Staatsorchester spielt im „Klangrausch“

Jedes Werk eines bekannten Komponisten ist doch sicherlich schon einmal in Hannover gespielt worden? Offenbar nicht: Alexander Zemlinsky kann man kaum als Exoten bezeichnen, gleichwohl vermeldete das Niedersächsische Staatsorchester beim 3. Saisonkonzert im Opernhaus die hannoversche Erstaufführung der Lyrischen Symphonie op. 18. Aus der sich die Frage ergab, weshalb man das 1922/23 entstandene Werk nicht früher entdeckt hat. Die Symphonie in sieben Gesängen für Sopran, Bariton und Orchester nach Gedichten von Rabindranath Tagore erwies sich als spannende, abwechslungsreiche und opulente Angelegenheit, die dem mutig gewählten Motto des Abends, nämlich „Klangrausch“, durchaus gerecht wurde. Gefühlsstärke und Gefühligkeit: Passend zu den Texten, die von allen Facetten der Liebe zwischen Sehnsucht, Erfüllung und Entsagung handeln. Da konnte das Orchester es schon mal ekstatisch glühen lassen, zwischenzeitlich waren jedoch auch sehr verhaltene Töne angesagt – der kanadische Dirigent Jordan de Souza hielt seine Truppe eher an der langen Leine, wusste aber schroffe Überzeichnungen zu verhindern. Besondere Akzente setzten das Flötenquartett, Hornistin Renate Hupka und, vor allem im zweiten Teil, Konzertmeisterin Lucja Madziar. Lesen Sie hier: So war das 2. Sinfoniekonzert der Saison Sopranistin Aga Mikolaj, kurzfristig für die erkrankte Katherine Broderick eingesprungen, und Bariton Michael Kupfer-Radecky waren um die Aufgabe, sich in diesem Klangrausch behaupten zu müssen, nicht zu beneiden. Beiden gelang es, Gefühlsstärke und Gefühligkeit auseinander zu halten, während die Grenze zum Forcierten gerade für den Bariton zwar punktuell in Sichtweite kam, ohne indes überquert zu werden. Kurz, eine berührende Dreiviertelstunde. Lesen Sie hier: So war das 1. Sinfoniekonzert der Saison Auftakt mit Ravel: Konventioneller war der erste Konzertteil verlaufen, abgesehen davon, dass der Dirigent zu Beginn offenbar Probleme mit dem Sitz seiner Frackweste hatte und das Kleidungsstück kurzerhand aufs Pult verfrachtete. Maurice Ravels „Menuet antique“ wurde dann zu einem etwas scharfkantigen Auftakt – das hätte differenzierter interpretiert werden können. Zum Beispiel so wie anschließend „La Mer“ von Claude Debussy: In dieser Version hörte man das Wasser wogen, plätschern und, siehe Motto, manchmal eben auch rauschen. Von Jörg Worat

Klassik - Staatsorchester spielt im „Klangrausch“