Grüngut-Annahme in Langenhagen: Gartenbesitzer brauchen vor Betriebshof Geduld

Montag, kurz vor 9 Uhr in Langenhagen. Während auf den Straßen wegen der Corona-Krise weniger Verkehr herrscht als an anderen Werktagen, bildet sich vor dem Betriebshof südlich der Rennbahn eine lange Autoschlange. Die Fahrer warten darauf, ihren Grünschnitt in den Container auf dem Gelände werfen zu können. Das war bis Freitag nicht möglich – der Abfallwirtschaftsbetrieb der Region Hannover Aha hatte sämtliche Annahmestellen und Wertstoffhöfe wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Aus Sicherheitsgründen und zum Unmut vieler Bürger. Langenhagen entschied sich deshalb in der vergangenen Woche für einen Sonderweg, und so gibt es in der Flughafenstadt die derzeit einzige geöffnete Annahmestelle in der Region – doch nur für bestimmte Menschen. Bürger sind schon vor 9 Uhr da: An diesem Morgen, dem ersten Öffnungstag, brauchen die Menschen Geduld, während sie mit ihrem Wagen in der Schlange stehen. Zeitweise reihen sich die Wagen bis zur Kurve bei der Kläranlage. Einige warteten schon seit kurz nach 8 Uhr an dem Areal, berichtet ein Mitarbeiter. Das Gelände öffnet jedoch erst um 9 Uhr. Zwei Radfahrer haben sich vorn in der Schlange eingereiht – das hat, so berichten Augenzeugen, zu Diskussionen geführt. Ein Mann hat einen kleinen Sack auf seinem Gepäckträger befestigt. Der ältere Herr hat das frühlingshafte Wetter der vergangenen Tage – wie viele andere Bürger auch – für Gartenarbeiten genutzt. Ein Teil des Grünschnitts habe er gehäckselt und auf den eigenen Kompost getan, berichtet er – während er bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt dick angezogen auf Einlass wartet. Aber den Abfall wegbringen zu können sei besser, weil dieser auf dem Kompost nicht so schnell verrotte. Securitydienst kontrolliert Personalausweise: Bis auf die kleinen Diskussionen warten alle ganz geduldig, bis der Mitarbeiter des Langenhagener Sicherheitsunternehmens MBL-Security um 8.57 Uhr beginnt, die Personalausweise zu kontrollieren. Denn: Das Angebot der Stadt dürfen ausschließlich Langenhagener nutzen oder Menschen, die im Stadtgebiet einen Kleingarten besitzen und woanders wohnen. Diese müssen ihren Pachtvertrag für die Kontrolle bereithalten. Die ersten fünf Kunden dürfen auf das Betriebshofgelände fahren und dort einzeln den Sackinhalt in den bereitgestellten Container schütten. Alle anderen müssen – wieder in einer Schlange – in ihren Wagen warten. Autos sind teils voll mit Abfall beladen: Eine Kundin berichtet, sie sei froh, dass die Einrichtung wieder geöffnet habe und sie dort ihren Grünschnitt aus dem Garten abgeben könne. Im Frühjahr falle schon viel Strauchschnitt an. „Da muss man dann mal Wartezeit in Kauf nehmen“, sagt die Frau. Sie habe damit gerechnet, dass es länger dauern könnte – und hat sich Zeitschriften mitgenommen, um die Wartezeit zu überbrücken. Ihren Kleinwagen, einen Fiat 500, hat die Langenhagenerin mit vielen gefüllten Säcken beladen, die Kofferraumklappe lässt sich nicht mehr schließen. Verwaltung will mit Angebot Natur schützen, Aha leert Container: Die Langenhagener Stadtverwaltung hat auf die laut gewordenen Forderungen der Menschen reagiert, die Abfälle aus dem Garten loswerden zu können – trotz Corona-Krise. Die Stadt unterstützt mit der Wiederaufnahme der Grüngutannahme Gartenbesitzer aus dem Stadtgebiet, die dort ihren Abfall entsorgen können, und beugt damit dem Problem vor, dass der Grünschnitt aus dem Garten illegal in der Natur abgeladen wird. Aha leert die Container wieder regelmäßig. Dies sei allerdings nur so lange möglich, wie der Abfallentsorger dies personell stemmen könnte, berichtete Aha-Sprecherin Helene Herich Ende vergangener Woche. Kunden sind vorbereitet: Sobald ein Auto das Gelände verlassen hat, darf der Erste aus der Warteschlange das Tor zum Betriebshof passieren. Der Securitydienst regelt während der Öffnungszeiten den reibungslosen Ablauf. Am Montagmorgen zeigen fast alle Kunden ihren Personalausweis für die Wohnortkontrolle unaufgefordert durch die Fensterscheibe vor – „die sind vorbereitet scheinbar“, sagt der Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens. Wachdienst bleibt vor Ort: „Der Wachdienst bleibt zunächst einmal bis auf Weiteres vor Ort, um zu verhindern, dass Nicht-Langenhagener den Service nutzen und die Kapazitäten des Containers sowie des Betriebshofes selbst (Verkehrs- und Arbeitsfläche) dann nicht ausreichen könnten“, sagt Stadtsprecherin Juliane Stahl am Dienstagmittag. Je nach Bedarf investiert das Rathaus derzeit zwischen 500 und 1000 Euro pro Woche, um das Angebot aufrechterhalten zu können. Hilfsbereitschaft am Container: Und auch auf dem Betriebshof zeigen sich Bilder von Solidarität und Hilfsbereitschaft. Als ein älterer Herr es scheinbar nur mit letzter Kraft schafft, die prall gefüllten und schweren Säcke aus seinem Kofferraum zu heben, steigt kurzerhand ein anderer Mann aus seinem Wagen aus und hilft ihm. Sie arbeiten mit ausreichend Abstand – der Herr holt den Grünschnitt aus seinem Wagen, der andere Mann trägt den Abfall die Stufen rauf zum Container und leert die Behälter. Insgesamt kamen am Montag nach Angaben der Stadt innerhalb von sechs Stunden etwa 150 Fahrzeuge zum Gelände. Alles sei „diszipliniert und reibungslos“ verlaufen, berichtet Stahl. „Mit der Öffnung unterstützen wir alle Langenhagener, die ihren Garten jetzt aus dem Winterschlaf holen“, sagt Bürgermeister Mirko Heuer. Die geordneten Verhältnisse bei der Anlieferung hätten die Entscheidung bestätigt. So hat der Betriebshof geöffnet: Langenhagener können Baum-, Hecken-, Strauch- und Rasenschnitt montags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr, freitags von 9 bis 11.30 Uhr und ab dem 4. April auch wieder sonnabends von 9 bis 12 Uhr zum Betriebshof, An der Neuen Bult, bringen. Das Angebot gilt allerdings ausschließlich für Bürger aus der Flughafenstadt. Als einzige Ausnahme dürfen zudem Menschen, die in Langenhagen einen Kleingarten besitzen, aber woanders wohnen, ebenfalls ihr Grüngut zum Betriebshof fahren. Die Wertstoffhöfe und landwirtschaftlichen Grüngutannahmestellen in der Region sind aktuell geschlossen. Der Abfallwirtschaftsbetrieb (Aha) reagiert damit auf die Corona-Pandemie. In der Folge landet immer mehr Gartenabfall in den Wäldern. Wie Revierförster Lucas Kubel vom Forstamt Fuhrberg berichtet, gebe es in seinem Zuständigkeitsbereich gleich mehrere Hotspots: Dabei handelt es sich um die Parkplätze im Sprillgehege zwischen Großburgwedel und Fuhrberg, im Rhaden zwischen Kleinburgwedel und Wettmar sowie im Forst Rundshorn bei Berkhof am Trimm-dich-Pfad. Dort würde zwar schon immer illegal Unrat abgeladen. Doch speziell in diesem Jahr ist es seit Beginn der Vegetationszeit besonders schlimm, sagt er. Als Ursache dafür vermutet er auch die fehlende Sozialkontrolle auf den zumeist abseits gelegenen Parkplätzen. Denn überall dort, wo etwa auch Lastwagenfahrer ihre Rast einlegten, sei das Phänomen nicht so gravierend, weiß der Förster. Und harmlos ist das nicht, meint der Fachmann. Denn in den Gartenabfällen seien auch Reste fremder, nicht heimischer Pflanzen. Und diese „Neophyten“ würden dann die im Wald heimischen Pflanzen verdrängen und so die Natur erheblich aus dem Gleichgewicht bringen, erläutert Kubel. „Das gehört einfach nicht in den Wald.“ Wohin mit dem ganzen Grünschnitt? Vor dieser Frage stehen Gartenbesitzer derzeit angesichts der geschlossenen Wertstoffhöfe und Grüngutannahmestellen. Auch die Osterfeuer, sonst Orte für die Entsorgung von trockenen Ästen, fallen aus. Der Nabu Niedersachsen sieht diese Entwicklung als Chance für Tiere und die Gärten – und zeigt jetzt Alternativen auf. „Äste und Strauchwerk können im Garten an geeigneter Stelle – möglichst nicht in Senken, in denen sich Wasser sammeln kann – aufgeschichtet werden zu einer Rotkehlchen- und Spitzmausburg“, sagt Rüdiger Wohlers vom Nabu. Am Boden sollte mit grobem Material begonnen werden, in dem sich genügend Hohlräume befinden. Feinerer Grünschnitt sollte Wohlers Angaben zufolge oben liegen, damit Rotkehlchen, Heckenbraunelle, Zaunkönig oder etwa Igel und Spitzmaus in dem Haufen einen Unterschlupf finden. Wer feineren Grünschnitt hat, könne diesen, stark zerkleinert, in einen Komposthaufen im Garten mit gröberen Zweigen und Ästen vermischen. Anschließend ist er als eigens hergestellter Dünger gut für den Nährstoffhaushalt der Beete und kann als dünne Mulchschicht direkt aufgetragen werden. Den Abfall einfach in der freien Natur abzuladen ist illegal und schadet nach Angaben der Naturschützer Tieren und Pflanzen. „Das Wegkippen von Gartenabfällen in Wälder, Parkränder, an Wegraine oder auf Felder schadet der Natur sehr: Hier werden Nährstoffe auf eigentlich nährstoffarme Böden gebracht und die dortige Artenvielfalt gestört; auch gelangen exotische Zuchtpflanzen, die sich in der freien Natur rasend ausbreiten können, als Samen oder Pflanzenteile dorthin und können oft kaum mehr eingedämmt werden“, berichtet Wohlleben und mahnt, solche Aktivitäten zu unterlassen. Gartenbesitzer, die keine andere Möglichkeit haben, sollten nach Angaben des Nabu den Grünschnitt in engmaschigen Drahtkörben oder nicht luftdichten Säcken zwischenlagern – bis die Wertstoffhöfe und Annahmestellen wieder geöffnet haben. Lesen Sie auch: Gartenbesitzer wollen ihr Grüngut loswerden: Stadt reagiert Wohin mit Grünschnitt und Sperrmüll? Bürger fordern von Aha, Wertstoffhöfe wieder zu öffnen Trotz Kritik aus der Bevölkerung: Wertstoffhöfe von Aha bleiben geschlossen Sehnde: Gartenbesitzer laden ihren Grünschnitt am Wald ab Von Julia Gödde-Polley

Langenhagen - Grüngutannahme: Gartenbesitzer brauchen vor Betriebshof viel Geduld