Kathleen Rahn im Interview über den Kunstverein Hannover

Ansonsten ein Hotspot in Sachen junger Kunst: Hannovers Kunstverein leidet unter dem Lockdown. Direktorin Kathleen Rahn über ihre Erfahrungen von ein Jahr Corona, was einen mürbe macht und was auch positiv war. Frau Rahn, Ende Januar tauchten ja die ersten Berichte einer unbekannten Seuche auf. Wann hatten Sie geahnt, dass alles doch schlimmer wird als befürchtet? Das was alles noch weit weg. Mitte Februar hatten wir unsere Ausstellung „Black Atlantic“ noch recht störungsfrei eröffnet – zwei Wochen später hatte ich bei einer Veranstaltung ein schlechtes Gefühl. Und diese Langfristigkeit hatten wir niemals vorausgeahnt. Gibt es eigentlich auch positive Erfahrungen? Wenn man so will. Wir haben unglaublich schnell gelernt, was die digitalen Formate betrifft. Kunstsurfkurse angeboten, digitale Führungen, Vorträge. Wir haben die Reichweite im Netz unglaublich erweitert. Das Feedback ist wunderbar. Aber das Vereinsleben leidet? Natürlich. Reisen, die wir mit unseren Mitgliedern gemacht hätten, sind ausgefallen – zur „Manifesta“ nach Marseilles beispielsweise. Wie waren die Reaktionen von Mitglieder und Künstlern auf die missliche Situation? Mindestens Verständnis. Manche haben aus der Not auch eine Tugend gemacht wie der Künstler Lukas Zerbst, der dann bei uns in die Ausstellungsräume eingezogen ist. Was war oder ist das Schlimmste im Rückblick? Das ist die Kurzfristigkeit, mit der wir umgehen müssen. Dieses Auf-Sicht-Fahren, das macht mürbe, man kann einfach nichts mehr planen. Und dass wir immer noch nicht die reale Erfahrung mit der Kunst vermitteln können, was ja unsere Aufgabe ist. Und man vermisst das Glas in der Hand, wenn mal wieder eine Ausstellung eröffnet wird? Unbedingt, Ich denke schon gar nicht mehr an Eröffnungen – das waren diese Punkte, auf die man hingearbeitet hat. Wir haben immerhin das große Glück mit dem Hof, in dem man draußen und Corona-geeignet eröffnen kann. Sobald es warm wird, machen wir da etwas. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es noch das ganze Jahr so weitergeht wie jetzt. Und im Moment? Wir haben seit Dezember hier eine Ausstellung stehen und wissen nicht, wann wir sie eröffnen können – die Malerei von Pieter Schoolwerth. Was sagen denn die Leihgeber dazu? Die warten irgendwann auch auf ihre Werke. Wie geht es den Künstlern? Die verdienen an einer Ausstellung ja nur sehr wenig bis gar nichts. Vielen geht es sehr schlecht, weil die ja auch so schon sehr prekär leben. Die Sammler vor allem in den USA sind vergleichsweise betagt, gehen kaum mehr in Galerien und kaufen insofern auch weniger. Und viele Galeristen müssen sehen, ob sie sich noch die Lager leisten können. Es gab ja keine Messen und keinen Umsatz. Haben Sie einen Tipp, wann wieder ein wenig Normalität einkehrt? Ostern wäre für mich so ein Limit, wo man wieder Ausstellungen eröffnen müsste. Das Perfide ist ja, dass wir Kunstinstitutionen in diesen Freizeitbereich hineingerechnet wurden, obwohl wir Anforderungen wie Belüftung, Abstand, alle Hygiene-Vorschriften gut regeln können. Wenn die Schulen wieder geöffnet werden, sollten wir auch dran sein. Ist eigentlich der Zusammenhalt mit den anderen Kunstinstitutionen nun stärker geworden? Eindeutig. Wir schmieden hinter den Kulissen Allianzen wie das „Staying Alive“ – und sprechen mit der Politik, damit unsere Situation besser sichtbar wird. Wie wird sich der Kunstverein verändern nach diesem Jahr? Er wird digitaler werden. Was haben Sie in diesem Jahr privat am meisten vermisst? Reisen, andere Dinge sehen, neuen Input bekommen. In einen Zug steigen, aussteigen und eine Ausstellung erleben. Einfach mal ein Konzert hören in einem Raum. Ich freue mich so sehr darauf, wenn das mal wieder geht. Von Henning Queren