Scheidung, Trauma, Erziehung: Lebensberatungsstelle Langenhagen verzeichnet Anstieg bei Beratung

Konflikte zwischen den Elternteilen, emotionale Probleme von Kindern und Jugendlichen oder eine Scheidung der Eltern: Die Zahl der Menschen, die bei Problemen eine kostenlose Familien- und Erziehungsberatung in Anspruch nehmen, ist im vergangenen Jahr gestiegen. Die Lebensberatungsstelle in Langenhagen verzeichnet für 2019 insgesamt 384 Beratungsfälle und insgesamt 843 Personen, die unterstützt wurden. Das geht aus dem Jahresbericht hervor. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 betreute die Einrichtung 335 Fälle und 724 Menschen im Bereich Familien- und Erziehungsberatung. Der neue Leiter der Lebensberatungsstelle, Bernd Buchholz, spricht von einem „Höchststand“ bei den Zahlen. Bei der Ehe- und Lebensberatung seien die Fälle im Vergleich zu den Vorjahren in etwa stabil geblieben. Auffällig sei jedoch, dass es in dem Bereich einen Anstieg bei den über 60-jährigen Klienten gebe. Buchholz macht die Beobachtung, dass es nicht mehr so viele Vorurteile gegenüber einer psychologischen Beratung gebe und sich mehr Menschen trauten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beratungen dauern durchschnittlich mehr als fünf Stunden: Im Schnitt dauern die Beratungen der Ratsuchenden, die mit 58 Prozent mehrheitlich aus Langenhagen kommen, 5,3 Stunden. Die acht Teilzeitmitarbeiter der Einrichtung in Trägerschaft des evangelischen Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen nehmen sich ausreichend Zeit, um die Probleme zu ergründen und in den Gesprächen Lösungen zu finden. Der Schwerpunkt der Beratungsstelle mit Hauptsitz an der Ostpassage und Zweigstellen in Wiesenau und Burgdorf soll nach Angaben von Buchholz zufolge auch in Zukunft die Familien- und Erziehungsberatung sein, auf die es einen gesetzlichen Anspruch gibt. Finanzierung der Lebensberatung ist schwierig: Doch auch die Lebensberatung für Paare solle es weiterhin geben, kündigt Buchholz an. Die Nachfrage sei nicht kleiner geworden, die Finanzierung des Angebots sei allerdings eine Herausforderung. Denn: Dieser Bereich ist eine freiwillige Leistung, für die Stadt gebe es deshalb keine Verpflichtung, einen Zuschuss zu zahlen. Die Klienten müssen einen Teil der Kosten für die Gespräche bei der Ehe- und Lebensberatung durch qualifiziertes Personal selbst tragen. Die Lebensberatungsstelle bekommt von der Stadt in den kommenden Jahren jeweils 25.000 Euro mehr pro Jahr. Der Zuschuss steigt damit jährlich auf 75.000 Euro. Die Beratungsstelle finanziert damit die Hälfte einer weiteren Beratungsstelle und reagiert auf die deutlich gestiegenen Bedarfszahlen. Der Rat tat sich mit dieser Entscheidung jedoch nicht leicht. Lange und kontrovers rangen die Kommunalpolitiker mit der Frage, wie viel Geld die Stadt für freiwillige Leistungen ausgeben könne. „Wir können absehbar unsere Pflichtaufgaben nicht mehr bezahlen“, gab Grünen-Fraktionschef Dirk Musfeldt zu bedenken. BBL-Ratsherr Jens Mommsen stellte die Frage in den Raum, warum nicht die Kirche in ihrer Trägerschaft mehr Geld geben könne. WAL-Ratsherr Andreas Eilers schlug als Kompromiss vor, den erhöhten Zuschuss nur für ein Jahr zu zahlen. Sie alle aber konnten die breite Mehrheit von SPD, Linken und CDU nicht überzeugen, die den Antrag der Lebensberatungsstelle positiv beschieden. Es sei ein „tolles Zeichen der Stadt“, die finanzielle Unterstützung für die Einrichtung zu erhöhen, sagte der Superintendent des Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen, Holger Grünjes. Um längere Wartezeiten zu vermeiden, sei zusätzliches Personal notwendig, das mit dem höheren Zuschuss finanziert werde. Corona-Pandemie: Ansturm der Ratsuchenden bleibt bislang aus: Suchen sich mehr Menschen aufgrund der Corona-Pandemie Hilfe? Der Ansturm auf die professionelle Hilfe sei bislang ausgeblieben, sind sich Buchholz, seine Stellvertreterin Miriam Temme und Mitarbeiterin Marie Klug einig. Es sei in den vergangenen Monaten eher ruhig gewesen. Einige Klienten, die vor der Krise zu Gesprächen vor Ort waren, seien auch noch nicht wieder zurück. Die Mitarbeiter hätten allerdings vielfach gehört, dass die Belastung von Eltern durch geschlossene Schulen und Kitas „schon sehr hoch“ war, berichtet Temme. Der Leiter ist gespannt, wie sich die Situation im Herbst entwickele. Persönliche Gespräche wieder möglich: Seit Mai sind die Räume an der Ostpassage 11 sowie in den Außenstellen wieder für Besucher und persönliche Gespräche geöffnet – mit telefonischer Voranmeldung. Zudem müssen alle Klienten beim Betreten eine Maske tragen. Die Beratungen sind ohne Mund-Nasen-Schutz möglich. Die offene Sprechstunde, die die Einrichtung sonst anbietet, findet vorerst weiterhin nur am Telefon statt. Alle Einrichtungen der Lebensberatungsstelle Langenhagen sind unter Telefon (0511) 723804 erreichbar. Termine für Beratungsgespräche vereinbaren die Mitarbeiter unter der Woche zwischen 8 uns 18 Uhr. Ein Novum: Erstmals in der Geschichte der Lebensberatungsstelle Langenhagen gibt es einen Wechsel an der Spitze. Seit Anfang Juli leitet der bisherige Stellvertreter Bernd Buchholz die Einrichtung mit einer Dreiviertelstelle. Hans-Günter Schoppa, bisheriger Chef der Beratungsstelle, die es seit Oktober 1994 gibt, hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Der 48-jährige Buchholz ist mit den Aufgaben bereits bestens vertraut: Seit 2007 arbeitet der Diplompsychologe und Psychotherapeut in der Einrichtung. Fünf Jahre war er stellvertretender Leiter. Er habe gemerkt, dass es ihm Spaß mache mitzugestalten, begründet Buchholz seine Bewerbung auf die Stelle. Der 48-Jährige konnte sich in einem Auswahlverfahren gegen drei weitere Bewerber durchsetzen. Lebensberatungsstelle will digitaler werden: In Zukunft will sich die Einrichtung nicht nur aufgrund der Erfahrungen aus der Corona-Krise technisch aufrüsten, um eventuell Beratungen via Videoschalten anbieten zu können, kündigt Leiter Buchholz an. Zudem gebe es die Idee, digitale Angebote auch unabhängig eines Lockdowns vorhalten zu können. Doch für die Realisierung sei der Datenschutz Grundvoraussetzung. Von Julia Gödde-Polley