Besucheransturm im Harz: Experten warnen vor Gefahren – und nennen mögliche Ausweichziele

Die aktuellen Temperaturen in Hannover sind winterlich, für Schnee hat es aber noch nicht gereicht. Anders sieht es im Harz aus. Viele Gebiete des Mittelgebirges sind in weiß gehüllt und locken in der Ferienzeit zahlreiche Tagestouristen aus ganz Deutschland an. Konsequenz: Verkehrschaos im Oberharz, volle Straßen und Parkplätze. Weil kein Ende des Zustroms in Sicht ist, bat die Polizei Goslar bereits am Montag per Twitter auf Tagesausflüge zu verzichten. Auch der Tourismusverband Harz und der Nationalpark Harz bitten nun um Rücksicht – und kennen mögliche Ausweichziele. „Auch nach unserer Einschätzung ist es aktuell sehr voll im Harz, insbesondere in den Gebieten in denen Schnee liegt“, teilt Sprecherin des Harzer Tourismusverbands, Christin Wohlgemuth, mit. Weiß sei es vor allem in Höhenlagen über 600 Metern – und das lockt viele Ausflügler. Volle Straßen, überfüllte Wanderparkplätze und viele Wildparker würden das aktuelle Bild prägen. Selbst aus Potsdam, Berlin oder Bremen würden Touristen anreisen, hat die Sprecherin beobachtet: „Das ist für einen Tagesausflug schon ein ganz schöner Ritt.“ Harzer Tourismusverband sieht Besucherstrom zwiespältig: Zumal derzeit die Devise gilt, auf unnötige Reisen zu verzichten. Wohlgemuth sieht es daher zwiespältig: „Natürlich freuen wir uns vom Tourismusverband über den Zuspruch, dass die Leute bei uns Abwechslung suchen“, sagt sie, relativiert aber im nächsten Satz, dass alle Angebote aus der Branche geschlossen seien, niemand etwas vom Zulauf derzeit habe. „Wir wollen möglichst schnell zum normalen Tourismusbetrieb mit Wintersport und offener Gastronomie zurückkehren“, so die Sprecherin. Sie ordnet ein: „Ich bezweifle, dass Menschenansammlungen in dem aktuellen Ausmaß dafür zuträglich sind.“ Lesen Sie auch: „Sehen Sie von Ausflügen in den Harz ab“: Alle Parkplätze belegt – Polizei appelliert an Touristen Auch wenn sie die Sehnsucht nach Abwechslung bei den Menschen verstehen könne: „Bei etwa fünf Zentimeter Schneehöhe derzeit weiß ich nicht, ob ich mir die Reise antun würde. Gerade in der Zeit, in der wir alle dazu angehalten sind, so wenig wie möglich Ausflüge zu unternehmen.“ Zumal sich die Konsequenzen der Pandemie dadurch weiter verlängern könnten, was die eh bereits stark gebeutelte Branche weiter schwächen würde: „Die Menschen sollten sich im Moment genau überlegen, ob der Ausflug in den Harz wirklich nötig ist.“ Verkehrschaos im Oberharz – Polizei Goslar rät: „#StayAtHome“: Laut der Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) Niedersachsen würden speziell auf der B4 zwischen Bad Harzburg und Torfhaus und auf der L504 zwischen Altenau und Torfhaus täglich Staus verzeichnet. Auch am Dienstag gab es wieder Einschränkungen. Volle Parkplätze hatten erneut Rückstaus verursacht, teilte ein VMZ-Mitarbeiter auf NP-Nachfrage mit. Er rechne, dass sich die Lage erst nach Silvester entspannen könnte und appelliert: „Wegen der Verkehrslage raten wir derzeit von touristischen Ausflügen in den Harz ab.“ Weil sich zwischen den Jahren dennoch weiter viele Menschen auf den Weg in die besagten Gebiete machen, erneuerte auch die Polizei Goslar am Dienstag ihre Appelle auf Twitter, bat Autofahrer weiträumig auf andere Bereiche im Harz auszuweichen. Im Oberharz waren Parkplätze erneut ausgelastet, schon gegen 12:30 Uhr gab es auf der B4 vier Kilometer Stau in beiden Richtungen. Unterstrichen wurde der Tweet mit einem Hashtag, der einer indirekten Aufforderung gleich kam: „#StayAtHome“. Nationalpark-Sprecher warnt: „Nach Sturm ist kein Wald sicher“: Auch Friedhart Knolle, Sprecher des Nationalparks Harz, rät – wer nicht auf einen Ausflug verzichten will – auszuweichen: „Der Harz erstreckt sich über drei Bundesländer, auch an anderen Orten liegt Schnee.“ Nicht nur Corona sei eine Gefahr, auch die Verkehrssituation: „Durch die Staus können kaum Rettungsgassen gebildet werden.“ Sollte jemand einen Notfall erleiden, wäre ein rechtzeitiges Durchkommen für die Helfer kaum möglich, so der Sprecher: „Das gefährdet Menschenleben.“ Auch wegen des kürzlichen Sturmtiefs Hermine, das durch starke Böen im ganzen Harz Schäden verursachte, warnt Knolle: „Jeder sollte vorher abwägen, in den Wäldern wandern zu gehen.“ Auch wenn der Sturm abgeklungen sei, blockierte Wanderwege und Straßen großteils frei geräumt wurden, bestehe auch danach die Gefahr vor angeknacksten Ästen und Bäumen. „Die können auch noch Tage später herabstürzen“, sagt er und betont: „Nach Sturm ist kein Wald sicher.“ Experten geben persönliche Geheimtipps: Wer sich trotz aller Appelle und Warnungen auf den Weg in den Harz machen möchte, dem rät Knolle in weniger besuchte Gebiete wie nach Clausthal-Zellerfeld, ins Okertal oder in den Ost-Harz auszuweichen. Dem schließt sich auch die Sprecherin des Tourismusverbands an – und denkt dabei etwa an das Rodeln. Dort sei Braunlage derzeit sehr beliebt, es gebe aber noch weniger bekanntere Alternativen: „In der Gegend um Altenau, Hohegeiß bei Braunlage, Sankt Andreasberg und Hahnenklee sind die Chancen gut.“ Neben kleineren Rodel-Möglichkeiten für die jungen Besucher seien dort auch kleinere Schneewanderungen abseits von großen Menschenmassen möglich, so Wohlgemuth: „Die Ecken sind nicht so in den Köpfen der Leute.“ Lesen Sie auch Touristenandrang im Harz: Polizei rät von Ausflügen ab Verkehrs-Chaos im Harz: Erneut Stau nach großem Besucherandrang Utah/USA: Wanderer überlebt Sturz aus 30 Meter Höhe Klimaschäden im Deister: Fichte ist auf dem Rückzug - was kommt dann? Sammelstellen in Hannover: Hier werden Sie ihren Tannenbaum los Kleinster Käfer Europas lebt im Nationalpark Harz Langenhagen pflanzt Bäume für gefällte Fichten im Stadtwald Von Jens Strube