Gehrden: Eine Stunde mit Hundetrainerin Gilda Mittag

Es ist offenbar auch eine Frage der Geduld: Die 49-jährige Hundetrainerin Gilda Mittag lässt sich von der anderthalbjährigen Hündin Rika nicht erweichen. Bei jedem Versuch der Briard-Dame, die Position an Mittags rechter Seite zu verlassen, bleibt die Trainerin abrupt stehen. Sooft Rika auch versucht, die Trainerin nach vorn weg zu umkurven und sich vor die 49-Jährige zu stellen, richtet sich Mittag neu aus – bis die Hündin es verstanden hat: Sie soll an Frauchens rechter Seite bleiben. Dann ist es endlich so weit: Rika bekommt – und zwar erst in der richtigen Position – ein herzhaftes Leckerli. „Auch bei der Leinenführung muss ein Hund die Belohnung immer exakt an der gleichen Stelle bekommen“, begründet die Trainerin ihre Hartnäckigkeit. Wegen Corona-Pandemie keine Kurse möglich: Trotz der gelungenen Vorführung ist für Mittag die Übungseinheit anders als sonst: Wegen des Corona-Lockdowns darf sie zurzeit keine Kurse anbieten. Um ihr pädagogisches Konzept zu erläutern, hat die Gehrdenerin ihren eigenen Hund mit zur Hundeschule genommen. Seit 2014 bietet Mittag auf einem rund 6500 Quadratmeter großen Gelände an der Bundesstraße 65 in Benthe Trainingskurse für Welpen und Junghunde sowie Training im Bereich des Hundesports an. Bei Mittag und ihren drei Mitarbeitern legen auch regelmäßig Tierhalter Prüfungen für den Hundeführerschein ab. Wegen der Pandemie legt die Hundeschule aber zurzeit eine Zwangspause ein. „Hoffentlich geht es Mitte März weiter. Wir haben eine lange Warteliste, weil sich etliche Menschen wegen der Kontaktbeschränkungen einen neuen Hund angeschafft haben“, sagt Mittag. Beruflicher Neubeginn aus Tierliebe: Wie wichtig die Auswahl der Hundeschule ist, weiß sie aus eigener Erfahrung. Zunächst habe sie als Kind nur die Nachbarshunde Gassi geführt. Nach der Geburt ihrer Kinder schaffte sich die Tierliebhaberin erst 1999 einen eigenen Vierbeiner an. „Es war aber eine fast endlose Suche, bis ich über eine Züchterin in Osnabrück auf eine gewaltfreie Erziehungsform gestoßen bin“, erzählt Mittag. Für die damals 28-Jährige war es eine Initialzündung. Sie konnte es nicht hinnehmen, dass in vielen Hundeschulen noch mit harten Strafen gearbeitet wurde. „Deshalb habe ich meinen Job in der Versicherungsbranche gekündigt, um einen Neuanfang zu wagen“, sagt Mittag. Der Plan war riskant: Mittag investierte eine fünfstellige Geldsumme, um sich beim Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV) innerhalb eines Jahres mit mehreren Seminaren zur zertifizierten Hundetrainerin ausbilden zu lassen. „Damals war es kein anerkannter Beruf, aber inzwischen ist das Zertifikat von vielen Industrie- und Handelskammern anerkannt“, berichtet Mittag. Dann blickt sie auf ihre Hündin und bricht das Gespräch plötzlich ab. Ein paar schnelle Schritte nur, schon zieht sie an einem Unterstand eine Tüte aus einem Beutelspender. Rika hat, fast unbemerkt, ein großes Geschäft erledigt. Die Fellnase hechelt – unbeteiligt, aber erleichtert. „Das Entfernen von Hinterlassenschaften gehört immer dazu“, betont Mittag und schreitet zur Tat. Lesen Sie mehr: Lieber gutes Verhalten belohnen als bestrafen: Tatkräftig war auch ihr Start als Hundetrainerin. „Als ich vor mehr als 20 Jahren mit meiner Hundeschule auf einem Gelände in Wettbergen begann, war mein Konzept der gewaltfreien Erziehung in der Umgebung fast einzigartig“, sagt Mittag. Nachdem sie 1999 ihre erste Anzeige geschaltet habe, seien in kürzester Zeit mehrere Welpenkurse ausgebucht gewesen. Bis heute lautet ihr Credo: „Nicht schlechtes Verhalten bestrafen, sondern gutes belohnen.“ Dabei müsse aber das Bedürfnis jedes einzelnen Hundes berücksichtigt werden. „Manche stehen als Belohnung auf Futter, andere wollen lieber mit Artgenossen spielen oder Spielzeug zurückbringen“, sagt Mittag. Bei ihrem Start sei sie in der Szene belächelt worden. Auch, weil sie schon Welpen ab einem Alter von acht oder neun Wochen unterrichtet. „Damals wurden Hunde erst ab einem Jahr trainiert, aber gerade in der frühen Phase lernen Welpen schnell“, sagt Mittag. Sie betont aber: In ihren Kursen lernen die Hunde und ihre Besitzer nur die Grundlagen. „Leinenführigkeit, Sitz, Platz, Stubenreinheit, Rückruf. Das Erlernte müssen Mensch und Tier im Alltag umsetzen.“ Lesen Sie auch Tierheilpraktikerin Sabine Rechenberg hilft Katzen und Hunden Mittag hofft, bald wieder arbeiten zu können. „Wenn mir nicht viele Abonnenten aus dem Bereich Hundesport die Treue halten würden, wäre es existenzbedrohend“, sagt die Trainerin. Dann blickt sie nachdenklich auf den verwaisten Trainingsparcours. Was dort alles angeboten wird, ist auf der Internetseite www.die-welpenschule.de zu finden. Von Ingo Rodriguez