Gehrdener Kirchen bleiben von Austrittswelle verschont

Die Gläubigen in Gehrden bleiben ihren Kirchen treu. Zumindest hat die bundesweite Welle von Kirchenaustritten die evangelische Margarethengemeinde und die katholische Bonifatiusgemeinde vorerst weitgehend verschont. Das berichten Pastor Wichard von Heyden und der katholische Pfarrer Christoph Paschek fast gleichlautend. Demnach ist die Anzahl der Kirchenaustritte in beiden Gemeinden nur leicht angestiegen. Beide Gemeindevertreter sehen in den Zahlen auf Gehrdener Ebene keine dramatische Entwicklung. Diese Tendenz entspricht keineswegs dem Trend. Die Zahl der Menschen, die der hannoverschen Kirche im vergangenen Jahr den Rücken kehrten, lag bei 16,6 Prozent. In ganz Deutschland erklärten sogar 22 Prozent der Kirchenmitglieder ihren Austritt. Allein die hannoverschen Landeskirche, die mit 2,48 Millionen Mitgliedern die größte evangelische Kirche in Deutschland ist, verlor im vergangenen Jahr 30.413 Mitglieder. In Gehrden zählt die Maragarethengemeinde mit ihren Kapellengemeinden derzeit immer noch rund 4200 Mitglieder. Von 2018 auf 2019 hat die Zahl der Kirchenaustritte laut Pastor von Heyden leicht zugenommen – von 60 auf 78. Leicht gesunken ist in dieser Zeit die Zahl der Taufen von 44 auf 36. Die dennoch weiterhin hohe Taufzahl sei auch eine Folge der in den Neubaugebieten hinzugezogenen Familien, sagt von Heyden. Immer noch viele Besucher bei den Gottesdiensten: Der Pastor kann auch in den Gottesdiensten in Gehrden keine dramatische Entwicklung feststellen. „Sicherlich sind es sonntags im Durchschnitt etwa zehn bis 15 Besucher weniger als noch vor fünf bis sechs Jahren, aber vor dem Beginn der Corona-Krise sind regelmäßig etwa 70 Gläubige zu den Sonntagsgottesdiensten gekommen“, berichtet von Heyden. Ohnehin sage diese Zahl wenig über Kirchenaustritte aus. „Diejenigen, die zu den Gottesdiensten kommen, sind kaum die Menschen, die der Kirche den Rücken kehren“, erklärt der Pastor. Er verweist auch auf das große Interesse an dem in der Corona-Krise angebotenen Online-Streaming des Ostersonntag-Gottesdienstes. „Es haben gleichzeitig rund 500 Internetnutzer zugeschaut, die auch bestimmt nicht alleine vor dem Bildschirm saßen“, sagt von Heyden Weitergabe der Religion an eigene Kinder nimmt ab: Einen Rückgang des Bedürfnisses nach Spiritualität sieht der Pastor trotz der bundesweiten Austrittswelle nicht. Ebenso sieht er keinen Bedeutungsverlust der Kirche wegen einer zunehmend wissenschaftlich dominierten Welt. „Die Wirklichkeit besteht auch aus emotionalem Erleben“, betont der Pastor. Dass sich viele Menschen eher der Esoterik zuwenden als dem christlichen Glauben, hält er für eine Folge abnehmender Tradierung. „Viele Christen leben ihre Religion nicht mehr und geben sie auch nicht an ihre Kinder weiter“, meint von Heyden. Sexuelle Missbrauchsfälle in den Reihen der Kirche hält er nicht für den Grund einer Austrittswelle. „Sexueller Missbrauch ist ein Verrat an den innersten Maßstäben der Religion“, sagt von Heyden. Wenn derartiges Fehlverhalten nicht konsequent aufgeklärt und geahndet werde, könne das Entfremdung und Enttäuschung bei den Mitgliedern hervorrufen. „Zu Austritten führt das aber eher bei denen, die Kirche ohnehin kaum noch etwas zu sagen hat und die eine Mitgliedschaft als finanzielle Belastung empfinden“, glaubt der Pastor. Katholiken verzeichnen nur acht Austritte mehr als 2018: Auch Pfarrer Christoph Paschek von der katholischen St.-Bonifatiuskirche berichtet von stabilen Zahlen innerhalb der Pfarrgemeinde. Mit den dazugehörigen Gemeinden St. Barbara in Barsinghausen und St. Hubertus in Wennigsen gehören rund 7200 Katholiken dazu. In diesem gesamten Gebiet seien 2018 insgesamt 96 Mitglieder aus der katholischen Kirche ausgetreten. 2019 waren es nur acht mehr – 26 davon in Gehrden. Katholisch getauft wurden im vergangenen Jahr innerhalb der Pfarrgemeinde 41 Menschen, zwei Erwachsene traten in die Kirche ein, 19 Jugendliche wurden gefirmt. Paschek berichtet auch von stabilen Besucherzahlen in den Gottesdiensten. Sonntags kamen demnach vor der Corona-Krise durchschnittlich 120 Gläubige in das Gehrdener Gotteshaus. „In Barsinghausen waren es sogar im Durchschnitt 130 und in Wennigsen 70 Gläubige im Gottesdienst“, berichtet er. Zölibat kann Grund für Abkehr sein: Als mögliche Gründe für Kirchenaustritte nennt er finanzielle Entscheidungen wegen der Kirchensteuer und zunehmende religiöse Neutralität – sexuelle Missbrauchsfälle dagegen eher nicht. Der Glaube habe ja nichts mit dem Fehlverhalten einzelner Kirchenvertreter zu tun. Der Pfarrer räumt aber ein, dass das Festhalten der Kirche an traditionellen Modellen zur Abkehr führen könne. „Das Zölibat, keine Frauen in Weihämtern und keine Hochzeit für Schwule sind einige dieser Themen“, glaubt Paschek. Im katholischen Bistum Hildesheim sind die Austrittszahlen von 7018 Austritten im Jahr 2018 auf 8048 im vergangenen Jahr gestiegen. Derzeit zählt das norddeutsche Bistum 581.460 Mitglieder. Lesen Sie auch Niedersachsen: Evangelische Landeskirche verliert Zehntausende Mitglieder Kirche in Hannover: Zahl der Kirchenaustritte immer höher - Stadtsuperintendent Höflich plädiert für Gottesdienste am Nachmittag Von Ingo Rodriguez