Gewerbetreibende im Osten Gehrdens kritisieren Regiobus und Bürgermeister

Die Fronten bleiben verhärtet. Die Gewerbetreibenden aus dem Gehrdener Osten haben ihre Kritik an Regiobus und der Stadt Gehrden wiederholt. „Wir fühlen uns hintergangen“, sagen sie. Anlass ihrer Kritik: Regiobus plant seinen neuen Betriebshof auf einer Fläche von sieben Hektar, ursprünglich war von 3,5 Hektar die Rede. Die Folge für die heimischen Betriebe: Es bleibt für sie kein Platz, um selbst zu erweitern. „Und das wollen wir nach wie vor, und wir wollen weiterhin die ursprünglich geforderte Fläche von 35.000 Quadratmetern“, betont Carsten Theobald. Alle anderen Behauptungen seien falsch. Auch, dass sich Regiobus mit zwei Firmen geeinigt hätte und alle anderen Betriebe verzichten wollten. „Es geht um Flächen für alle Gewerbetreibenden“, betont Theobald – und das seien nicht nur Firmen, die direkt an die neuen Gewerbeflächen angrenzen; auch andere Betriebe aus dem Gewerbegebiet seien auf der Suche. Interesse besteht seit Jahren: Seit Jahren hätten die ortsansässigen Firmen ein großes Interesse an Gewerbeflächen. Das habe man der Stadt auch immer wieder mitgeteilt. „Doch nun nimmt man uns die Möglichkeit“, sagt Theobald. Zwar seien seitens der Stadt nie Versprechen gemacht und schriftlich sei nichts fixiert worden, aber es seien Erwartungen und Hoffnungen geweckt worden. Durch die Ansiedlung von Regiobus in Gehrden-Ost werde es auf absehbare Zeit keine Gewerbeflächen mehr im Stadtgebiet geben. Mitte Juni seien die Gewerbetreibenden darüber informiert worden, dass die gesamte Fläche von 7,2 Hektar von Regiobus gekauft worden sei, berichtet Theobald. Die von den Firmen gewünschten Flächen könnten nicht zur Verfügung gestellt werden. „Nun sind wir zu Bittstellern geworden“, sagt er. Doch das wollen sich die Betroffenen nicht gefallen lassen. Sie sind auf die Fraktionen zugegangen, und inzwischen wird ihr Anliegen von CDU, Grünen und AfD unterstützt. Die drei Parteien haben durch ihr Veto die Bauleitplanung vorerst gestoppt und wollen den Bau eines Regiobus-Betriebshofes, den sie als Megaprojekt bezeichnen, verhindern. Verärgert über den Bürgermeister: Bauunternehmer Gregor Pranschke geht sogar noch weiter. Er mutmaßt, dass die Interessen der heimischen Gewerbetreibenden nur genutzt worden seien, um die neuen Flächen zu erschließen. Was Theobald auch ärgert: Bürgermeister Cord Mittendorf verweise immer auf die Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten, die Regiobus künftig in Gehrden anbieten werde. „Auch wir schaffen Jobs und bilden aus“, betont er. Und überhaupt: Aus seiner Sicht bringe Regiobus keine neuen Arbeitsplätze, sie verlagere sie nur. Auch Mittendorfs Argumente, dass Regiobus durch Konzessionsabgaben, durch Anteile an der Einkommensteuer durch den Zuzug von Mitarbeitern und durch die Grundsteuer einen erheblichen Betrag für die städtischen Finanzen leiste, überzeugt die Gehrdener Firmeninhaber nicht. „Wenn wir uns erweitern können, hat dies ein erhöhtes Steuereinkommen für Gehrden zur Folge“, sagt Theobald mit Blick auf die Gewerbesteuer. Regiobus zahle diese nicht. Verkehrskonzept fehlt: Unabhängig davon: Theobald ist überzeugt davon, dass durch die Ansiedlung des Regiobus-Betriebshofes die Verkehrssituation in dem Bereich kollabieren werde. „Sie ist jetzt schon schlecht“, sagt er. Es fehle ein Verkehrskonzept. Die vorhandene Infrastruktur sei für das erhöhte Verkehrsaufkommen der Busse nicht ausgelegt. Christian Weber, Geschäftsführer von Kommunaltechnik Pierau, macht deutlich: „Niemand von uns hat etwas gegen Regiobus, wir haben etwas gegen die geplante Größe des Betriebshofes.“ Und es sei kein guter Stil, dass die Gewerbetreibenden vor Ort vor vollendete Tatsachen gestellt worden seien. „Daraus resultiert letztlich die gesamte verfahrene Situation“, sagt Weber. Er überlege ernsthaft, mit seinem Unternehmen Gehrden zu verlassen. Die Stadt hat bereits signalisiert, dass es ohne den Bau des Betriebshofes auch keine Erweiterung des Gewerbegebietes Gehrden-Ost geben werde. Das sei nicht wirtschaftlich, heißt es aus dem Rathaus. Nach Informationen dieser Zeitung will Regiobus auf sechs Hektar sein neues Busdomizil bauen; die restliche Fläche soll Gewerbetreibenden zur Verfügung gestellt werden. Etwa 160 Busse sollen in Gehrden stationiert werden; 250 Mitarbeiter kommen mit. Regiobus plant in den nächsten Jahren am neuen Standort den Ausbau der umweltverträglichen Mobilität. Die Inbetriebnahme ist für 2025 anvisiert. Ratsinformation in der Festhalle: Die Stadt lädt nun für Dienstag, 22. September, zu einer Ratsinformation in die Festhalle Am Castrum ein. Dort werden ab 19 Uhr Vertreter der Regiobus die Pläne erstmals öffentlich vorstellen. Es ist ein Versuch, die Gegner umzustimmen. Zu den Gästen gehören auch Regionspräsident Hauke Jagau und Verkehrsdezernent Ulf-Birger Franz. Während CDU und Grüne deutlich signalisiert haben, dass sie den Bau des Regiobus-Betriebshofes in Gehrden ablehnen werden, haben sich nun auch die anderen Parteien zu Wort gemeldet. Auch die AfD will das Projekt blockieren. Axel Brunner bemängelt, dass hinter verschlossenen Türen die Fläche, die Regiobus beanspruche, von 35.000 auf 70.000 Quadratmeter verdoppelt worden sei. Die Gehrdener Unternehmer seien zu Bittstellern geworden und müssten sich der Regiobus anbiedern, um überhaupt noch irgendwelche adäquaten Gewerbeflächen zu erhalten. „Wir brauchen Gewerbetreibende, die auch Gewerbesteuer zahlen – wir brauchen eine ausgewogene Firmen-Landschaft und keine Mono-Industrie“, sagt Brunner. Derweil setzt sich die SPD für das Vorhaben ein. Andere Regionsgemeinden würden Gehrden um diese Standortwahl beneiden, heißt es in einer Pressemitteilung. Aus Sicht der Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Sylvie Müller werde die Regiobus-Ansiedlung dem Wahlkampf geopfert. „Offensichtlich erleben wir im September 2020 den Beginn des Wahlkampfes für die Kommunalwahlen 2021 und die Bürgermeisterwahl 2022“, sagt sie. Gönne man dem Bürgermeister nicht den Erfolg, dieses Leuchtturm-Projekt nach Gehrden geholt zu haben? „Das wären allerdings niedere Beweggründe“, sagt Müller. Darüber hinaus kritisiert Müller die Grünen. Sie würden für eine Verkehrswende plädieren und gleichzeitig ein Projekt verhindern, das auf Ökologie und Nachhaltigkeit setze. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Henning Harter gibt es keine nachvollziehbaren Argumente, die gegen den Bau des Betriebshofes am Gehrdener Stadtrand sprechen. Er hofft, dass der Vorschlag eines Runden Tisches durch Hilmar Rump (FDP) zustande komme und zu befriedigenden Ergebnissen führe, damit eine Ansiedlung von allen Gruppierungen konstruktiv unterstützt werden könne. Auch Dirk Tegtmeyer (Die Linke) sperrt sich nicht grundsätzlich gegen den Betriebshof. Seine Voraussetzung für eine Zustimmung: Sofern von der Region Hannover konkrete Schritte für eine bessere Anbindung von Gehrden an den öffentlichen Nahverkehr unternommen würden und der Bedarf der anliegenden Gewerbebetriebe an Erweiterungsflächen berücksichtigt werde. Von Dirk Wirausky