Schauspiel Hannover: „Oskar und die Dame in Rosa“ feiert digitale Premiere

„Wir kriegt man Kaugummi aus den Haaren?“, fragt Oskar und grinst unter der Mütze auf dem kahlen Schädel hervor: „Mit Krebs!“ Und Rosa, die Dame in Rosa, lacht. Endlich tut es mal eine. Die anderen werden immer traurig, wenn Oskar fröhlich ist. Denn der Junge, gerade mal zwölf Jahre alt, stirbt. Aber noch lebt er. Und davon – mehr noch als von dem Unausweichlichen – erzählt „Oskar und die Dame in Rosa“, das neue Klassenzimmerstück vom Schauspiel Hannover. Ein Klassenzimmerstück aus dem geschlossenen Theater und für geschlossene Klassenzimmer: Regisseurin Ruth Langenberg hat die Geschichte von Éric-Emmanuel Schmitt als Theaterfilm umgesetzt, ein Kammerspiel für zwei Spielfreudige, die Schauspiel-Studierenden Johanna Freigang und Paul Wiesmann, die für dieses Jahr am Staatstheater gastieren und einfach mal in alle Rollen schlüpfen. Lesen Sie hier: Johanna Freigang und Paul Wiesmann im NP-Interview Im Kampf mit Capital Bra: Sie sind der todgeweihte Oskar und seine Mitpatienten, die strenge Doktorin Düsseldorf und die feigen Eltern, die nicht aussprechen wollen, was sie nicht wahrhaben können, und auch die wundervolle Peggy Blue, die so schön blass an Blausucht leidet und nach Haselnüssen duftet. Und sie spielen sie quer durcheinander, mit großer Energie und doch zart, überlegt und bruchlos. Die abgefilmte Ballhof-Bühne zeigt aufgeklebt den Lageplan des Krankenhauses. Ein paar Requisiten und Accessoires (Ausstattung: Christian Hofmann): Mehr braucht es nicht, um gewichtige Fragen aufzuwerfen und zu beantworten. Das Schauspiel Hannover öffnet seine digitale Bühne auch für Schulen. Interessierte Lehrkräfte können „Oskar und die Dame in Rosa“ für 50 Euro pro Klasse als Video ausleihen. Gegen Rechnung gibt es einen Video-Link, über den die Aufzeichnung eine Woche lang abrufbar ist. Das Stück richtet sich an die Jahrgänge 5 bis 7. Dass Angebot wird auch verfügbar sein für das Stück „Bilder deiner großen Liebe“, das am 11. März Online-Premiere feiert. Mehr Info über schule@staatstheater-hannover.de. Für seine letzten Tage hat sich Oskar Betreuerin Rosa ausgesucht, die so herzhaft fluchen und flunkern kann. Dann erzählt sie von ihrer Wrestling-Karriere, von Gegnerinnen mit klingenden Namen wie Plumpudding oder Sarah Flutschiflutsch und wie sie mal die Catcherin Capital Bra besiegte, die sonst alle im Ring zwischen ihren Brüsten zerquetschte. Und Freigang und Wiesmann gehen dann auf Abstand in den Clinch, während am Bildschirmrand gezeichnete Anzeigen aufploppen wie aus einem Beat-’em-up-Videospiel. Lesen Sie hier: Über die Schwierigkeiten, mit Corona-Regeln Schauspiel zu lehren „Und du glaubst nicht an Wunder?“: Jeden Tag, der ihm noch bleibt, soll Oskar als ein Jahrzehnt erzählen, hat Rosa aufgetragen. So wird der Todkranke im Kopfe 120 Jahre alt, ein erfülltes Leben mit großer Liebe. Erfolgreich hat er Peggy Blue im Blaulicht umworben. Marteria singt dazu: „... und du glaubst nicht an Wunder?!“. Und die Anzeige am Bildschirmrand zeigt volle Lebensenergie. „Es gibt keine andere Lösung fürs Leben, als es zu leben“, lernt Oskar am Ende. Aber ist das auch ein Thema für Kinder? Unbedingt – und unbedingt in dieser Zeit, in denen ihnen eine Verantwortung für das Leben Anderer zugemutet wird wie wenigen Generationen vor ihnen. Das Unbekannte verliert seinen Schrecken, wenn man von ihm erzählt. Es auf die Weise zu tun, wie es in dieser Inszenierung geschieht, ist ein Glück. Von Stefan Gohlisch