Fette Hupe mit Daniel Nerlich im Gartentheater Herrenhausen

Das ist eine gute Idee – die Bläser verstecken sich hinter den dichten Hecken und den goldenen Statuen, spielen wie aus dem Nichts ihre Läufe und Soli. Unsichtbar, aber nicht unhörbar, währenddessen formiert sich die Bigband. Ihr musikalischer Leiter Jörn Marcussen-Wulff freut sich spürbar, dass er nach dem langen Covid-Interruptus für seine Bigband Fette Hupe wieder ein Programm schreiben konnte. Daniel Nerlich rezitiert: Sein Freund Daniel Nerlich, Schauspieler und Sprecher, rezitiert die Texte dazu: Der „Abend“, von Rainer Maria Rilke, Zitate aus dem „Wendekreis des Steinbocks“ von Henry Miller und von Eichendorffs „Zwielicht“. Das Programm heißt „Zur Nacht“ und entsprechend spät und dunkelblau geht es zu. Es wird jazzig, progressiv und sogar rockig: Clara Däubler achtelt am Kontrabass,Timo Warnecke, stilecht mit Rübezahl-Bart, bekommt viele freie Schlagzeug-Momente und Klaus Spencker soliert behänd ziemlich komplizierte Figuren auf seiner E-Gitarre. Die Grillen zirpen: Dazu sticht das ebenso gesprochene wie gestochene Wort von Nerlich. Lazy Beats und sphärische Klänge, nur die Grillen im nächtlichen Herrenhausen scheren sich nicht um den Rhythmus; Das ist eben Natur und Musik pur. Die Bläser-Attacken klingen nach New York. Allein die Pfützen fehlen – und die gelben Taxis; die Hitze der Nacht legt sich über das Gartentheater. Keine Wohlfühlmusik, sondern ein Abstieg in die Traumwelt, mit Blue Notes und Aura. Einstürzende Neubauten als Zugabe: Das Gartentheater ist mit 230 Besuchern ausverkauft, „Jeder Zentimeter Lust, kostet Dollars und Cents“, stöhnt Nerlich, die Zuhörer wiegen sich mit den Klängen. Nach einer guten Stunde endet die musikalische Nachtreise, „Wenn ihr wollt, spielen wir noch einen?“, fragt Marcussen-Wulff fast schon schüchtern in die begeisterte Runde. Und ja, dem Beifall zu Folge war das eine rhetorische Frage. Und mit einem Song der Einstürzenden Neubauten, „Tagelang weiß“, beenden Fette Hupe ihre Hymnen an die Nacht. „Schön, dass ihr da wart!“. Nein, schön, dass ihr da wart! Von Kai Schiering