Das Neustädter Messtechnik-Unternehmen Müller Industrie-Elektronik (Buderus) ist bekannt für innovative Technik, aber finden sich im Gewerbegebiet Ost auch Lösungen für die Bundesregierung? Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erkundigte sich am Freitag auf einer Stippvisite bei Geschäftsführer Matthias Müller, wo dem hiesigen Mittelständler der Schuh drückt. Etwa anderthalb Stunden nahm sich der Minister für das Gespräch und einen kleinen Werksrundgang. „Ich komme von der IHK in Braunschweig, gleich geht es weiter zum Unternehmerverband nach Hannover“, sagte Heil. Inhaltlich ging es um die Frage, welche politische Schützenhilfe mittelständische Unternehmen benötigen, um ihren Fachkräftebedarf langfristig zu decken.
Konkurrenz wirbt um die Mitarbeiter
„Es tut uns weh, dass es in der Region viele große Unternehmen gibt, die unsere Leute abwerben. Da können wir finanziell nicht mithalten“, sagte Müller. An sich hätte er keinen grundsätzlichen Nachwuchsmangel. Er erklärte dem Minister das Neustädter Modell der Berufsorientierung, von dem auch der Technikexperte profitiert. Seit 2004 erhalten Hauptschüler der Kooperativen Gesamtschule Neustadt im Rahmen eines Ausbildungsverbundes mit den Berufsbildenden Schulen an zwei Tagen in der Woche berufspraktischen Unterricht. Viele gehen anschließend direkt in die lokalen Handwerksbetriebe.
Das mehrfach prämierte Modell versorgt auf diesem Weg Firmen im Neustädter Land mit Lehrlingen. „Ein echter Exportschlager“, sagt Müller. Einen Haken hat das Modell allerdings. Obwohl er seine derzeit zwölf Ausbildungsstellen und einen Platz für duale Studenten leicht besetzt bekommt, beträgt die Abbrecherquote etwa 50 Prozent. „Wir kriegen sie, ob sie durchhalten, ist eine andere Frage“, sagte Müller, der seine Firma mit 6 Millionen Euro Umsatz im Jahr ohne Abitur und Studium aufgebaut hat. Diese Erfahrung bestärkt ihn in der Überzeugung, dass Berufsorientierung zwei Standbeine benötigt. Das Neustädter Modell dient als effektive Schnittstelle zwischen Schule und Beruf. Zum Erfolg führe schließlich aber das eigene Interesse der Jugendlichen, so Müller. „Wer seine Leidenschaft zum Beruf macht, wird dort auch gut sein.“
Eine geniale Idee für Deutschland?
„Die Idee klingt so einfach wie genial. Ich nehme den Ansatz mit nach Berlin und wir sehen uns das mal an, ob es bundesweit taugen könnte“, sagte Heil. Das Müller-Dilemma weist seiner Ansicht nach auf einen grundsätzlichen Fehler hin. „Bei allem Fachkräftemangel haben wir auch ein Problem der Desorientierung. Viele studieren, machen aber keinen Abschluss“, sagte Heil. Um das zu ändern, will Heil die Berufsorientierung bereits ab der siebten Klasse starten. Zum Abschluss bedankte sich der Minister für die Einladung der Bundestagsabgeordneten Caren Marks nach Neustadt. „Sie produzieren hier nicht nur Sensoren, sondern Lösungen. Das wäre auch ein schöner Slogan für die Bundesregierung“, sagte der Minister und brauste weiter zum nächsten Termin.
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Von Mario Moers