Hannover: Endlich wieder Barockes aus Herrenhausen

Barockkonzerte in Herrenhausen: Sie gehören zu den vielen Ereignissen, die man in diesen Monaten schmerzlich vermisst. Das hannoversche Ensemble „La festa musicale“ hat zumindest punktuell Abhilfe geschaffen, mit einem Konzert im Galeriegebäude, das jetzt in einem mehrstündigen Zeitfenster online auf Youtube zu erleben war. Und zwar ausschließlich dann – Liveauftritte sind halt vom Wesen her etwas Einmaliges. Das Datum 21. März war nicht zufällig gewählt, gab es doch an diesem Tag zwei Jubiläen im Zusammenhang mit Johann Sebastian Bach zu feiern. Ein eher krummes, nämlich den 336. Geburtstag des Komponisten selbst, und ein glattes, denn Bach soll vor genau 300 Jahren seine berühmten „Brandenburgischen Konzerte“ an den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt geschickt haben. Lesen Sie hier: NDR Radiophilharmonie meldet sich über den Äther zurück Doppelbegabung an der Blockflöte: Der Auftakt des Konzerts zielte indes direkt auf Hannover ab: Francesco Venturini war hier ab 1698 Violinist der kurfürstlichen Kapelle und avancierte später zum Hofkapellmeister. Möglicherweise wurde seine Sonata XI aus „Concerti di camera“, die das Ensemble vortrug, einst in Herrenhausen uraufgeführt. Sie lässt sich auch heute noch sehr gut anhören, zumindest in einer solchen Interpretation: Im furiosen 3. Satz sorgte Perkussionist Michael Metzler, größtenteils im Off, für Wind- und Donnereffekte, und die folgende Gavotta trug nicht nur durch die Pizzicato-Einlagen der Streicher angenehm schelmische Züge. Wunderbar die Intonation von Blockflötistin Irene Liebau. Sie erwies sich als Doppelbegabung und war im folgenden „Neubrandenburgischen Konzert Nr. 2“ am Cello zu erleben. Kollege Christoph Harer hat hierfür Bachs C-Dur-Konzert für drei Cembali in eine Version für drei Streichtrios umarrangiert. Die sich in den beiden Ecksätzen höchst munter gegenseitig die Bälle zuspielten, während das zentrale Adagio etwas arg akademisch geriet. Ein interessanter Programmpunkt, der jedoch nicht immer hundertprozentig klangsauber wirkte. Lesen Sie hier: Herrenhausen Barock 2020 endet mit „Israel in Egypt“ Ein „Wow!“ für das Konzert: Logisch, dass dann ein „Brandenburgisches Konzert“ das Finale bildete. Es war das 4., und hier konnte sich Konzertmeisterin Anne Marie Harer an ihrer Violine so richtig ausleben – das steckte tatsächlich, wie in der Anmoderation behauptet, eine große Bandbreite zwischen wehmütig und feurig ab. Schöne Idee, dieses unter anderem vom Corona-Sonderprogramm „Niedersachsen dreht auf“ und der Anja-Fichte-Stiftung geförderte Konzert. Die Live-Kommentare der Zuhörer fielen eindeutig aus: „Wunderbar!“ stand da zu lesen, „Bravo!“ oder, noch kürzer: „Wow!“ Von Jörg Worat