Die besten 96-Oberschenkel aller Zeiten: Hans Siemensmeyer blickt zurück

Hans Siemensmeyer war immer gut zu Fuß, besonders mit Ball. Er gilt als bester Fußballer, den 96 je hatte – Pelé kam ja doch nicht, damals 1964. Siemensmeyer kam 1965 nach Hannover. Jetzt ist er 80 Jahre alt – und mit 72 Treffern immer noch Rekord-Bundesliga-Torschütze von 96. Wir blicken mit ihm gemeinsam zurück und nach vorn. Das 96 der Neuzeit beschreibt er so: „Der Verein hat die Bundesliga jahrelang als Selbstläufer gesehen, aber dafür muss man was tun. Das, was sie in den letzten Jahren dazugeholt haben, war immer nur Kaderauffüllung. Da war kein Kracher dabei.“ Siemensmeyer sagt nicht, dass früher alles schlechter war – er sagt, wie es war. Und wie er von Oberhausen zu 96 kam. Damals gab es schon Spielerberater: „Ein Raymond Schwab aus Essen hat sich mit mir in Verbindung gesetzt. Der fuhr einen Mercedes, hat meinem Vater immer eine Flasche Weinbrand und meiner Mutter eine Schachtel Pralinen mitgebracht.“ An der Autobahnraststätte Gütersloh wurde der Deal mit 96 klargemacht. Im Video: 96 in den 1960er- und 1970er-Jahren: Was Schwab daran verdiente, weiß Siemensmeyer bis heute nicht. Er weiß aber, was er bei 96 verdiente: „Am Anfang 1200 Mark plus 250 Mark Siegprämie, das war im Lizenzspielerstatus verankert.“ Siemensmeyer ist nicht neidisch auf die Profis von heute, sagt aber: „Bei den Gehältern fasse ich mir natürlich an den Kopf. Die Aussage von Uli Hoeneß, der Berater von Alaba sei ein geldgieriger Piranha, ist genau richtig.“ Siemensmeyer verdiente sich damals 500 Mark extra pro Monat bei Leder-Peschke dazu: „Ich konnte kommen, wann ich wollte – und die haben dann mit meinem Namen Werbung gemacht.“ 96 nahm Geld in die Hand - doch der Erfolg blieb aus: Was ihn am Fußball inzwischen stört? „Wir haben früher eingesteckt und ausgeteilt – aber wenn ich heute die Spieler sehe: Die teilen nur aus.“ Was ihm heutzutage gefällt? „Die Schnelligkeit, die sind alle sehr athletisch.“ Siemensmeyer schaut an sich herunter: „Wenn ich mich betrachte, wie ich damals ausgesehen habe: dicke Oberschenkel, die mussten erst mal bewegt werden. Heute haben die alle Oberschenkel wie meine Oberarme.“ 1967 holte 96 Jupp Heynckes und Josip Skoblar und damit internationales Niveau nach Hannover. 96 wurde als Titelanwärter gehandelt. Doch es funktionierte nicht. „Heynckes hat zu uns mal gesagt: So viel Geld, wie mir 96 geboten hat, wollte ich gar nicht haben“, erinnert sich Hans Siemensmeyer. Trainer Horst Buhtz habe gesagt: „Jupp und Joschi – ihr braucht nur vorne zu stehen und Tore zu machen, den Rest machen eure Mannschaftskameraden.“ Siemensmeyer war stocksauer und beschwerte sich bei Buhtz. „Ich ziehe meinen Hut davor, was der Jupp später als Trainer bewirkt hat. Er war ja als Spieler eher zurückhaltend, fast schüchtern.“ Hans Pilz "der beste Trainer, den ich je hatte": Wir sind zurück an seinem Stadion, das früher ganz anders aussah und Niedersachsenstadion hieß. Zeit für ein Foto. Siemensmeyer zeigt auf das satte Grün:„Da haben wir mal mit Hans Pilz am Neujahrstag auf knüppelhartem Boden trainiert.“ Dennoch sei Pilz der beste Trainer gewesen, „den ich bei 96 hatte. Er konnte auch mit Menschen umgehen.“ „32 Jahre Fußball – das reicht“, sagt Siemensmeyer. Seit 1991 hat er nicht mehr gegen den Ball getreten, auch nicht für Prominentenmannschaften: „Die Leute sollen mich so in Erinnerung behalten, wie ich mal war.“ Dreimal die Woche geht Siemensmeyer in Hemmingen ins Fitnessstudio, sofern es geöffnet hat, seine Gedanken sind klar: „Das Schlimmste, was ich mir vorstellen könnte, wäre, dement zu werden.“ Siemensmeyers Karriere-Eckpfeiler: Siemensmeyers Pelé-Geschichte: In der Vorbereitung auf die Saison 1971/72 spielte 96 in Vancouver gegen den FC Santos mit Weltstar Pelé. „Er hat mir den Ball durch den Tunnel gespielt, da habe ich ihn nur angeguckt und den Finger gehoben“, erzählt Siemensmeyer, „bei der nächsten Aktion lag er quer in der Luft – ich habe ihn umgehauen.“ 96 führte 1:0 durch Peter Anders, Siemensmeyer verschoss einen Elfmeter, Santos gewann 3:1: „Pelé machte noch ein Tor – obwohl ich ihm auf den Füßen gestanden habe. Den kann man ja nicht ausschalten. Er war sensationell.“ Seine Trainer-Geschichte: Von 1975 bis 1984 trainierte Siemensmeyer den TSV Havelse, stieg siebenmal auf und führte den Klub in die höchste Amateurliga. 96 holte Siemensmeyer später als A-Jugend-Coach. 1991 beendete er dort seine Trainerkarriere. Am 19. September 1988 wurde Siemensmeyer sogar 96-Bundesliga-Trainer. Jürgen Wähling war entlassen worden, 96 nach acht Spielen abgeschlagen Letzter. Abgesprochen war eine Übergangslösung, weil Siemensmeyer bei den Stadtwerken arbeitete. Als Reinhard Saftig am 21. März 1989 übernahm, war 96 Vorletzter, aber punktgleich mit dem 16. Mannheim. Saftig holte noch sechs Punkte aus zwölf Spielen und stieg krachend ab. Danach kam der Klub 13 Jahre nicht mehr hoch. Siemensmeyer: „Ich glaube, dass wir mit mir nicht abgestiegen wären.“ Seine DFB-Karriere: Warum nur drei Länderspiele? „Ich hatte keine Lobby“, sagt Siemensmeyer. Am 27. September 1967 gab er seinen Einstand. Deutschland gewann in Berlin mit 5:1 gegen Frankreich, Siemensmeyer spielte durch und erzielte das zweite und dritte Tor. Sein erstes Länderspiel, sagt er, „habe ich meiner Frau zu verdanken“. Siemensmeyer hatte sich am Samstag davor im Heimspiel gegen Frankfurt schwer auf dem Spann verletzt. „Ich konnte kaum gehen und wollte abends absagen. Und da sagte meine Frau zu mir: ,Du kriegst nie wieder die Chance. Wenn du jetzt absagst, ist deine Länderspielkarriere beendet.‘“ Es folgten 1967 noch zwei weitere Länderspiele gegen Jugoslawien (3:1) und Rumänien (1:0). Der DFB hat ihn aber nicht vergessen. 2006 war Siemensmeyer Hannovers WM-Botschafter. von Jonas Freier