Bürgermeisterwahl in Isernhagen: SPD-Kandidat Philipp Neessen im Interview

Herr Neessen, Sie sind mit 21 Jahren jüngster Ortsbürgermeister in Niedersachsen geworden, jetzt wollen Sie mit 25 Jahren hauptamtlicher Gemeindebürgermeister werden. Das klingt mutig. Ja, aber ich traue mir das zu 100 Prozent zu. Ich bin seit zehn Jahren politisch aktiv, habe in den vergangenen fünf Jahren im Rat und als Ortsbürgermeister von Altwarmbüchen viel Erfahrung gesammelt. Herbert Schmalstieg war erst 28, als er Oberbürgermeister von Hannover wurde – da hat das Alter auch keine Rolle gespielt. Als Gemeindebürgermeister ist man aber nicht nur Politiker, sondern auch Verwaltungschef. Beruflich habe ich mich schon vom Azubi zum Einkaufsleiter hochgearbeitet. Aktuell arbeite ich als Vorstandsreferent für die Johanniter-Unfallhilfe und konnte vom Vorstand lernen, wie man eine Verwaltung führt. Dort gibt es 1200 Mitarbeiter. Ich werde viel lernen müssen, aber im Isernhagener Rathaus läuft auch vieles schon sehr gut. Die Amtsleiter und die Erste Gemeinderätin sind erfahren und bringen gute Ideen ein. Verbesserungspotenzial gibt es aber überall. Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial? Was würde ein Bürgermeister Neessen ändern? Wir brauchen eine bürger- und mitarbeiterfreundliche Verwaltung in Isernhagen. Da muss der Bürgermeister vorneweg gehen. Ich würde immer ansprechbar sein und auch digitale Sprechstunden anbieten – in den Abendstunden. Und ich möchte in die Ortsteile gehen. Es geht nicht, dass der Bürgermeister im Rathaus sitzt und wartet, dass die Bürger zu ihm kommen. Ein offenes Bürgerbüro ohne Terminpflicht gehört auch dazu – nach der Pandemie. Ein beliebtes Wahlkampfversprechen ist mehr Transparenz. Wie sieht das bei Ihnen aus? Die Verwaltung ist meiner Meinung nach transparent. Wer Fragen hat, bekommt Antworten. Ich würde allerdings einen Stream auf der Homepage von politischen Sitzungen haben wollen. Auch beim Haushalt gibt es Luft nach oben: Wofür gibt man das Geld konkret aus? Wie viele Stellen werden für welche Aufgaben gebraucht? Ehrenamtliche Politiker können den aktuellen Doppelhaushalt nur schwer nachvollziehen. Das muss auch für die Bürger übersichtlicher werden. Aus diesem Grund hat die SPD den Haushalt im Dezember abgelehnt. Bürgermeister Arpad Bogya hat das mehr als deutlich kritisiert. Wie stehen Sie dazu? Ich verstehe, dass er sich einen Haushaltsbeschluss gewünscht hätte und enttäuscht ist, dass es nicht dazu gekommen ist. Aber der Stellenplan lag zu kurzfristig vor, es war viel zu wenig Zeit, um alles zu verstehen. Wir stehen daher zu unserer Ablehnung. Lesen Sie auch: „Ich bin nicht Arpad Bogya“: CDU-Bürgermeisterkandidat Tim Mithöfer im Interview „Mehr Wahlfreiheit für Familien“: Grünen-Bürgermeisterkandidatin Gretha Burchard im Interview „Politik hat es verbockt“: Bürgermeister Arpad Bogya im Interview zur Ablehnung des Haushalts Der Wahlkampf wird im Corona-Jahr nicht einfach. Wie wollen Sie die Menschen erreichen? Ich bin bei Facebook und Instagram aktiv – das sollte übrigens auch die Gemeinde Isernhagen werden. Meine Telefonnummer ist kein Geheimnis, man kann mich immer anrufen. Ich werde digitale Sprechstunden anbieten und verschicke Postkarten an alle Haushalte unter dem Motto „Die beste Idee Isernhagens“. Die Isernhagener haben so die Möglichkeit, mir ihre Wünsche mit auf den Weg zu geben. Ich hoffe aber auch auf viele persönliche Gespräche. Apropos Wahlprogramm: Welche drei Dinge versprechen Sie, als Bürgermeister umzusetzen? Jedes Kind ab einem Jahr soll einen Betreuungsplatz erhalten. Die Grundschulen in Isernhagen sollen bis 2025 unbedingt den Ganztagsbetrieb aufnehmen. Und ich möchte bezahlbaren sowie barrierefreien Wohnraum schaffen. Wo? Vor allem in Altwarmbüchen. Wo genau? Beispielsweise auf dem Gelände der jetzigen Grundschule. Aber es gibt bestimmt auch andere Flächen in den Ortsteilen, die sich dafür anbieten. Da muss man mit den Ortsräten schauen, wo es gewünscht und machbar ist. Neuen Wohngebieten und Gewerbegebieten stehe ich offen gegenüber, aber die Gemeinde sollte zuerst bestehende Gebiete aufwerten. Wie könnte das gelingen? Die Gemeinde sollte Flächen mit Leerständen aufkaufen und selbst vermarkten. Das ermöglicht mehr Einfluss auf die Entwicklung und neue Gewerbeeinnahmen. Zudem stelle ich mir eine Job- und Ausbildungsmesse vor, bei der Isernhagens Wirtschaft sich vorstellen und vernetzen kann. Ihr Wahlkampfmotto haben Sie mit „Besser werden, Isernhagen bleiben“ angegeben. Was verbirgt sich dahinter? In der Gemeinde läuft schon vieles gut. Wo es geht, möchte ich etwas verbessern – zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr mit einer Ringlinie durch die Dörfer. Aber der Charakter Isernhagens ist einzigartig, und das soll er auch bleiben. Die Gestaltungssatzung für die Altdörfer beispielsweise war genau der richtige Schritt. Einzigartig für die Gemeinde sind auch die Schulden, die Isernhagen in den nächsten Jahren anhäufen wird. 55 Millionen Euro stehen im Finanzplan. Wie wollen Sie da gegensteuern? Wir brauchen ein Konzept, um die Ausgaben zu minimieren. Freiwillige Leistungen für das Ehrenamt dürfen nicht gekürzt werden. Aber es gibt Einsparpotenzial, das Verwaltung und Politik gemeinsam finden und nutzen müssen. Auch bei den Bauvorhaben müssen wir realistischer werden und im Zweifelsfall Projekte schieben. Haben Sie da konkrete Ideen? Die SPD hat bereits beantragt, die millionenschwere Sanierung des Schulzentrums vorerst auf das Nötigste zu reduzieren. Auch bei den geplanten neuen Feuerwehrhäusern müssen wir schauen, was geht – und das gemeinsam mit der Feuerwehr. Ebenso bei der Sanierung des Zentrums Altwarmbüchen, um die Geschäftsinhaber nicht zu überfordern. Wenn Sie Ihre Konkurrenz betrachten: Tim Mithöfer (CDU) ist Unternehmer, Gretha Burchard (Grüne) Verwaltungswissenschaftlerin. Wie sehen Sie Ihre Chancen? Ich rechne mir große Chancen aus, sonst würde ich das gar nicht erst versuchen. Ich bin mir sicher, dass ich die Isernhagener mit vollem Einsatz von mir überzeugen kann. Bezahlbarer Wohnraum, Kinderbetreuung, Stärkung der Wirtschaft: All das haben auch Ihre Konkurrenten angeführt. Warum sollte man Philipp Neessen wählen? Im Gegensatz zu den beiden bin ich seit Jahren politisch aktiv. Ich kenne die Verwaltungsabläufe, alle Themen und sehe die Zusammenhänge. Als Ortsbürgermeister bin ich nicht neu und konnte schon beweisen, dass ich mein Wort halte. Durch meine Arbeit beim Helfernetzwerk und beim Kulturtresen bin ich auch im Vereinswesen integriert. Für mich wäre der Bürgermeisterposten kein Zwischenstopp oder Sprungbrett. Ich bin tief in Isernhagen verwurzelt und würde bleiben, solange man mich will. Philipp Neessen (25) lebt seit seinem dritten Lebensjahr in Altwarmbüchen, besuchte dort die Kita Die Arche, die Außenstelle der Grundschule an der Jacobistraße sowie die Realschule. Er absolvierte eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann bei einem Burgwedeler Unternehmen und stieg dort zum Einkaufsleiter auf. Seit Sommer 2020 ist er als Referent des Regionalvorstands der Johanniter-Unfallhilfe Niedersachsen-Mitte tätig. Seit zehn Jahren ist Neessen Mitglied der SPD, seit 2016 sitzt er für die Sozialdemokraten im Isernhagener Rat und ist Ortsbürgermeister in Altwarmbüchen. Bei Amtsantritt war er mit 21 Jahren der jüngste Ortsbürgermeister Niedersachsens. Seit 2015 ist Neessen zudem Vorsitzender des Helfernetzwerks Isernhagen und inzwischen auch im Vorstand des Kulturvereins Kulturtresen. Er ist ledig, aber liiert, und wohnt aktuell im Zentrum Altwarmbüchens. Zum Abschluss: Im Gegensatz zur Konkurrenz haben Sie sich nicht ausdrücklich zum Amtsinhaber Arpad Bogya (CDU) abgegrenzt. Wie stehen Sie zu ihm und seiner Arbeit? Arpad Bogya ist ein echter Experte im Verwaltungswesen und meinungsstark. Menschlich sind wir unterschiedlich, aber ich schätze ihn sehr und konnte viel von ihm lernen. Ein Wahlkampf gegen ihn wäre extrem schwer geworden, umso mehr gönne ich ihm nun den verdienten Ruhestand. Von Carina Bahl