Wechsel in Rethen: Interview mit Grundschul-Rektorin Bärbel Vujicic

Laatzens erfahrenste Schulleiterin verabschiedet sich: Mit dem Ende des Schulhalbjahres geht Bärbel Vujicic als Rektorin der Grundschule Rethen in den Ruhestand. Im Interview berichtet sie, wie sich die Schule in dieser Zeit verändert hat, über die Auswirkungen der Corona-Pandemie und das lange Warten auf den Erweiterungsbau. Frau Vujicic, Sie verlassen die Grundschule Rethen nach fast 20 Jahren als Rektorin mitten in der Corona-Pandemie. Hat Ihr Ausscheiden auch damit zu tun? Nein, auf keinen Fall. Ich habe mich schon vor über einem Jahr entschieden, 2021 den Schritt zu gehen. Da war von Corona noch nichts zu hören. Sie gehören mit 64 Jahren zur Risikogruppe. Wie schwer fiel es Ihnen zuletzt, trotzdem zu unterrichten? Das fiel mir nicht schwer, ich hatte keine Bedenken. Ich habe alle Sicherheitsvorschriften eingehalten und darauf vertraut, dass ich gesund bleiben kann. Aber es ist eine individuelle Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Sie waren im November selbst an Covid-19 erkrankt. Gab das nicht zu denken? Nein, es ist nicht gesagt, dass ich mich hier in der Schule angesteckt habe. Und mein Mann hatte als Erster Symptome. „Eine enorme Belastung für die meisten“: Die Wechsel zwischen Präsenz- und Fernunterricht fordert Schülern, Eltern und Lehrern viel ab. Was macht das mit den Kindern? Das ist eine enorme Belastung für die meisten. Ich bewundere die Kinder dafür, wie sie das meistern. Manche kommen uns allerdings verunsichert vor, etwas trauriger, nicht mehr so belastbar und schneller auch mal ungeduldig oder in Streitigkeiten verwickelt. Und vieles, was sie mal gelernt haben, haben sie auch wieder vergessen. Das hat auch Auswirkungen auf die künftigen Fünftklässler. Worauf müssen sich die weiterführenden Schulen einstellen? Ich denke, das gilt für alle Kinder – an den weiterführenden Schulen genauso wie im Primarbereich. Egal, an welcher Schulform, werden die Kinder nicht eins zu eins so arbeiten können wie dies vor zwei Jahren noch der Fall war. Als Sie Ihren Dienst angetreten haben, war von Homeschooling und Pandemieängsten noch keine Rede. Warum haben Sie sich damals entschieden, Schulleiterin zu werden? Ich wurde damals an der Grundschule Meterstraße in Hannover für den Posten als Konrektorin vorgeschlagen. Dort habe ich auch gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Ich habe dann ein halbes Jahr als kommissarische Schulleiterin gearbeitet und festgestellt, dass das sehr viel Freude machen und sehr erfüllend sein kann. So habe ich mich entschieden, mich für eine Schulleitungsstelle zu bewerben. „Ich wollte schon als Schülerin Lehrerin werden“, sagt Bärbel Vujicic. Sie hat an dem Plan festgehalten: Die gebürtige Buxtehuderin ist bereits seit 41 Jahren im Schuldienst. Nach dem Studium in Hannover unterrichtete sie zunächst an der Hauptschule am Büssingweg in Hannover, später an der Grundschule Meterstraße, der heutigen Otfried-Preußler-Schule, wo sie zuletzt als Konrektorin arbeitete. Im Sommer 2001 wechselte Vujicic dann als Schulleiterin nach Rethen. Dort begleitete sie unter anderem die Einführung der Verlässlichen Grundschule, den Umbau zur Ganztagsschule und die Planungen für den Erweiterungsbau. Der Übergang in der Schulleitung soll nahtlos erfolgen. Vujicics Nachfolgerin Emine Haydar wird bereits am Montag ihren Dienst als neue Rektorin der Grundschule Rethen aufnehmen. Die 44-Jährige ist bislang als Koordinatorin im Zentrum für Sprachbildung und interkulturelle Bildung in Hildesheim tätig. Auf die Schule sind viele Veränderungen eingeprasselt: War es denn der richtige Schritt oder haben Sie ihn bereut? Viele schrecken ja heute vor einer solchen Position zurück, gerade an den Grundschulen. Nein, das habe ich nie bereut. Ich bin gerne Schulleiterin gewesen und habe gerne ein Kollegium geführt, auch wenn dies nicht immer einfach ist. Und nach wie vor arbeite ich unglaublich gerne mit Kindern. Ich weiß aber nicht, ob ich den Schritt heute noch so machen würde. Diese Corona-Zeit ist unheimlich anstrengend. Ich habe im Herbst gemerkt, dass mich die letzten Monate sehr ausgezehrt haben. Was hat sich über die Jahre hinweg in Ihrem Beruf verändert? Gefühlt – das sagen auch meine Schulleiterkollegen – werden die Aufgaben immer zahlreicher, es kommt immer noch was drauf: Wir wurden erst volle Halbtagsschule, dann kamen die verlässliche Grundschule, die eigenverantwortliche Schule und die Ganztagsschule mit den damit verbundenen Vertragsabschlüssen, später das Thema Inklusion. Wenn Sie auf die Veränderungen schauen, die in immer kürzeren Abständen auf die Schulen eingeprasselt sind, kann ich sehr gut nachvollziehen, warum junge Menschen sich diese Entscheidung heute reiflich überlegen. Die Stadt hat immer wieder versprochen, die Rethener Grundschule zu erweitern, beginnen soll der Anbau jetzt erst mit sieben Jahren Verspätung. Ärgert Sie und Ihre Kollegen das? Ja. Denn eine wichtige Voraussetzung für Ganztagsarbeit und vor allem für die Inklusion ist, dass man ausreichend Räume zur Verfügung hat. Wir haben damals einen Plan erstellt, haben Stunden mit Vertretern des Schulträgers zusammengesessen, um einen Anbauplan zu entwickeln, der dann im Rathaus in der Schublade verschwand. Das, was jetzt geplant ist, ist wieder etwas ganz anderes. Da sind wir allerdings sehr gut mit einbezogen worden, man hat unsere Vorschläge stets offen aufgenommen. „Wir haben einen sehr, sehr schönen Beruf“: Ein Abschied in Corona-Zeiten ist schwierig. Wie wird der aussehen? Nur eine kurze Dienstbesprechung mit den Kollegen in der Pausenhalle, wie wir sie sonst auch abgehalten haben. Als einzige außenstehende Person wird der zuständige Dezernent Herr Brandt mit der Entlassungsurkunde erscheinen. Mehr geht eben nicht. Ich habe mich schon von vielen auf postalischem Weg verabschiedet, E-Mails geschrieben oder auf persönlichem Weg, Bürgermeister Köhne rief am Montag an. Was werden Sie am meisten vermissen? Die Kinder. Kinder beim Lernen begleiten zu dürfen, ist was Wunderbares. Festzustellen, wie sie sich die Welt erobern, Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, ist ganz wunderbar. Wir haben wirklich einen sehr, sehr schönen Beruf. Von Johannes Dorndorf