Schauspiel Hannover: Ein Klassenzimmerstück um Leben und Tod

„Oskar und die Dame in Rosa“ nach der Erzählung Éric-Emmanuel Schmitt sollte das neue Klassenzimmerstück des Schauspiel Hannover werden. Nun feiert es digitale Premiere. Interview mit den Darstellern Johanna Freigang (22) und Paul Wiesmann (26). Wie arbeitet es sich gerade? Johanna Freigang: Wir dürfen proben, aber mit Hygienemaßnahmen. Wir tragen Masken, außer wir spielen gerade. Wir halten Abstand, lüften jede Stunde, sind nur wenige Menschen im Raum … Wir passen schon sehr auf. Paul Wiesmann: Es ist eine ganz spezielle Stimmung. Unsere Produktion ist die einzige, die im Januar geprobt hat. Es ist ein bisschen wie „Nachts im Museum“, ein etwas absurdes Gefühl, weil es für uns beide auch die erste Produktion am Schauspiel Hannover war. Wie haben Sie geprobt? War schon von Anfang an klar, dass am Ende ein filmisches Format stehen würde? Freigang: Wir hatten erste Proben im Dezember, und da war es noch nicht so klar. Über Weihnachten und Neujahr wurde deutlich, dass wir es als Film umsetzen würden – aber das eigentliche Klassenzimmerstück gleich mitdenken, damit wir das, wenn es irgendwann mal wieder geht, auch zeigen können. Wiesmann: Wir haben drei Konzepte auf einmal erarbeitet: die digitale Variante, die jetzt Premiere hat, eine Variante für die Bühne des Ballhof zwei und eine für die Schulen. Lesen Sie hier: Theater im Klassenzimmer: „Elektrische Fische“ „Es war natürlich auch eine Riesenchance“: Wie sieht die Variante für die Schule aus? Freigang: Wir würden wegen der jetzigen Situation in Aulen gehen, mit dem nötigen Abstand zu den Schülern. Sie sind noch im Studium. Wie fühlt sich das an in dieser Zeit? Wiesmann: Man kann wie viele Menschen nur schwer in die Zukunft planen. Ich bin froh, dass ich noch im Studium stecke und nicht schon mit der jetzigen Jobsituation konfrontiert bin. Und ich bin froh, dass ich das Grundstudium hinter mir habe und vorpandemisch hinter mich bringen konnte: Ich konnte meine Mitstudierenden noch anfassen. Ich habe auf andere Weise lernen können, wie Nähe trotz körperlicher Distanz funktioniert. Wir haben jetzt zum Beispiel Wrestling-Szenen, natürlich auch alle auf Abstand. Das macht richtig Spaß. Freigang: Es war natürlich auch eine Riesenchance, dass wir live im Schauspielhaus spielen, proben und lernen konnten. Dafür bin ich extrem dankbar. Lesen Sie hier: Schauspiel Hannover baut Online-Angebot aus „Ich freue mich auf direkte Reaktionen“: Das Stück behandelt ein ungewöhnliches Thema für Kinder und Jugendliche: Es geht um einen todkranken Jungen. Was schätzen Sie an dem Stoff? Wiesmann: Ich habe die Geschichte vor vielen Jahren gelesen und erinnere mich noch an das Gefühl, das das Buch in mir hinterlassen hat. Es hat mich sehr bewegt, und das tut es immer noch. Es ist krass, mit Kindern über Tod zu reden. Man möchte das Thema ja eigentlich gerne von ihnen fernhalten. Freigang: Ich finde schön an dem Stück, dass Oskar darum kämpft, ernst genommen zu werden, zu wissen, es verarbeiten zu dürfen, ohne Tabu. Wiesmann: In der digitalen Variante bekommen wir natürlich nicht das direkte Feedback. Darum freue ich mich schon sehr darauf, es irgendwann auch vor Kindern zu spielen, auf die direkten Reaktionen und die Nachgespräche. Oskar ist zwölf Jahre alt. Er ist an Leukämie erkrankt, und er wird sterben. Ernstgenommen fühlt er sich von niemandem – außer von der Frau in Rosa, einer Ehrenamtlichen, die ihn regelmäßig besucht und ihm Aufgaben stellt: Er solle sich jeden verbliebenen Tag als Lebensjahrzehnt vorstellen und seinen Frieden finden ... Die Erzählung „Oskar und die Dame in Rosa“ von Éric-Emmanuel Schmitt ist Grundlage des neuen Klassenzimmerstücks des Schauspiel Hannover. Ruth Langenberg hat es für Menschen ab zehn Jahren inszeniert. Ihre Spielenden sind Johanna Freigang und Paul Wiesmann, die noch an der Hochschule für Musik, Theater und Medien studieren und am Schauspiel Hannover gastieren. Pandemiebedingt feiert das Stück am 25. Februar digitale Premiere: Der Theaterfilm ist ab 11 Uhr für 24 Stunden verfügbar. Lehrkräfte können ihn auch später inklusive theaterpädagogischem Programm anfordern. schauspiel-hannover.de Haben Sie eine klare Rollenzuweisung? Freigang: Wir spielen alle fast alles. Wir tauschen durch. Dabei habe ich am meisten gelernt: Wir mussten schauen, dass die Figuren die gleiche Körperlichkeit haben. Diese Rollen zu entwerfen, hat viel Spaß gemacht: dass man die Figuren erkennt, aber Paul und ich trotzdem unsere eigenen Sachen mit ihnen gemacht haben. Lesen Sie hier: Intendantinnenduett: Laura Berman und Sonja Anders im Podcast des Literarischen Salons „Sehr witzig, frech oft und direkt“: Die Dame in Rosa ist eine gleichbleibend erwachsene Person. Oskar imaginiert seine Zukunft. Ändert er sich altersmäßig im Stück? Wiesmann: Oskar ist Oskar. Wir spielen ihn als wissbegierigen Menschen, der Fragen ans Leben hat. Bekommt er auch Antworten? Freigang: Ich glaube, zum Ende versteht Oskar einen großen Teil der Fragen, die er sich mit Rosa gestellt hat, und gibt auch seinen Eltern eine Botschaft. Wiesmann: Ich mag die Art, wie der Stoff mit dem Thema Tod umgeht: sehr witzig, frech oft und direkt. Das war anfangs eine Herausforderung, weil beim ersten Lesen noch der Kloß im Hals steckte. Lesen Sie hier: Die „Krasshüpfer“ kommen ins Klassenzimmer Warum ist es ein lohnenswerter Stoff? Freigang: Man wird auf eine Reise mitgenommen. Ich hatte sehr viel Spaß, es zu spielen, und ich hoffe, man hat auch sehr viel Spaß, es zu sehen. Wiesmann: Ja, es macht richtig Spaß. Und zugleich ist die Relevanz sofort klar. Es ist ein Stoff, der wichtige philosophische Fragen stellt, die aber überhaupt nicht abgehoben behandelt werden, weil sie für alle begreifbar sind: Leben und Tod – das geht jeden an. Von Stefan Gohlisch