Neues Schuljahr in Hannover: Gibt es zu wenig Lehrer?

Nur noch drei Tage ist es hin, bis das neue Schuljahr in Niedersachsen beginnt. Eigentlich, so sollte man meinen, müssten die groben Kriterien inzwischen festliegen. Doch offensichtlich könnte der von Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) geplante „eingeschränkte Regelbetrieb“ und der damit verbundene Präsenzunterricht an der Unterrichtsversorgung scheitern. Denn aus Regierungskreisen ist zu hören, dass die Unterrichtsversorgung im Vergleich zum Vorjahr abnimmt. Konkret bedeutet das, dass weniger Lehrkräfte für den Unterricht zur Verfügung stehen. Damit sind Unterrichtsausfälle denkbar. „Schulstart mit vielen Fragezeichen“: Horst Auditz, Vorsitzender vom Philologenverband, ist in Alarmhaltung: „Der Schulstart ist dieses Jahr mit vielen Fragezeichen und Unsicherheiten versehen. Wir wissen nicht, wie viele Lehrer für den Präsenzunterricht zur Verfügung stehen. Die Unterrichtsversorgung hakt an allen Ecken und Enden.“ Er fordert deshalb, dass die Landesregierung Stellen nicht mehr nach Bewerbungslage ausschreibe, sondern nach tatsächlichem Bedarf. Das Problem der Unterrichtsversorgung wird sich in diesem Jahr aber nicht nur wegen des Lehrkräftemangels zuspitzen. Auch die Tatsache, dass nach Schätzungen der Landesregierung etwa zehn bis 15 Prozent der Lehrkräfte unter die Risikogruppe fallen, tun ihr Übriges. Trotz Risiko gehen viele Lehrer trotzdem arbeiten: Christian Hoffmann, Sprecher der Bildungsgewerkschaft GEW, zeigt sich überzeugt: „Das verschärft die Situation noch mal deutlich.“ In den vergangenen Jahren war es der Landesregierung nämlich nur an Gymnasien gelungen, eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Die anderen Schulformen waren teilweise deutlich unterversorgt. Christian Hoffmann sagt: „Die 100 Prozent sind dabei nur Schönrechnerei. Um wirklich sicherzustellen, dass die Schulen gut versorgt sind, braucht es eine Unterrichtsversorgung von 105 oder sogar 107 Prozent.“ Gleichzeitig warnte der GEW-Sprecher aber auch vor einer Panikmache. Die letzte Umfrage der Gewerkschaft habe ergeben, dass nur ein geringer Teil der Lehrkräfte, die zur Risikogruppe gehören, auch tatsächlich zu Hause bleibe. Viele seien engagiert und gingen trotzdem arbeiten. Lesen Sie auch: Laut GEW viele Sorgen bei Niedersachsens Lehrern Schulen haben noch keinen Überblick über Versorgung: Dennoch lässt sich der Schulbeginn drei Tage vor Unterrichtsstart nicht wirklich voraussagen. Mustafa Yalcimkaya, stellvertretender Schulleiter der IGS Garbsen, sagt im Gespräch der NP: „Wir warten im Augenblick noch darauf, wie sich die Lehrkräfte entscheiden und können derzeit noch nicht sagen, wie es tatsächlich um unsere Unterrichtsversorgung stehen wird.“ Das erschwere die Planungen ungemein. Auch an der Wilhelm-Raabe-Schule Hannover sind noch nicht alle Abmeldungen eingegangen. Dennoch ist der Leiter des Gymnasiums Martin Thunich überzeugt, dass man einigermaßen gut dastehe: „Wir sind ein recht junges Kollegium, deswegen fallen nicht sonderlich viele Lehrkräfte unter die Risikogruppe.“ Abschließend könne aber auch er bisher keine Zahl zur Unterrichtsversorgung nennen. Lesen Sie auch: Niedersachsens Grünen-Chefin geht von Schulschließungen aus Michael Bax, Schulleiter der Leonore-Goldschmidt-Schule (IGS Mühlenberg) in Hannover, beschäftigt das Thema ebenfalls. Zwar hätten sich bislang nur „eine Handvoll Lehrer“ mit Attest abgemeldet, die Zahl der Pädagogen im Home-Office könnte aber noch steigen: „Wir haben noch nicht von allen eine Rückmeldung“, so Bax. Doch auch wenn es nur bei wenigen Ausnahmen bleiben würde: „Die Unterrichtsversorgung, die bei uns nie bei hundert Prozent liegt, leidet natürlich mit jedem weiteren Ausfall.“ Er beklagt darüber hinaus: „Als integrierte Gesamtschule steht bei uns viel Förderunterricht im Fokus. Durch den eingeschränkten Regelbetrieb fällt der aber hinten runter, da bleibt viel auf der Strecke.“ Ein Sprecher des Kultusministeriums teilte auf NP-Nachfrage mit: „Der Pflichtunterricht muss an erster Stelle stehen.“ Dafür seien alle Weichen gestellt worden. „Es wird zudem ein umfangreiches Einstellungsverfahren durchgeführt, damit viele zusätzliche Lehrkräfte die engagierte Arbeit in den Kollegien unterstützen können.“ Stadt Osnabrück fordern Maskenpflicht im Unterricht: Doch die Unterrichtsversorgung ist nicht der einzige Punkt, der die Sorgen kurz vor dem Schulstart wachsen lässt. Auch die steigenden Infektionszahlen sind Thema. Immer mehr Menschen fragen sich, ob der „eingeschränkte Regelbetrieb“ tatsächlich der richtige Weg sei. Die Verwaltungschefs von Stadt und Landkreis Osnabrück halten es für unverantwortlich, den Unterricht in voller Klassenstärke und ohne Maskenpflicht stattfinden zu lassen. Sie appellieren deswegen an die Landesregierung, zumindest die ersten 14 Tage nach den Sommerferien eine Maskenpflicht im Unterricht einzuführen. Lesen Sie auch Kann die Schule in Niedersachsen wie geplant starten? Schulstart mit Corona: Landesregierung hat die Zeit nicht genutzt Grünen-Chefin Hamburg: "Es läuft alles auf Schulschließungen hinaus" Schulstart in Corona-Zeiten: Warum nicht Unterricht in einer Messehalle? Schulstart in Niedersachsen: So soll der Alltag in Corona-Zeiten aussehen Niedersachsen: Vorsitzende des Schulleitungsverbands: „Habe Respekt vor dem Schulstart“ Niedersachsen: Einige Schulen noch immer ohne WLAN Von Mandy Sarti und Jens Strube