Textilmuseum Hannover: Erika Knoop designt Kunsthemden aus Leinen

„Kunst“ steht in Großbuchstaben auf den neuen Hemden der hannoverschen Modedesignerin Erika Knoop (72) geschrieben – und tatsächlich haben diese Hemden etwas von Kunst. „Weil Textilien Kunst sind“, verdeutlicht Knoop und zitiert Gottfried Semper, der 1860 dem Weben, Knüpfen und Flechten allergrößte Bedeutung zuschrieb: „Im Anfang war die textile Kunst“. Deshalb ärgert sich Knoop, dass ihr Museum für textile Kunst in Kirchrode keine Förderung erhält. „Weil zuerst alte Gewehre, Bronzetaler und Bilder kommen.“ 2007 hat sie den Luftschutzbunker an der Borchersstraße zum Museum gemacht, aus eigener Tasche. „Alles, was ich in meinem Atelier nebenan angefertigt habe, ist in das Museum geflossen.“ Doch das Geld für ihre Auftragsarbeiten und Museums-Eintritte ist aufgrund der Corona-Krise weggebrochen. Ds Projekt „Kunsthemd Blaue Blume“: Jetzt versucht die 72-Jährige mit den Kunsthemden ihr Museum zu retten. Das Projekt heißt „ Kunsthemd Blaue Blume “: „An einem Sommertag blickte ich auf den blauen Flachs in meinen Garten und dachte an die Unmengen an alten Leinenstoffen, die ich noch in meinem Atelier habe, da kam mir die Idee“, erinnert sie sich. Rund 200 Leinen-Bettlaken hat sie, vor allem aus Hochzeits-Aussteuern, teilweise sind sie 100 Jahre alt. „Eine alte Frau, über 90 Jahre alt, schenkte mir mal etliche Leinen-Laken. Sie war Weberin, ihr Vater hatte einst eine Leinen-Weberei.“ Knoop ist fasziniert von dem wertvollen Material. „Die Naturtextilie stammt aus einer anderen Zeit, in der Kleidung und andere Textilien noch so kostbar wie Juwelen waren“, erklärt die nachhaltige Modeschöpferin. „Sie wurden lange getragen und nicht weggeworfen, sondern danach zur Papierherstellung genutzt.“ Das sei ein Gegenentwurf zur heutigen schnelllebigen Zeit, in der Textilien massenhaft billig gekauft und „voller Verachtung schon nach kurzer Zeit entsorgt werden“. Blaue Flachs-Felder, aus denen Leinen gewonnen wird, zogen Knoop schon als junge Frau in ihren Bann, deshalb pflanzte sie die wertvollen Blumen in ihrem Lister Garten an. „Die Stängel sind so dick, dass man sie nicht mal durchbrechen kann“, schwärmt sie. Für ihr Kunsthemd-Projekt hat sie sich Unterstützung geholt: Der Fotokünstler Andreas Ohrdorf (42) brachte ihr die Siebdruck-Technik bei und half ihr, die Hemden zu bedrucken. Die Künstlerin Yvonne Goulbier (67) bemalte die Hemden zusätzlich. Jedes Hemd kostet 250 Euro, bislang wurden rund 50 hergestellt. Die Einnahmen sollen das Textilmuseum retten – wo die Hemden erhältlich sind.„Die Hemden sind jetzt schon sehr begehrt“, freut sich Knoop. Lesen Sie auch Kunst trotz(t) Corona: Fotografin Iris Klöpper zeigt, wie es geht Hannover: Modedesignerin Helene Galwas für New Faces Award nominiert Von Josina Kelz