Die Parteien hätten „in allen zentralen politischen Bereichen“ nur wenig gemeinsam, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast am Sonntag am Rande eines kleinen Parteitags in Berlin. Die Delegierten stimmten einem Sofortprogramm für den Fall einer Regierungsbeteiligung zu.
In einer Jamaika-Koalition stünden die Grünen einer Übermacht von drei „neoliberalen Parteien“ gegenüber, deren Politik bedeute: „dreimal Steuersenkung, dreimal nicht ökologisch, dreimal nicht sozial“, sagte Künast. Ziel der Grünen sei daher eine gemeinsame Regierung mit der SPD „mit einem starken grün-roten Kern“. Parteichefin Claudia Roth fügte in einer Rede vor den Delegierten hinzu: „Jamaika bleibt in der Karibik“. Regieren sei für die Grünen kein Selbstzweck.
Die Chancen der Grünen auf eine Regierungbeteiligung nach der Bundestagswahl am 27. September stehen schlecht - die FDP erteilte auf ihrem Parteitag in Potsdam einer Ampel-Koalition mit Grünen und SPD eine definitive Absage. Ein rot-rot-grünes Bündnis mit Linkspartei und SPD lehnen die beiden Parteien ab.
Die Grünen bekräftigten ihr Ziel, bei der Wahl drittstärkste Kraft zu werden und eine schwarz-gelbe Regierung aus Union und FDP zu verhindern. Gegenüber der Europawahl wollten die Grünen eine Million Stimmen hinzugewinnen, sagte der zweite Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Bei der Wahl im Juni hatten die Grünen mit 12,1 Prozent der Stimmen ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl erzielt. Bei der letzten Bundestagswahl 2005 waren die Grünen mit 8,1 Prozent der Stimmen auf dem fünften Platz gelandet.
Roth sprach sich zudem für ein Ende der großen Koalition aus und forderte unentschlossene rot-grüne Wechselwähler auf, ihre Stimme kommenden Sonntag nicht den Sozialdemokraten zu geben, sondern die Grünen zur drittstärksten Partei zu machen: „Das ist definitiv wichtiger, als der SPD zwei Pünktchen mehr für das schwarz-rote Elend zu schenken.“ Die große Koalition habe wenig geschafft und sei nicht das kleinere Übel als Schwarz-Gelb, sagte die Parteichefin.
Die Delegierten beschlossen ein Sofortprogramm, das die Partei im Fall einer Regierungsbeteiligung in den ersten Wochen nach der Wahl umsetzen will. Die 18 Punkte des Programms enthalten unter anderem einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro und einen Bildungssoli. Zudem bekräftigen die Grünen in dem Papier ihre Forderung nach einem Atomausstieg und sprechen sich dafür aus, verschärfte Sicherheitsregeln für Atomkraftwerke rechtskräftig umzusetzen.
Der zweite Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin forderte zudem eine bessere Regulierung der Finanzmärkte und die Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Managergehältern und Boni ab 500.000 Euro. Zudem müsse Deutschland wieder die Vorreiterrolle beim Klimaschutz übernehmen, sagte Trittin. In diesem Punkt sei das Land unter der großen Koalition zurückgefallen und zum „Bremser“ geworden.
Roth forderte, in der kommenden Legislaturperiode die Voraussetzungen für einen Abzug der Bundeswehr zu erarbeiten. Der Co-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte die Versprechen von Union und FDP, nach der Wahl die Steuern senken zu wollen. Dies sei angesichts der Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme gegen die Wirtschaftskrise eine „atemberaubende Verantwortungslosigkeit“.
afp