96-Momente: Karl-Heinz Geils und sein erster Sieg gegen Bayern im 22. Spiel

„Auch die Bayern kochen nur mit Wasser!“ stand beinahe trotzig auf dem Titelblatt des Stadionheftes. Doch selbst im Duktus der Achtzigerjahre klang der für diesen 16. April 1988 gewählte Slogan eher wie das berühmte Pfeifen im Walde. Schließlich traf der Aufsteiger Hannover 96 auf den deutschen Meister, der Tabellenzehnte auf den ersten Verfolger von Spitzenreiter Werder Bremen. „Ich hatte schon sehr häufig gegen Bayern gespielt“, sagt Karl-Heinz Geils heute, der in der Saison 1987/1988 einer von sieben erstligaerfahrenen Neuzugängen bei 96 war. „Ein Sieg stand aber noch immer auf meiner To-do-Liste.“ Um konkret zu werden: Mit seinen vorherigen Klubs Werder Bremen, Arminia Bielefeld sowie dem 1. FC Köln war Vorstopper – heute würde man Innenverteidiger sagen – Geils 21-mal gegen den FCB angetreten. Aber außer vier Unentschieden war nichts dabei herausgesprungen. Und auch das Hinspiel mit seinem neuen Verein hatte Geils im Süden mit 1:4 verloren. Wähling baut auf erfahrene Abwehr: Aufstiegstrainer Jürgen Wähling hatte sich im Sommer 1987 an den seinerzeit 32-jährigen Geils erinnert. Erfahrung in der Defensive kann nie schaden, wenn es eine Etage nach oben gegangen ist. Geils und Wähling kannten sich aus der Jugend von Werder Bremen. Und erfahren war der Norddeutsche Geils fraglos – mit der Empfehlung von 344 Partien in der höchsten deutschen Spielklasse kam er nach Hannover. In zwei Bundesliga-Jahren in Niedersachsen stockte er diese Zahl auf stattliche 405 auf – bis heute haben es nur 68 Akteure auf mehr als 400 Bundesliga-Einsätze gebracht. Geils ist einer davon – und er schonte dabei weder sich („Bis auf einen Schlüsselbeinbruch bei Werder war ich aber nie ernsthaft verletzt“) noch seine Gegner. Hart am Mann mit akkuraten Grätschen, das zeichnete seine eher rustikale Gangart aus. Wobei: „Meine Gegenspieler haben immer bis zur 90. Minute gespielt“, betont Geils. Verletzungen zu provozieren war seine Sache nicht, was erklärt, warum er selbst nur einmal vorzeitig vom Platz musste. Eine Rote Karte sah er lediglich bei seinem letzten Einsatz im Trikot des 1. FC Köln. „Für ein Foul an der Außenlinie, das war richtig dumm von mir“, ärgert sich Geils noch immer lachend. Im mit 60 354 Zuschauern ausverkauften Niedersachsenstadion schien es bei schönstem Sonnenschein auch diesmal gewohnt schlecht zu laufen. Nationalspieler Hans Pflügler hatte die favorisierten Gäste früh (6.) mit 1:0 in Front gebracht, die Bayern arbeiteten in der Folge – wenn auch vergeblich – daran, diesen Vorsprung auszubauen. Als Hannovers Engländer Peter Hobday nach der Pause zum 1:1 ausglich (58.), war der Spielverlauf auf den Kopf gestellt. Doch es sollte noch besser kommen. Denn der Fernschussknaller des eingewechselten Gregor Grillemeier eine Viertelstunde vor Schluss zum 2:1-Endstand begrub die Münchner Träume von der Titelverteidigung – und ließ die schwarze Serie von Geils endlich reißen. „Mit Grille habe ich mich immer gut verstanden“, sagt dieser – und lässt offen, ob das eher an dessen 20-Meter-Tor lag oder daran, dass beide in Isernhagen mit ihren Familien nicht weit voneinander entfernt wohnten. Nach 96-Abstieg macht Geils Schluss: Nach zwei Jahren Bundesliga und dem 96-Abstieg 1989 war dann auch für Geils Schluss in der Beletage. Ein Jahr 2. Liga – sein einziges – hängte er noch dran, dann hatte der Verein kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung. Geils lief noch eine Saison für Arminia Hannover in der Oberliga Nord auf und absolvierte nebenbei die Ausbildung zum Fahrlehrer in Braunschweig. Auf den Straßen seines Heimatortes Ritterhude nahe Bremen ist er seitdem als „selbstständiger Einzelkämpfer“ unterwegs. Doch bald soll auch damit Schluss sein. Geils’ Frau Susanne, seit 2006 Bürgermeisterin Ritterhudes, wird sich im November nicht erneut zur Wahl stellen. Die drei gemeinsamen Söhne sind längst aus dem Haus, das Ehepaar Geils hat mittlerweile fünf Enkelkinder. Für die Zeit nach Rathaus und Fahrschule ist geplant, dass Karl-Heinz Geils vom angestammten Beifahrersitz nach links rückt und eine etwas bessere Rundumsicht bekommt. „Wir wollen mit dem Wohnmobil reisen“, sagt er. Kroatien und Irland sind nur zwei der Ziele, die auf seiner nächsten To-do-Liste stehen. Grillemeier wird beim Abhaken diesmal allerdings nicht helfen können. von Ole Rottmann