Hannover: Hemden veröffentlichen ihre EP „Tagtraumnation“

„Du hast gesagt, du willst dich nicht mehr nur erinnern“, singt Birger Reese: „Du hast gesagt, du willst dich endlich auf was freuen.“ Es sind Zeilen, die klingen wie die Zustandsbeschreibung des Lockdown, in dem die Gegenwart freudlos ist und die Zukunft eine graue Leere. Es beschreibt dann aber doch nur eine alte Liebe: „Wir brechen unsere Herzen (ganz allein)“ heißt das Lied von der neuen EP der hannoverschen Indie-Band Hemden. „Tagtraumnation“, ausschließlich digital veröffentlicht, enthält Musik, die sich dagegen sträubt, dass Pop ein Privileg der Jugend ist und Liebesleid eine Last nur der Jungen. „Es ist natürlich immer eine Frage, wie sexy es ist, Texte zu schreiben über Themen wie Scheidung“, sagt Reese: „Aber es geht darum, auch dieses Lebensgefühl zu beschreiben.“ Beinahe hätte es die EP gar nicht gegeben. Die Hemden gründeten sich vor bald 20 Jahren. Die Veröffentlichungen wurden mit Kritikerlob bedacht. Die „Intro“ feierte sie 2015 als „eine der besten deutschsprachigen Bands. So verdichtet und direkt kann man vielleicht nur vom Leben singen, wenn man als Band einen langen Weg hinter sich gebracht hat“. Segen und Fluch: In jenem Jahr erschien nach mehreren EPs das erste Hemden-Album „Quitt“. Lesen Sie hier: Die Hemden 2015 im NP-Interview zu „Quitt“ Der Durchbruch wäre verdient gewesen und kam nicht. Die Band hörte auf und konnte es doch nicht lassen. 2019 fanden die Hemden in neuer Besetzung zusammen. „Wir mussten einfach“, sagt Reese, der von Beruf Gymnasiallehrer in Wunstorf ist: „Kunst kommt von Müssen.“ Sie haben von vorne angefangen, schrieben Songs, die klingen wie Herzensangelegenheiten, und planen voraus. „Wir wollen auf jeden Fall wieder live spielen“, meint Reese. Er hätte auch sagen können: Sie wollen sich endlich wieder auf was freuen. Von Stefan Gohlisch