Kita-Notgruppen in Gehrden: Kinder genießen ungeteilte Zuwendung

Die kleine Juna wirkt verträumt. Ganz alleine spielt die Fünfjährige auf dem Spielplatz der städtischen Kindertagesstätte Am Castrum. Für zwei weitere Kinder, die einige Meter entfernt herumtoben, hat sie nur einen kurzen Blick übrig. Viel lieber lässt Juna sich von Kita-Leiterin Claudia Sommer Tipps beim Auspendeln einer Wasserwaage mit Sand geben. Ob es denn im Kindergarten so ganz ohne die vielen anderen Spielkameraden aus ihrer Gruppe langweilig sei? „Manchmal schon“, sagt die Fünfjährige, „aber manchmal auch nicht.“ Ansteckungsgefahr: Nur bis zu drei Kinder in einem Raum: Dass Juna in der Kita kaum von Spielkameraden umgeben ist, hat in der Corona-Krise einen wichtigen Grund: „Um die Ansteckungsgefahren und soziale Kontakte zu minimieren, dürfen in einer Gruppe nur jeweils 10 bis 15 Prozent der gewöhnlichen Gesamtzahl an Kindern betreut werden“, erklärt Britta Häupl, Leiterin des städtischen Fachdienstes Kinder, Jugend und Familie. Für viele Kita-Gruppen bedeutet das: maximal drei Kinder in einem Raum. „Auf dem Freigelände dürfen sich aber mehr Kinder gleichzeitig aufhalten“, so Häupl. Angebot für Eltern in unverzichtbaren Berufsgruppen: Die studierte Sozialpädagogin ist an diesem Tag in die Einrichtung gekommen, um sich ein Bild von der Notbetreuung zu machen. Weil derzeit wegen möglicher Corona-Infektionen Schulen und Kindergärten geschlossen sind, bieten die Kommunen die Notgruppen für sogenannte Härtefälle an. Das sind Familien, in denen Eltern ihre Kinder zu Hause nicht betreuen können, weil beide Elternteile in derzeit unverzichtbaren Berufsgruppen arbeiten – wie etwa im Gesundheits- und Pflegewesen, als Rettungskräfte oder Polizisten, im Justizvollzug oder in der Lebensmittel- und Energieversorgung sowie in wichtigen staatlichen Funktionen. Vergangene Woche gab es mit einer Ausnahme, in Northen, in allen städtischen Kindertagesstätten Notgruppen. Insgesamt wurden dort aber nur nun Jungen und Mädchen betreut. Bei dem vom freien Träger Klax GmbH geführten Kindergarten Am Wald waren an einzelnen Tagen bis zu zehn Krippen- und Kindergartenkindern im Haus. Viele Eltern dort arbeiten im benachbarten Robert-Koch-Krankenhaus. Die kirchlichen Kita der Margarethengemeinde kam in der ersten Woche der Schließzeit noch ohne Notgruppe aus. Bedarf für Betreuung in Notgruppe steigt: Dass anfangs verhältnismäßig wenig Eltern das Angebot nutzen, kann Häupl erklären: Eltern müssen erst alle alternativen Betreuungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, bevor ihre Kinder aufgenommen werden. Der Hintergrund: Die Jungen und Mädchen sollen einerseits in ihrer gewohnten Umgebung beim vertrauten Personal bleiben, also in keine andere Einrichtung geschickt werden. Anderseits sind die Gruppen deutlich kleiner: In der Kita Am Castrum etwa seien im Rahmen der Notbetreuung wegen der Corona-Anordnungen nur maximal zwölf Kinder zulässig. „Deswegen schauen wir ganz genau hin, ob es für die Eltern wirklich keine andere Lösung gibt“, sagt Häupl. Doch der Bedarf steigt. Tatsächlich sind für die laufende Woche allein für die städtischen Kitas 21 Anmeldungen eingegangen, mehr als doppelt so viele als vergangene Woche. Auch in Northen gibt es nun ab Dienstag eine Notbetreuung – für bis zu fünf Kinder, so Häupl. Die kirchliche Kita der Margarethengemeinde betreut ab dieser Woche ebenfalls ein Kind. Für die Kita Am Castrum lagen am Montagvormittag bereits acht Anmeldungen für die Woche vor. Minigruppen machen individuellere Förderung möglich: Am Tag von Häupls Besuch in der Kita Am Castrum sind mehr Erzieherinnen als Kinder in der Einrichtung. Zwar sei es den Mitarbeitern derzeit gestattet, Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubummeln, sagt Häupl. Außerdem habe die Stadt wegen der Corona-Krise für die Kita-Mitarbeiter Gleitzeit eingeführt. „Aber das Personal muss arbeiten. Es gibt genug zu tun“, sagt die Fachdienstleiterin. Kita-Leiterin Sommer beschreibt die große Herausforderung der Notbetreuung: „Es kann für ein Kind langweilig werden ohne den besten Kumpel, aber viele genießen es auch, die ungeteilte Zuwendung und Aufmerksamkeit ihrer Erzieherin zu haben.“ Außerdem biete die Betreuung einer Minigruppe gegenüber Großgruppen viele Chancen. „Man kann auf jedes Kind individueller eingehen, gezielt helfen und fördern – beim Basteln und Malen, bei Gesellschaftsspielen und beim Herumexperimentieren“, sagt die Kita-Leiterin. Personal muss Gruppenbildung verhindern: In diesen Tagen ist in der Kita eine Sache besonders angesagt: „Bei gutem Wetter geht es raus“, sagt Sommer. Sie ist froh, dass derzeit noch nicht alle Plätze belegt sind. „Dann können sich die Kinder bei offenen Türen frei auf dem Flur bewegen – wie sonst auch“, sagt die Kita-Leiterin. Bei voller Auslastung der Notgruppen müsse das Personal darauf achten, dass nie zu viele Kinder gleichzeitig im Flur herumlaufen. „Es ist aber einem Kind schwer zu vermitteln, dass es erst mal nur im Gruppenraum bleiben darf“, sagt Sommer. Der dreijährige Mats ist in diesem Moment aber lieber genau dort als auf dem Kita-Spielplatz. „Ich bastele gern“, sagt er und wirft ein Papierflugzeug durch den Raum. Für ihn gilt aber auch ohne Aufenthalt im Freien: immer wieder die Hände waschen. Erzieherin Jennifer Objartel genießt es, dass derzeit etwas weniger Trubel in der Kita herrscht. Es komme aber der Punkt, an dem die tägliche Gruppenarbeit in einem vollen Haus fehle, sagt sie. Außerdem sei es auch nicht so, dass die Mitarbeiter wegen der kleineren Gruppen nur ihre Zeit absäßen. „Die Kinder haben viele Ansprüche“, sagt die Erzieherin. Zudem sei auch neben der Betreuung viel zu tun, sagt Objartel und wendet sich ihrer Arbeit am Schreibtisch zu. Lesen Sie auch: Kita-Schließungen: Betreuung ist ab Montag in kleinen Notgruppen möglich Notgruppen in Schulen und Kitas sind so gut wie leer Coronavirus: Schulen und Kitas richten Notgruppen ein Von Ingo Rodriguez

Gehrden - Kita-Notgruppen: Kinder genießen ungeteilte Zuwendung