrag abgelaufen ist. Der sogenannte „Heimfall“ tritt zum Beispiel ein, wenn zwei Jahre lang kein Erbbauzins gezahlt wurde. Auch bei Insolvenzen oder vertragswidriger Nutzung des Erbbaurechts kann das Gebäude „anheimfallen“. Der Erbbaurechtsgebende muss dieses Recht aktiv geltend machen. In der Regel kommt es bei Zahlungsschwierigkeiten allerdings zu einer Zwangsversteigerung. Vorteil für die Grundstückseigentümer und -eigentümerinnen: Sie müssen keine Verbindlichkeiten von dem Vorbesitzer oder der Vorbesitzerin übernehmen.