GOP-Direktor Dennis Bohnecke über ein Jahr in der Pandemie

Im Juli machte Hannovers GOP Schlagzeilen: Es durfte dank Sondergenehmigung als erste Theater bundesweit nach dem ersten Lockdown öffnen. Die Freude war groß, und auch die Vorfreude war es: auf eine zweite Jahreshälfte mit Wintervarieté und Kindweihnachtsmusicals. Dazu sollte es aus bekannten Gründen nicht kommen. Im NP-Gespräch zieht Hannovers GOP-Direktor Dennis Bohnecke (42) Bilanz. Wie sieht im Moment Ihre Arbeit aus? Die ist vielfältig und traurig und schön zugleich. Nachdem die Schließung im Herbst für das Team und mich wirklich sehr zermürbend waren, haben wir jetzt wieder an Fahrt aufgenommen. Wir haben sehr erfolgreich mit der Kochbox begonnen. Und dann gibt es so schöne kleine Geschichten. Zum Beispiel, dass Desimo beim Kelleraufräumen im Lockdown Geschirr aus dem alten Georgspalast gefunden und uns überlassen hat. Und dann wieder so etwas: Unser Hausmeister Detlef, gerade mal 62 Jahre alt und so etwas wie die Seele des GOP, ist überraschend gestorben. Das hat uns richtig schockiert. Und es mangelt derzeit an der Kraft, solche Verluste zu verarbeiten. Das war ein Schlag, der uns alle sehr heruntergezogen hat. Es fehlt auch die Nähe, zum Beispiel zu seinen Angehörigen, seinem Sohn, den man jetzt nicht einmal in den Arm nehmen darf. Da merkt man, wie einsam diese Zeit ist. „Der zweite Lockdown hat uns eiskalt erwischt“: Da Sie vom Erfolg der Kochbox sprechen: Sie ist vermutlich nicht geeignet, den anderweitigen finanziellen Verlust auszugleichen, oder? Nein, das steht in keinem Verhältnis. Es war uns wichtig, damit unsere Gäste zu erreichen und zu zeigen: Wir sind noch da. Es macht Spaß und glücklich, arbeiten zu können. Wie haben Sie damals den ersten Lockdown wahrgenommen, wie den zweiten, und wo sind die Unterschiede? Der erste Lockdown kam extrem überraschend. Wir hatten gerade die Premiere gespielt. Dann kam dieser Freitag, der 13. Tags darauf – da mussten wir noch zwei Shows spielen – haben wir beschlossen, den Spielbetrieb am Sonntag einzustellen. Der zweite Lockdown hat uns richtig eiskalt erwischt. Man weiß ja, was der Winterbetrieb für das GOP Hannover bedeutet – und auch für Hannover, die oft zitierte Varieté-Hauptstadt. Lesen Sie hier: „Funky Town“ im GOP: Neustart mit Hindernissen „Es sind keine Tränen mehr geflossen“: Sie hatten alle Shows, vom Wintervarieté zum Kinderweihnachtsmusical, geprobt und angekündigt und schienen guten Mutes ... Die Wochen davor waren sehr angespannt. Ich habe noch nie so viel Zeit mit Kalkulationen verbracht. Zugleich steckte in diesen Produktionen so viel Zeit und Liebe Wir haben noch die Generalprobe vom Kindermusical, dem „Zauberer von Oz“, gespielt, und gleich danach war klar: Es geht nicht weiter mit dem Spielbetrieb. Wir hatten Top-Sicherheitskonzepte, die auch schon genehmigt waren; wir haben bis zum Schluss gehofft. Und die Mitarbeiter? Es war ein Schlag. Der Gesichtsausdruck war ein anderer. Es sind keine Tränen mehr geflossen. Diese hohe Motivation, die man im ersten Lockdown noch spürte, die Lust, trotzdem etwas auf die Beine zu stellen, war weg. Man stand vor dem Trümmerhaufen dessen, was man monatelang, teils jahrelang geplant hatte. Es war für viele – mich eingeschlossen – schwierig, aus diesem Tief wieder herauszukommen. Lesen Sie hier: Hannovers „Zauberer von Oz“ wird zum Hörspiel „Die Verluste sind dramatisch“: Wie groß ist der finanzielle Schaden? Für Hannover ist das schwierig zu beziffern. Die gesamte GOP-Gruppe hat einen Jahresumsatz von 47 Millionen Euro. Der ist um 42 Millionen Euro zurückgegangen. Seit März vergangenen Jahres sind alle Mitarbeiter in Kurzarbeit. Die Verluste sind dramatisch. Lieber spielen wir mit 60, 70 Prozent, als dass komplett geschlossen ist. Nicht ohne Grund haben wir vor ein paar Jahren die Sommerpause abgeschafft: Die Kosten sind höher, wenn wir geschlossen haben, als wenn wir vor weniger Publikum spielen. Wir tun alles dafür, dass wir ganz schnell wieder an den Start gehen können. Lesen Sie hier: GOP setzt 2021 pure Lebensfreude gegen die Krise Woher nehmen Sie die Motivation dafür her? Wir haben es geschafft, sehr konzentriert daran zu arbeiten und entsprechend vorausschauend zu planen. Eine Produktion, die im Frühjahr geplant war, mit vielen afrikanischen Künstlern, haben wir verschoben und starten nun mit „Der kleine Prinz auf Station 7“, einer sehr lebensbejahenden Produktion. Wann auch immer es losgeht: Das ist die Show, mit der wir starten werden. Ich glaube, mit ihr werden wir den Menschen ein tolles Gefühl für den Restart geben können. Wir haben es bitter nötig. Wir haben es alle bitter nötig. Definitiv. Von Stefan Gohlisch