Gehrden: Bücher können in der Stadtbibliothek nur übers Fenster ausgeliehen werden

Stille herrscht in der Bücherei Gehrden. In den Regalen warten zahlreiche Geschichten darauf, Leser in fremde Welten zu entführen und Sachbücher, die Horizonte zu erweitern. Doch bis es wieder so weit ist, wird noch Zeit vergehen. Aufgrund der aktuellen Corona-Verordnung ist die Gehrdener Stadtbibliothek geschlossen, es wurde aber ein kontaktloser Abholservice eingerichtet. „Dieser Service könnte allerdings besser laufen. Nicht alle bei uns registrierten Leser haben einen Internetzugang“, sagt Lucyna Woznica. Sie leitet seit 28 Jahren die Gehrdener Stadtbibliothek. Unabhängig davon: Ihr würden die Menschen fehlen. „Eine Bücherei lebt vom Publikumsverkehr“, sagt Woznica. Solch eine Entwicklung hat sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Nachdem sie die Zahlen für 2019 mit 1200 Lesern ausgewertet hatte, ist sie motiviert in dieses Jahr gestartet. Alles in allem konnte die Bücherei voller Zuversicht nach 2020 blicken. Diese Vorfreude ist verpufft. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown von Mitte März bis Mitte April hat Folgen. „Es sind etwa 200 Leser wegen der fünfwöchigen Schließung weggefallen“, sagt Lucyna Woznica. Und auch die danach beschränkte Öffnung mit der kontaktlosen Ausleihe bis 25. Mai durch das Fenster habe Tribut gekostet. Grundschulklassen kommen nicht: Vor allem die Jungen und Mädchen aus den beiden Grundschulen fehlen. Manchmal sind pro Tag drei Klassen gekommen. „Und auch die Kindergartenkinder können jetzt nicht kommen“, fügt sie hinzu. Die Bücherei hat sich in den vergangenen Jahren die Leseförderung von Kindern und Jugendlichen auf die Fahnen geschrieben und deswegen verstärkt den Kontakt zu Schulen und Kindergärten gesucht. „Wegen des fehlenden persönlichen Kontaktes stelle ich nun Themenkisten für die Einrichtungen zusammen. Wenn Lehrer mir sagen, dass sie Material für ein bestimmtes Thema benötigen, stelle ich dafür eine Kiste zusammen“, sagt Woznica. Langeweile kommt bei ihr trotz Schließung nicht auf. „Ich mache Telefondienst, foliere Bücher, arbeite sie ins System ein, packe DVDs und CDs in platzsparende Hüllen, mache Verwaltungsarbeiten – kurzum all die Dinge, die man sonst immer aufschiebt, weil keine Zeit ist“, erzählt sie. Außerdem gucke sie den Bestand nach Ladenhütern durch. Bücher, die mehrere Jahre nicht mehr entliehen wurden, wandern in den Keller. Gerade erst hat sie die Bücher rund um Weihnachten hervorgeholt und sortiert sie in die Regale. Sie sei froh, dass wenigstens die kontaktlose Ausleihe möglich ist. „Es war erst nicht klar, ob ich das machen kann. Gott sei Dank hat es dann doch noch geklappt“, erzählt sie. Gerade für Kinder sei das wichtig. „Sie können gar nicht verstehen, warum sie derzeit nicht zu mir in die Bücherei kommen dürfen“, sagt sie. So habe erst vor kurzem ein etwa dreijähriger Junge bitterlich geweint, weil er nicht zu ihr in die Bibliothek kommen durfte. Sie selbst kann auch nicht verstehen, warum es unterschiedliche Verordnungen in den 16 Bundesländern gebe. In Niedersachsen und in Sachsen dürfen nur wissenschaftliche Bibliotheken wie die Hochschul- und Landesbibliotheken geöffnet bleiben. Öffentliche Bibliotheken und Büchereien sind unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft für den Publikumsverkehr geschlossen. Nur eine kontaktlose Ausleihe ist noch möglich. Lesen Sie auch: Ausleihe übers Fenster: Stadtbibliothek Gehrden öffnet wieder Ab Januar verringern sich Öffnungszeiten der Stadtbibliothek Gehrden Von Heidi Rabenhorst