Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann hat die baden-württembergische Justiz für die kurzfristige Entlassung eines Sex-Täters aus der Sicherungsverwahrung scharf kritisiert. „Baden-Württemberg hat die Mechanismen des frühzeitigen Warnsystems unter den Bundesländern nicht richtig verstanden und nicht richtig gehandelt“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in Hannover. „Das hat uns sehr nachdenklich gemacht.“
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte am 15. Juli die sofortige Entlassung des 1981 mehrfach verurteilten Mannes beschlossen. Es bezog sich in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus dem Dezember 2009. Demnach verstößt Deutschland mit der rückwirkenden Sicherungsverwahrung eines Gewaltverbrechers gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Daraufhin war der seit 1981 eingesperrte Mann zunächst in eine Betreuungseinrichtung nach Bad Pyrmont gezogen, kurz darauf jedoch auch wegen des öffentlichen Drucks nach Hamburg verlegt worden.
Busemann betonte, er kritisiere nicht die Gerichtsentscheidung. Er sei aber der Auffassung, dass ein Entlassungsautomatismus angesichts des Anspruchs der Bürger auf Sicherheit und Schutz nicht zu vertreten sei. Es könne auch nicht sein, dass jemand nach 30 Jahren Haft kurzfristig ohne Vorbereitungszeit und Auflagen freigelassen werde.
Ferner dürfe es nicht sein, dass Niedersachsen „erstmals am späten Nachmittag des 13. Juli 2010 durch einen Anruf und eine E-Mail des Justizministeriums Baden-Württemberg Kenntnis erlangt“, betonte Busemann. Das gehe nicht und „hat uns vor große Probleme gestellt“.
Grundsätzlich sei er noch immer besorgt, weil es in Deutschland seit dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte „keinen konkreten Fortschritt bei der Neugestaltung des Instruments der Sicherungsverwahrung haben“. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war in den vergangenen Wochen bereits mehrfach von Amtskollegen aus den Ländern für die schleppende Neuregelung kritisiert worden.
In Niedersachsen fallen derzeit zehn als gefährlich eingestufte Gewaltverbrecher unter die mögliche Freilassungsregelung der Straßburger Richter. Unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht hat Busemann die Staatsanwaltschaften im Land aufgefordert, bei entsprechenden Entscheidungen sofort Beschwerde einzulegen.
dpa