Konstantin Wecker entfacht den Weltenbrand in Hannover

Den Abend im Kuppelsaal beginnt Konstantin Wecker mit einer musikalischen Grundsatzerklärung. „Uns hat die liebe Erde doch so viel mitgegeben“, singt der 72-jährige: „Dass diese Welt nie ende, nur dafür lasst uns leben“. Eine Hymne für das Zusammenleben, bei aller politischer Missstimmung, und eine Ouvertüre für ein in Wort und Musik ambitioniertes Konzert vor 2000 Besuchern. Weckers Ensemble – das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie mit Dirigent Mark Mast – spielt ausgefächerte Arrangements und braucht ein paar Songs, um zueinander zu finden. Musiker aus acht Nationen hat Wecker dabei, wie er schon nach „Stürmische Zeiten, mein Schatz“ stolz verkündet. Dabei kann er doch selbst Geige, Gitarre und Klavier spielen – an letzteres setzt er sich immer wieder. „Träumer und Spinner“: „Als Träumer und Spinner“ habe man ihn, den am deutlichsten utopisch denkenden Liedermacher, immer wieder angegriffen, doch immer noch wünsche er sich eine „Revolution des Geistes“, um die gedanklichen Trümmer der Nazizeit endlich aus Deutschland zu verbannen. Aus einem Büchlein liest Wecker Gedichte und Texte, er ist immer noch Revoluzzer, fest verankert im Denken der 68er. Fridays for Future feuert er von der Bühne aus an, obwohl er schon vor 40 Jahren Umweltschutz zum Thema machte, „ein neues ’68 fände ich ja super“, sagt er. Lesen Sie hier: Junge Aktivisten finden sich besser als die 68er Auf den Ungehorsam: Insgeheim – so ist das fast bei allen politischen Liedermachern – hört man Weckers Liebeslieder aber fast lieber als seine programmatischen Songs. In „Liebesdank“ ist Wecker ganz Barde, mit famoser Begleitung seiner Band. Ein Schlaflied für seine Kinder singt er zunächst alleine am Piano, nach und nach steigt das Ensemble ein, bis der ganze Kuppelsaal mit nächtlichem Klang gefüllt ist. Mit dem Ungehorsamsopus „Frieden im Land“ geht es in die Pause, eine Mini-Oper mit dem ersten Gitarrensolo des Abends. Obwohl die Musikstücke (arrangiert von Weckers Pianisten Jo Barnikel und vom Ensemble fantastisch interpretiert) viel Freude machen, haben die Texte bei Wecker Vorrang. Er komponiere immer erst hinterher, erzählt er später. Bei Goethes „An den Mond“, das er vertonte, ist das offensichtlich, ohnehin streut Wecker eine Menge Verweise auf große Dichter und politische Märtyrer: Rilke, Kästner und Erich Mühsam liest und singt er vor, von Giordano Bruno und Leo Trotzki zeigt Wecker sich inspiriert. Lesen Sie hier: Interview mit Konstantin Wecker Weltenbrand mit Alphorn: „Nein ich hör‘ nicht auf zu träumen, von der herrschaftsfreien Welt“, singt er zur Melodie von Beethovens Neunter, später mogelt sich der Basslauf von Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ in eine Brecht-Vertonung. „Weltenbrand“ heißt das vermeintlich letzte Lied, zur Epik der Worte gesellt sich ein gut vier Meter langes Alphorn aus dem Chiemgau. Dem ersten Schlussapplaus folgt aber noch der für Wecker wichtigste Teil des Abends: Der Weißen Rose widmet er sein „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen“. „Die Welt darf nie aufhören, über den Holocaust nachzudenken“, sagt er danach. Mikis Theodorakis‘ „Lied der Lieder“ aus der Mauthausen-Kantate ist ein durchdringendes Stück Erinnerungskultur – und „Sage Nein“ heißt Konstantin Weckers finaler Appell. Lesen Sie hier: Konstantin Wecker singt antifaschistische Lieder Von Lilean Buhl

Konzert - Konstantin Wecker entfacht den Weltenbrand in Hannover