Neustadt: Seniorenheime und Pflegedienste bereiten sich auf die Impfung vor

Eine Woche nach dem Impfstart in Seniorenheimen der Region ist noch nicht abzusehen, wann die rund ein Dutzend Heime in Neustadt an der Reihe sind. Dort bereiten sich die Pflegekräfte und Bewohner derweil bereits mit großem bürokratischen Aufwand auf den kleinen Pieks vor. Pflegedienstleiter Sascha Matthies (48) koordiniert die Vorbereitungen in der MediCare Seniorenresidenz Wölper Ring. Er erfuhr Heiligabend vom Impfstart in Niedersachsen. Dass der ausgerechnet zwischen den Feiertagen losging, hält er trotz aller Vorfreude für problematisch. „Der Anlauf fiel so in eine Zeit, in der man bürokratisch kaum etwas oder jemanden erreichen konnte“, sagt Matthies. Vermutlich weil alle Einrichtungen gleichzeitig reagierten, gestaltete sich die erste Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden und dem zentralen Impfzentrum in Hannover schwierig. Erst am 28. Dezember gelang es ihm, die Heimaufsicht der Region zu erreichen. „Obwohl wir ein 130-Betten-Haus sind, hatten wir vorab keine Info“, sagt Matthies. Inzwischen laufen die Vorbereitung im Haus auf Hochtouren. Alle Formulare müssen zusammen sein: Die Wohnbereichsleitungen haben inzwischen alle Senioren, die eigenverantwortlich über ihre Impfung entscheiden, persönlich angesprochen. Ein Informationsblatt des Robert-Koch-Instituts wurde ausgehändigt, ein Formular, das mögliche Vorerkrankungen festhält, und das wichtige Impf-Berechtigungsformular. „Einige Bewohner möchten noch Rücksprache mit ihren Hausärzten halten, die erreichen sie natürlich über die Feiertage auch nicht“, berichtet Matthies. Lesen Sie auch Corona-Impfung in Hannover: Wer kommt als Erstes? Wo muss ich mich melden? Impfzentren in Niedersachsen nehmen erst im Februar den Betrieb auf Stand Dienstag, 5. Januar, haben 72 Bewohner ihre Unterlagen ausgefüllt. 42 wollen sich impfen lassen, fünf lehnen die Impfung ab. 25 Formulare wurden nicht korrekt ausgefüllt. Sie müssen noch einmal mit den Bewohnern oder Bevollmächtigten besprochen werden. Ein Problem entsteht auch, wenn Angehörige oder gerichtlich bestellte Betreuer die nötigen Dokumente nicht zügig bearbeiten. 70 Briefe hat das Heim am Wölper Ring bereits vor Jahreswechsel versandt. Nun wartet man auf die ausgefüllten Dokumente, denn nicht alle Bewohner sind in der Lage, selbst zu entscheiden. Für die Heime entsteht hier eine Zwickmühle. Geimpft wird nur, wer korrekt angemeldet ist. Aber wie lange soll man auf die Rückmeldungen warten? Anders als die Mitarbeiter der Seniorenheime wird das Personal des KRH Klinikums Neustadt nicht von den mobilen Einsatzteams der Region geimpft. Das Klinikum stellt, sobald ausreichend Impfstoff verfügbar ist, ein eigenes hausinternes Impfteam auf. Einen konkreten Zeitpunkt für den Start gibt es noch nicht. „Für den Standort Neustadt werden wir im ersten Schritt die Beschäftigten mit der höchsten Priorität laut Corona-Impfverordnung anmelden“, sagt KRH-Sprecher Steffen Ellerhoff. In der Regel seien das Pflegekräfte, Stationsärzte, Physiotherapeuten, Service- und Reinigungskräfte. Das KRH befinde sich in engem Austausch mit dem Impfzentrum der Region Hannover, um in Neustadt möglichst schnell starten zu können, so Ellerhoff. „Wir haben als Stichtag den 8. Januar festgelegt“, sagt Matthies. Gesetzliche Betreuer, die sich nicht rechtzeitig zurückgemeldet haben, will man noch einmal anrufen. „Wir möchten natürlich vermeiden, dass wir jemanden übersehen“, sagt er. Die Zusatzarbeit hängt am Ende am Personal im Haus. „Es ist eine Herausforderung, die natürlich viel Zeit frisst.“ Ist Zeit nicht gerade der kritische Faktor? Matthies warnt davor, in dieser Situation Druck aufzubauen. Heime stünden bereits ganz oben auf der Prioritätenliste. „Nun braucht es eben auch etwas, um alle bürokratischen Hürden zu nehmen“, sagt Matthies. „Wir sind an der Reihe, wenn wir an der Reihe sind.“ Unaufgeregte Senioren: Christa Oldendorf, 72 Jahre alt und Mitglied im Heimbeirat, verfolgt die Lage entspannt. „Wir sind gut aufgeklärt worden“, sagt sie. Den Fortschritt der Impfkampagne, auch die Probleme, verfolgt sie, wie ein großer Teil der Bewohner, abendlich in der „Tagesschau“. Auch auf dem Flur sei die Impfung Thema, ohne allerdings große Aufregung auszulösen. „Es gibt natürlich auch hier Bewohner, die sich sorgen um mögliche Folgeschäden“, berichtet Oldendorf. Für die 90-jährige Sonja Hoffmann ist eine Impfung Routine. „Ich habe mich schon immer gegen Grippe impfen lassen“, erzählt sie. Im Heim am Wölper Ring und in vielen anderen werden Grippeschutzimpfungen von den Hausärzten organisiert und oft, wie die geplante Corona-Impfung, an Sammelterminen durchgeführt. Anders als für die stationären Seniorenheime gibt es für Menschen in der häuslichen oder ambulanten Pflege noch keinen Impf-Masterplan. Es ist also noch nicht organisiert, wie all diejenigen geimpft werden, die das zentrale Impfzentrum auf dem Messegelände in Hannover nicht erreichen können. Das beunruhigt auch die Leitungen ambulanter Pflegedienste in Neustadt. „Das wird ein Chaos geben“, befürchtet Birgit Neumann, Geschäftsführerin des Mobilen Pflege- und Gesundheitsservice isH in Mandelsloh. Sie geht davon aus, dass kaum einer ihrer über 100 Patienten in der Lage sein wird, ein Impfzentrum aufzusuchen. Schon die Bürokratie, die im Vorfeld nötig sein wird, die telefonische Terminvereinbarung oder das Herunterladen von Formularen aus dem Internet, wird ihrer Ansicht nach viele Senioren überfordern. „Dazu kommen die Leute, die einfach kein Geld haben, nach Hannover zu fahren, oder andere Hürden“, sagt Neumann. Kleinere Impfzentren vor Ort, etwa in Neustadt, hält sie aber für keine Option. Auch dabei würden teure und aufwendige Transportfahrten anfallen. Im Interesse ihrer immobilen Kunden hofft Neumann deshalb auf eine gut organisierte ambulante Impfung zu Hause. Wenn die vier mobilen Impfteams die derzeit in der Region Hannover unterwegs sind, am Dienstagabend ihre Schutzkleidung ausziehen, sind insgesamt 750 Mitarbeiter und Bewohner geimpft. Es sind die ersten fünf von 178 Senioren-und Pflegeheimen, die im Vorfeld von der Region kontaktiert wurden. Im Neustädter Land gibt es gut ein Dutzend stationäre Einrichtungen. Die Feuerwehr Hannover geht aktuell davon aus, dass die vier mobilen Teams täglich etwa 250 Personen impfen können. Ein entscheidender Faktor, ob diese Kapazitäten erreicht oder ausgeweitet werden, ist die Verfügbarkeit der Impfdosen. „Es zeichnet sich ab, dass wir vom Land Niedersachsen mit mehr Impfstoff versorgt werden“, erklärt Michael Hintz, Sprecher der Feuerwehr am Dienstag. In dem Fall könne auch die Zahl der mobilen Impfteams aufgestockt werden, so Hintz. Er glaubt nicht, dass unterdessen ein Wettlauf um die frühen Termine zwischen den Heimen ausbricht. „Es ist hier ja kein Windhundrennen, wo der schnellste zieht“, sagt Hintz. Die Entscheidung, wo als nächstes geimpft wird, trifft die Heimaufsicht der Region Hannover, sie legt die Prioritätenliste fest. Voraussetzung bleibt allerdings die ordentliche Rückmeldung aus den Heimen. Die läuft nach Auskunft von Hintze, abgesehen von einigen technischen Problemen bei der Datenübermittlung, bereits gut an. „Einige Heime waren sehr schnell“, sagt er. Zeit bleibt ein entscheidender Faktor. Von Mario Moers