Uetze: Eine Stunde mit Heimatbund-Vorsitzendem Peter Doms

Als Peter Doms langsam den Schlüssel umdreht und die blaue Holztür öffnet, strömt einem ein längst vergessener Duft entgegen. Es ist eine Mischung aus alter Bibliothek und Bohnerwachs, die in der Olen Dorpschaule unverwechselbar nach Schule anmutet. An Wänden hängen Zeichnungen von Tieren, im Großformat und mit lateinischen Namen darunter versehen. Hohe weiße Fensterschränke lassen auf Materialien blicken, die aus ganz verschiedenen Jahrzehnten stammen. Lederne Brottaschen, Federkiele, Tintenfässer stehen darin dicht gedrängt neben Mikroskopen und Röhrenbildschirmen. „Das weckt bei vielen Menschen Erinnerungen an ihre Kindheit“, sagt Doms. Vielleicht auch deshalb geht der Vorsitzende der Uetzer Heimatbundes so behutsam mit den Gegenständen um, die im Heimatmuseum an der Schulstraße ausgestellt werden. Und das sind mittlerweile „unzählige“, wie Doms sagt: „Wir platzen aus allen Nähten.“ Dennoch scheint der 72-Jährige zu jedem einzelnen Ausstellungsstück eine Geschichte zu kennen. Zusammen mit weiteren Vereinsmitgliedern führt er regelmäßig Gäste durch die Ole Dorpschaule in der Uetzer Dorfmitte oder durch das Zweiständerhaus in Wackerwinkel. Beide Standorte betreibt der Heimatbund. Blechernes Feuerhorn von 1900 weckt jedes Kind auf: „Welche Schätze hier gesammelt liegen, darauf können wir schon ein wenig stolz sein“, sagt Doms leise. Statt groß darüber zu erzählen, will er lieber zeigen, wovon er genau spricht. In seinem Hauptberuf war Doms, der aus Benthe stammt und seit rund 45 Jahren in Uetze lebt, Verwaltungsbeamter bei der Region Hannover. Er hat im Rechnungswesen gearbeitet und etwa Krankenhäuser geprüft. Zu seinem akkuraten Erscheinungsbild mit dem kariertem Hemd unter dem farblich abgestimmten Pullover passt das gut. Doch während Doms durchs Haus führt, geschieht etwas mit dem Mann – seine Zurückhaltung schmilzt. Doms hebt die alten Dinge hoch, erläutert Sinn und Funktionsweise, verwandelt im Handumdrehen einen hohen Kinderstuhl aus hellem Holz in einen niedrigen Spieltisch. „Das war große Handwerkskunst“, sagt er dazu. Er bläst unvermittelt in ein blechernes Feuerhorn von 1900, während er Geschichten von der Feuerwehr erzählt, wie sie einmal war. Bei Kinderführungen werden wohl auch die letzten Kinder spätestens jetzt wach sein. Seit zehn Jahren leitet Peter Doms den Heimatbund: Es scheint, als hauchte nicht nur Doms den Dingen neues Leben ein, sondern diese auch ihm. Sein Lieblingsgegenstand sei eine Barttasse, sagt er. Dabei sieht er einen an, als wüsste jeder, was das sei. Auf Nachfrage gibt Doms Auskunft: „Früher trugen Herren Zwirbelbärte, die sie aufwendig noch extra mit Creme betonten“, erläutert er. Damit der Bart beim Trinken sauber blieb, hatten Tassen eine Art Auflage. Doms, der einen grauen Schnurrbart trägt, macht nun mit der Porzellantasse aus der Vitrine die vornehme Trinkweise vor. Dabei schmunzelt er über den Tassenrand. Seit rund 15 Jahren ist Doms im Verein. Seit einem Jahrzehnt hat er den Vorsitz inne. Arbeit gibt es genug. Von den 275 Mitgliedern treffen sich manche mehrmals monatlich, um beispielsweise Plattdeutsch zu reden, nach altertümlicher Methode zu spinnen oder um für den Fotokalender des Vereins Bilder zu schießen. In Wackerwinkel gibt es die „Offene Pforte“: In Wackerwinkel ist noch mehr zu tun. Das mehr als 420 Jahre alte, ehemalige Bauernhaus war vor Corona jeden Donnerstagnachmittag für Besucher offen. Sowohl das Baudenkmal als auch der Bauerngarten müssen gut gepflegt werden. Auch hier soll jedes Detail stimmen: „Alles urtümlich“, sagt Doms und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Unser Zweiständerhaus ist das am besten erhaltene Bauernhaus in Niedersachsen, das nicht in einem Museum, sondern noch an seinem ursprünglichen Platz steht.“ Seit Pandemie-Beginn hat das Haus, wie das Heimatmuseum auch, fast durchgehend geschlossen. Nur ein einziges Mal hatte es im vergangenen Sommer seine Tore geöffnet. Für dieses Jahr wird noch überlegt: Sollte die Corona-Lage es zulassen, können Besucher an Himmelfahrt kommen. Bis dahin können sich Gäste immer donnerstags ab 15 Uhr den Bauerngarten anschauen, samt Gemüseanbau und Hainbuchen-Laube. An zwei Terminen, einmal Himmelfahrt und einmal voraussichtlich Ende August, sind „Tage der offenen Pforte“ geplant. Rund 50 Leute waren vergangenes Jahr bei der von der VHS Celle ins Leben gerufenen Aktion dabei. Woher kommt die Redewendung „Ins Fettnäpfchen treten“? Der Gast erfährt so unter anderem, dass Kühe damals kaum größer als eine Ziege aus heutiger Zeit waren, bevor Landwirte anfingen, sie zu züchten. „Deshalb ist der Stall so klein.“ An der Feuerstelle, über der Würste hängen, erläutert Doms, woher Redewendungen wie „ins Fettnäpfchen treten“ und „einen Zacken zulegen“ rühren. Der Heimatbund-Chef kennt sich in dem riesigen Haus so gut aus wie bei sich zu Hause, so kommt es einem vor. In Zeiten ohne Pandemie macht der Heimatbund mit seinen Mitgliedern mehrtägige Ausflüge. Doms sagt, er habe in all diesen Jahren viele schöne Momente erlebt – zu viele, um sie alle aufzuzählen. Doch damit hänge auch viel Verantwortung zusammen, sagt er. „Richtig genießen kann man alles manchmal erst hinterher.“ Was ihn antreibt? Altes und Wertvolles zu bewahren und das Wissen weiterzutragen, sagt er. Das komme an. Sogar Gäste aus Übersee – aus den USA und Australien – besuchten die Museen des Heimatbundes. „Ihre Vorfahren, die vor langer Zeit ausgewanderten, stammten aus dieser Gegend. Sie wollten ihre Wurzeln kennenlernen.“ Das ist Doms Belohnung für all sein Bemühen. Von Cristina Marina