Sehnde: Zahntechnikermeister Julian Bien übernimmt Dentallabor

Was bei anderen acht oder neun Jahre dauert, hat Julian Bien in nur der Hälfte der Zeit erledigt: Im trialen Studium hat er in gerade mal vier Jahren neben einer handwerklichen Ausbildung zum Zahntechniker auch gleich noch ein Bachelor-Studium in Betriebswirtschaft absolviert und seinen Meister obenauf gesattelt. Mit nur 23 Jahren ist er im Dentallabor seines Vaters am Zuckerfabriksweg in Sehnde jetzt nicht nur der Jüngste, sondern obendrein auch noch der Chef. Denn Bien hat den Betrieb kürzlich von seinem Vater Volker übernommen und in die Bien Zahntechnik GmbH umgewandelt – ein Generationenwechsel par excellence. „Wir sind jetzt beide Geschäftsführer. Mein Vater arbeitet weiterhin, aber mir gehört das Unternehmen“, sagt Julian Bien. Sein Vater hat das Labor für Zahntechnik rund 30 Jahre lang geführt und sich mittlerweile auf die Fertigung von Bissschienen spezialisiert, die bei einer Funktionsstörung des Kausystems (Craniomandibuläre Dysfunktion) eingesetzt werden. Mit Sohn Julian kommt jetzt hochmoderne Technik ins Labor. Denn der setzt auf Digitalisierung und 3-D-Technik. Vor anderthalb Jahren hat er das Projekt Dentallabor 4.0 gestartet. Vater und Sohn ergänzen sich gut: „Mit meinem Vater ergänze ich mich gut, gerade jetzt am Anfang profitiere ich sehr von seinem Fachwissen“, betont der Hemminger. Auch Volker Bien ist Zahntechnikermeister und obendrein Betriebswirt des Handwerks. Das noch recht neuartige triale Studium, wie es sein Sohn gemacht hat, gab es seinerzeit nicht. „Für die Gestaltung der Zukunft möchten wir künftig das Analoge und Digitale miteinander verbinden. Die Basis bildet für mich aber immer noch die Handarbeit“, erklärt der 61-Jährige. Julian Bien musste dafür ordentlich ran. Eigentlich wollte er Pilot werden, dann entschied er sich um. „In Chemie war ich immer gut, und in Papas Labor habe ich schon als Kind gern rumgegipst“, sagt er augenzwinkernd. Nach dem Abitur in Hannover 2016 startete der Hemminger 2017 mit dem trialen Studium. Vorlesungen auch am Wochenende: Die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Zahntechniker in Paderborn konnte er wegen des Abiturs auf zweieinhalb Jahre verkürzen. Bien absolvierte die Lehre ganz bewusst nicht im Betrieb seines Vaters. „Ich wollte gern mal andere Labore kennenlernen.“ Parallel studierte er Handwerksmanagement an der Fachhochschule des Mittelstandes in Hannover. An der Handwerkskammer bestand er den Abschluss zum Fachmann für kaufmännische Betriebsführung. Nach der Gesellenprüfung im Zahntechnikerhandwerk folgte der Ausbilderschein. Vor einigen Monaten hat Bien die Bachelor-Prüfung bestanden und wenig später den Meisterbrief abgelegt. Lesen Sie auch Kreative Lösungen in der Corona-Krise: Messebaufirma aus Höver erhält Preis „Das war eine harte Zeit, da lief viel parallel. Stressig war vor allem das Pendeln zwischen Paderborn und Hannover“, erzählt der junge Zahntechnikermeister. Die Vorlesungen gingen mitunter bis 21 Uhr und fanden auch sonnabends statt. „Und sonntags habe ich dann gelernt.“ Am anspruchsvollsten fand der 23-Jährige aber die Meisterschule: „Im Handwerk des Zahntechnikers kommt es auf Tausendstel Millimeter an.“ Aufgeben sei für ihn jedoch nie eine Option gewesen. Mitarbeiter sind älter als ihr Chef: Auch die Corona-Pandemie hat den ehrgeizigen Hemminger nicht ausgebremst. Lediglich die Meisterschule fiel ab und zu aus. Im Dentallabor war indes vor allem der erste Lockdown zu spüren. Weil sich viele Menschen aus Angst vor Ansteckung nicht zum Zahnarzt trauten, brachen die Aufträge weg. „Digitalisierung ist mein Ding“, sagt der frischgebackene Zahntechnikermeister Julian Bien. Der 23-Jährige hat jüngst das Dentallabor seines Vaters übernommen. Während dort in der Vergangenheit Arbeiten wie Kronen, Implantate und Brücken ausschließlich ganz klassisch per Hand gegossen wurden, setzt Bien nun auf moderne Technik, Innovation und Nachhaltigkeit. Vor anderthalb Jahren hat er das Projekt Dentallabor 4.0 ins Leben gerufen. „Damit möchte ich die Digitalisierung im Dentallabor vorantreiben, Prozesse entschlacken und schnelle Fertigung ermöglichen.“ Ziel ist eine ganzheitliche Vernetzung mit den Zahnarztpraxen. Daten könnten dann in Echtzeit an den Zahntechniker übermittelt und in eine CAD-Software eingelesen werden. Diese kommuniziert dann mit einer computergesteuerten CNC-Fräsmaschine, die die Modelle fertigt. „Dadurch entfallen lange Aufwärmzeiten für den Gussofen“, erklärt Bien. Er setzt zudem auf nachhaltigen 3-D-Druck. Modelle werden bevorzugt mit einem kompostierbaren Kunststoff auf Sojabasis gedruckt. „Uns hat einfach der ganze Plastikmüll gestört“, sagt Bien. Für den Schritt in die Selbstständigkeit fühlt sich Bien dank des trialen Studiums auch in der Pandemiezeit bestens gerüstet. Im Studium standen Personalmanagement, rechtliche Grundlagen und Mitarbeiterführung auf dem Stundenplan. „Ich weiß auch, wie man Förderanträge stellt und Firmenfeiern organisiert“, sagt Bien. Dass seine 13 Mitarbeiter allesamt älter sind als er, sei kein Problem. Größere Reibereien habe es noch nicht gegeben, auch wenn die Betriebsübernahme gerade für die Älteren mitunter eine Umstellung bedeute. Von Katja Eggers