Macht die Eismanufaktur Birne und Beere Hannovers bestes Eis?

Die Arbeitstage eines Eismachers enden im Sommer spät – und beginnen früh. Schon morgens kippt Julian Rakowski (37) eine dickflüssige weiße Masse aus einem riesigen Eimer in seine Eismaschine. Es wird der erste Versuch für seine neueste Kreation: Grießeis mit Pflaumenmus und Zimt. Rakowsi und seine Eismanufaktur „Birne & Beere“ ist in Hannovers Eisszene inzwischen mehr als ein Geheimtipp – und das, obwohl er erst seit Mitte März am Start ist. „Es gibt Menschen, die behaupten sogar, ich mache das beste Eis der Stadt. Das hätte ich nie gedacht. Inzwischen traue ich mich sogar selbst zu sagen, dass mein Eis wohl ganz gut schmecken wird“, sagt Rakowski und lacht. Rakowski setzt aufs Fahrrad statt auf die Eisdiele: Die Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr. Rakowski hat einen hohen Anspruch an sich selbst – und vor allem an die eiskalte Süßspeise, die er an die Leute weiterverkaufen will. „Das Eismachen ist meine Leidenschaft. Ich will jede Sorte immer noch besser machen“, sagt er. Was Halbfertiges oder eine Kreation, von der er selbst nicht überzeugt ist, kommt bei ihm nicht in die Waffel. Einen ganz normalen Eisladen hat Rakowski nicht. Zwar hat er seine Eismanufaktur in der Calenberger Straße. Dort produziert er aber ausschließlich – oder gibt bestellte Vorratspackungen heraus. Sein Eis für unterwegs verkauft er mit einem speziell entwickelten Lastenrad. Der Hersteller aus Österreich habe an dem Foodbike mit eingebauter Tiefkühltruhe fast zwei Jahre getüftelt. Der eingebaute Akku treibt den Kompressor an und unterstützt Rakowski beim Treten. Caramel und Streuselkuchen sind die Renner: Bei schönem Sonnenwetter geht es mal zur Markuskirche in der List, zur Lutherkirche in der Nordstadt, zur Dornröschenbrücke in Linden oder zum Stephansplatz in der Südstadt. Wer wissen will, wo Rakowski gerade steckt, kann seinen Plan und den aktuellen GPS-Standort im Internet einsehen. Wenns regnet, bleibt das Rad in der Manufaktur stehen. Der Renner auf Hannovers Straßen: Caramel mit Meersalz, Schokostücken und Keks sowie Vanille mit Streuselkuchen und Brombeersauce. „Weil ich keinen Eisladen habe, spare ich Geld und kann dafür die Eissorten günstiger anbieten, als ich das sonst machen könnte“, erklärt Rakowski. 2,50 Euro kostet die normale Portion mit zwei Sorten im essbarem Waffelbecher – teurer als üblich in Hannover. „Aber ich investiere auch drei- bis viermal so viel in die Zutaten“, argumentiert der Eismacher. Er nutze regionale, nachhaltige Bio-Lebensmittel. Statt künstliche Zusatzstoffe komme Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl hinzu. Alle Kekse oder Streusel backt Rakowski vorher selbst. Auch den Grießbrei für seine neue Kreation hat er zwei Tage vorher gekocht. Und das schmeckt man: Das Schokoladeneis ist wirklich schokoladig, das Fruchteis richtig fruchtig und die Streusel wie von Omas Kuchen. „Gesund wird das Eis dadurch aber nicht. Es ist und bleibt eine Süßspeise“, sagt Rakowski. Aus Versehen zum Eismacher: Eigentlich hatte der gebürtige Münsteraner mal ganz andere Ziele, als er vor mehr als 13 Jahren wegen des Studiums nach Hannover zog. Er wollte Hotelmanager werden. „Ich dachte, mich zieht es in die große, weite Welt. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich eigentlich einen festen Standort brauche“, sagt Rakowski. Hannover wurde schnell zu seinem Zuhause, er habe sich sofort pudelwohl gefühlt. „Die Menschen in Hannover sind anfangs reserviert, aber wenn man sie näher kennenlernt, sind sie sehr herzlich“, sagt er. Besonders das bunte Leben in Linden und das viele Grün in der Stadt haben Rakowski begeistert. Er jobbte bald in der Gastronomie, arbeitete sieben Jahren in einer Konditorei. Dort habe er neue Strukturen etabliert, ein Controlling eingeführt, viel Arbeit investiert. Doch irgendwann war Schluss: Er heuerte in einer Eisdiele an. „Das war eigentlich als Überbrückungsjahr gedacht. Ich wollte dort ein wenig arbeiten und wieder mehr Zeit für Freizeit und Freunde haben.“ Corona erschwert den Start: Aber schon nach zwei Wochen war es um ihn geschehen. Das Eis und das, was man alles daraus machen konnte, faszinierte ihn. Er probierte viel aus, aber all seine Pläne konnte er nicht umsetzen. „Ich wollte das ökologisch-nachhaltige auf die Spitze treiben.“ Also stellte er sich mit seiner Eismanufaktur auf eigene Beine. „Ich habe zehn Jahre lang Teile meiner kleinen Gastronomie-Gehälter für die Selbstständigkeit gespart. Das war immer mein Traum“, sagt Rakowski. Die Sorge um den Klimawandel, den Ressourcenverbrauch und auch die aus seiner Sicht oft nicht fairen Arbeitsbedingungen in der Gastro-Branche treiben ihn an. Er versucht, vieles davon besser zu machen: Das fängt beim kompostierbaren Eislöffel an und hört bei den Zutaten auf. Von seinem Wissen sollen bald mehr Menschen profitieren. Er will ab November „lockere Eismacherkurse“ für Gruppen in seiner Manufaktur anbieten. Das ging wegen Corona bislang nicht. Auch sonst hat ihm der Lockdown den Start im März erschwert. Rakowski ist auf Veranstaltungen angewiesen. Ihn kann man auch für Privatfeiern oder Hochzeiten buchen. All das fiel monatelang aus. Versuche mit Gurkeneis: So hatte der 37-Jährige mehr Zeit, an seiner Auswahl zu tüfteln. Er wünscht sich selbst noch ein Nusseis, möchte vegane Sorten mit Hafer- statt Kuhmilch anbieten. Zuletzt hatte er sogar Gurkeneis auf seinem Rad dabei. Und so sind die Tage trotz Corona oft sehr lang. An sonnigen Tagen ist er bereits frühmorgens in der Manufaktur und erst um 22 Uhr Zuhause in seiner WG. „Da habe ich oft gehofft, dass einer meiner Mitbewohner oder meine Freundin was Nettes gekocht haben“. So sieht er aus: Der Sommer eines echten Eismachers. 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