Isernhagen: Hausarzt fordert schnelle Impfung in offenem Brief

Den Schlüsselmoment erlebte der Mediziner Thomas Riebschläger am Montag. Der Hausarzt aus Neuwarmbüchen war zu einem dringenden Hausbesuch bei einer Familie gebeten worden. Vater und Sohn fand er schwer krank vor, die Mutter bereits im Krankenhaus, erkrankt an Covid-19. Einen der beiden ließ er letztlich in die Klinik einweisen. „Trotz Schutzanzug und FFP2-Maske fühlte ich mich schutzlos“, sagt Riebschläger. Der Grund: Er ist bisher nicht geimpft. „Ich habe auch Verantwortung für andere Menschen“, betont Riebschläger. Denn direkt vom Hausbesuch ging es zum Mittagessen mit seiner Familie – mit der inneren Ungewissheit: „Was habe ich heute nach Hause mitgebracht?“ Um 15 Uhr erwartete er schon die nächsten Patienten in seiner Sprechstunde. Und dann riss der Geduldsfaden: Riebschläger schrieb einen offenen Brief an die Politik und die Kassenärztliche Vereinigung mit den mehr als deutlichen Schlusssätzen: „Es ist genug. Ich verweigere zukünftig den Einsatz. Impfen Sie uns!“ Auch über die sozialen Medien verteilte er sein Schreiben. Lesen Sie auch Corona-Impfung: Arzt aus Isernhagen informiert per Youtube-Video Riebschläger: Unwägbare Gefahren in den Hausarztpraxen: „Ich war da sehr emotional“, sagt Riebschläger am Tag danach. Nein, seinen Dienst quittiere er nicht. Aber die Kritik daran, dass niedergelassene Ärzte bisher bei der Impfung nicht mit in die Kategorie der höchsten Priorität eingestuft seien, bleibe. 100 positiv getestete Corona-Patienten zählte allein seine Praxis in Neuwarmbüchen bisher. Zu jedem hatten er und seine Mitarbeiter Kontakt – wenn auch in Schutzanzügen. Die unwägbaren Gefahren in den Hausarztpraxen seien groß. „Ich habe Patienten hier, die kommen heute mit Rückenschmerzen und morgen sehe ich sie wieder mit trockenem Husten und Fieber“, sagt Riebschläger. „Ich habe Verständnis dafür, dass es beim Impfen anfangs geholpert hat. Schließlich ist das ein Mammutprojekt.“ Dennoch ärgere es ihn, dass der Einsatz der Ärzte nicht entsprechend gewürdigt werde und diese laut Verordnung erst in zweiter Linie geimpft werden sollten. Umso mehr freut es ihn, dass genau diese Prioritäten bei der Impfung sich jetzt anscheinend ändern und auch niedergelassene Ärzte, die regelmäßig Corona-Abstriche nehmen, Vorrang bekommen sollen. „Hauptsache, das passiert jetzt auch zügig“, sagt Riebschläger. Die Empfehlung an die Hausärzte, man solle sich doch an Seniorenheime wenden und dort mitimpfen lassen, hatte ihn den Kopf schütteln lassen. „Warum sollten wir ,Bitte, bitte’ machen müssen, um eine Impfung zu erhalten?“, fragt Riebschläger. Andere Ärzte haben sich in Pflegeheimen mitimpfen lassen: Andere Ärzte in Isernhagen sind dieser Empfehlung durchaus gefolgt. „Wir und unsere Mitarbeiter sind geimpft“, sagt beispielsweise Renate Vogelgesang, die die Hausarztpraxis in Kirchhorst mit ihrem Mann betreibt. Ihre Praxis bietet ebenfalls zu festen Zeiten Corona-Tests an – die Patienten bleiben beim Abstrich im Auto sitzen, um die Praxisräume nicht betreten zu müssen. „Wir betreuen zudem viele Bewohner in Pflegeheimen und konnten uns dort dann auch impfen lassen“, sagt Vogelgesang. Für ihre Praxis und ihre Mitarbeiter habe das gut funktioniert – aber für andere Kollegen, die eventuell nicht ständig in Pflegeheimen im Einsatz seien, sei das keine Lösung. Von Carina Bahl