Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan gibt dem Bundestag immer mehr Rätsel auf. Offensichtlich verfolgen die deutschen Soldaten bei ihrem gefährlichen Einsatz in der Region Kundus eine andere Strategie als bisher in Berlin bekannt.
Aus dem geheimen Isaf-Bericht zur Untersuchung des Bombardements in Kundus geht offenbar hervor, dass der Bombenangriff in der Nacht zum 4. September nicht in erster Linie zwei Tanklastzügen gegolten hatte, sondern den dort versammelten Taliban und deren Anführern.
In dem Bericht des Isaf-Kommandeurs Stanley McChrystal, der am Freitag in Washington bekannt wurde, soll sich der befehlshabende Oberst Georg Klein ausdrücklich dazu bekannt haben, „die gegnerischen Kräfte zu vernichten“. Der Tod von 60 bis 80 Taliban sei das erklärte Ziel der Militäraktion gewesen. Dass bei dem Angriff auch 30 bis 40 Zivilisten umkamen, sei nicht zu erwarten gewesen. Allerdings soll es sich – so der Isaf-Bericht – bei diesen Personen zumeist um Angehörige der Guerillakämpfer gehandelt haben. In den Militärunterlagen, die am Freitag offenbar gezielt an die Öffentlichkeit gegeben wurden, ist die Rede davon, dass der deutsche Kommandeur bei dem Angriff gegen die geltenden Isaf-Regeln verstieß.
In Berlin sorgen die neuesten Erkenntnisse über den Bundeswehrangriff für Empörung. „Personen durch Bombenangriffe auszuschalten, ist nie deutsche Politik gewesen. Das haben wir bei den Amerikanern immer kritisiert“, sagte Hans-Peter Bartels, SPD-Verteidigungsexperte, dieser Zeitung. „Wir müssen jetzt wissen, ob es dadurch, dass das Kommando Spezialkräfte involviert war, auch um anderes ging, als die beiden Tanklastwagen aus dem Verkehr zu ziehen. Möglicherweise waren auch Taliban-Führer im Visier“, so Bartels.
Angesichts der erst kürzlich bekannt gewordenen Beteiligung des Kommandos Spezialkräfte an den Luftangriffen bei Kundus forderte die Linksfraktion eine Auflösung der KSK. Eine militärische Einheit, die so geheim agiere, dass nicht einmal die Parlamentarier über ihre Aktionen informiert werden, „darf es in einer Demokratie nicht geben“, erklärte die Abgeordnete Inge Höger.
von Stefan Koch