Ernst-August-Galerie Hannover Internationale Süßigkeiten House of Sweets

Sie nennen sich Schokoheld, Zuckerkönig und Mister Sweet. In Wahrheit heißen sie Tahir Gülsahin (28), Deniz Karadag (34) und Sahin Gülsahin (29). Aber wenn man Süßigkeiten verkauft, klingen die echten Namen wohl zu unspektakulär. Denn die drei Freunde haben im Sommer „House of Sweets“ in der Ernst-August-Galerie eröffnet, hier gibt es internationale Süßigkeiten: „M&M’s“ in allen möglichen Geschmacksrichtungen, „Reeses“ als Müsli, „Chupa Chups“ als Limonade – und die Menschen stehen Schlange. „Damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Gülsahin. Denn eigentlich gibt es „House of Sweets“ bereits seit zwei Jahren, im Dezember 2018 eröffneten sie in Braunschweig. Doch das Geschäft lief nur schleppend an. „Geld verdienen wir damit erst seit drei Monaten.“ Im Juni haben sie ihre Filiale in Hannovers Ernst-August-Galerie mit zehn Mitarbeitern eröffnet, vor dem Lockdown haben sie noch selber hinter der Ladentheke ihres Geschäfts in Braunschweig gestanden. Personal konnten sie sich nicht leisten. „Das war echt hart, wir hatten nebenbei Vollzeitjobs im Schichtbetrieb und haben uns im Laden abgewechselt.“ Ihre eigenen Schokoriegel haben sie selbst bezahlt. „Wir haben uns schon gefragt, was wir falsch machen und wollten aufgeben.“ Sido machte „House of Sweets“ berühmt: Dann kam der Lockdown. Für viele Einzelhändler der Todesstoß, für Tahir Gülsahin, Deniz Karadag und Sahin Gülsahin der Durchbruch. „So verrückt es klingt: Mit Corona kam der Erfolg.“ Wobei es weniger am Virus lag: Viele Promis waren bereits private Kunden von „House of Sweets“, darunter Rapper Sido (39). Er plante für seine Youtube-Show „Zuhause mit Sido“ ein Gewinnspiel mit internationalen Süßigkeiten für seine Fans und fragte die Braunschweiger (die eigentlich aus Salzgitter kommen), ob sie mitmachen wollen. „Natürlich wollten wir! Wenn Sido so etwas fragt, sagt man zu, das ist ein Ritterschlag.“ Karadag durfte Sido die Süßigkeiten nach Hause liefern. „Er brauchte die Sachen an Karfreitag, da wurde aber keine Post ausgeliefert, also habe ich angeboten, sie ihm nach Berlin zu bringen.“ Als Karadag ankam, platzte er in das Live-Video rein, zehntausende Menschen sahen dabei zu – und „House of Sweets“ war plötzlich berühmt. 20.000 Bestellungen auf einen Schlag: Danach trudelten so viele Bestellungen via Instagram ein, dass die drei Männer Tag und Nacht Bestellungen abarbeiteten, Pakete packten und zur Post brachten. „Wir haben bis fünf Uhr morgens Bestellungen bearbeitet.“ Zu dem Zeitpunkt hatten sie noch keinen Onlineshop, jede Bestellung kam per Instagram-Nachricht, es waren 20.000 auf einmal. Weitere Stars wurden auf die internationalen Süßigkeiten aufmerksam und fragten Instagram-Gewinnspiele an: Sängerin und Comedian Senna Gammour (40), Sänger Manuellsen (41), die Rapper Bausa ( 31), Bonez MC (34), Eko Fresh (37) oder Summer Cem (37). Als Rapper Haftbefehl (34) im Juni ein Autokonzert auf Hannovers Schützenplatz gab, wollte er an die Fans in den Autos Süßigkeiten verteilen und machte eine Großbestellung. „Wir wollten nicht, dass er dafür bezahlt. Wir wollten den Werbeeffekt nutzen und haben die Süßigkeiten einfach selber an die 500 Autos verteilt.“ Der Rapper holte Mister Sweet, Schokoheld und Zuckerkönig als Dankeschön auf die Bühne und stelle sie dem Publikum vor. Mittlerweile hatten die Jungunternehmer mehr als 90.000 Follower auf ihrem Instagram-Account, aufgrund der vielen Bestellungen einen Onlineshop – und brauchten nach dem Lockdown einen größeren Laden. „In Braunschweig haben wir nur 35 Quadratmeter Ladenfläche, es ist eher ein Tante-Emma-Laden.“ Es sollte Hannover werden, die nächstgrößere Stadt. Dort standen in der Ernst-August-Galerie aufgrund von ausgelaufenen Mietverträgen viele Ladenflächen leer. Eine davon haben jetzt die drei Süßigkeiten-Händler. So kam die Idee, internationale Süßigkeiten zu verkaufen: Wie kam es zu der Idee, sich mit Süßigkeiten aus aller Welt selbstständig zu machen? Der Ursprung der Idee liegt – natürlich – im Ausland. Die Cousins Gülsahin lebten für ein Jahr in Mexiko, beide aus beruflichen Gründen. Sie verabredeten sich für einen gemeinsamen Urlaub mit ihrem Freund Deniz Karadag in Los Angeles, zuvor hatte dieser eine Rundreise durch Asien gemacht. „Jeder, der im Ausland, besonders in den USA war, kennt es: Man ist im Süßigkeiten-Himmel, futtert sich einmal durch alles durch – und zurück in der Heimat vermisst man die landestypischen Snacks, die einen an den Urlaub erinnern“, erklärt Karadag. „Irgendwann haben wir rumgeblödelt: Wir müssen einen Laden mit diesen Süßigkeiten in Deutschland aufmachen.“ Es blieb zunächst eine Idee aus der Laune hinaus – „vielleicht war es auch eine Zuckerüberdosis.“ Zurück in Deutschland verbrachten die drei Freunde einen Filmabend. „Sahin kam mit einem Karton Reeses White Cups an“, erinnert sich Karadag und lacht. „Der war verdammt teuer. Ich hatte so einen Heißhunger darauf, musste sie aber in den USA bestellen und habe 35 Euro Versand bezahlt, insgesamt habe ich 75 Euro für diesen Karton ausgegeben.“ Da kam die Idee zum zweiten Mal auf, einen Laden mit internationalen Süßigkeiten zu eröffnen: mit scharfen Limettenchips aus Mexiko, Erdnussbutter-Schokolade aus den USA, blauer Pepsi aus Indonesien und Pokemon-Kekse aus China. All das bestellten die drei und wagten es: Sie eröffneten ihren Laden in Braunschweig, die nächste große Stadt von ihrer Heimat Salzgitter aus. Vom Fitness- zum Süßigkeitenladen: Dort betrieben sie vorher einen Laden für Fitness-Supplements. „Erst haben wir die Menschen schlank gemacht, jetzt machen wir sie fett“, sagt Gülsahin und lacht. Selber essen die drei mittlerweile kaum noch Süßigkeiten. „Wir haben uns wirklich überfressen. Wir mussten ja am Anfang alles probieren, was wir verkauft haben, um gut beraten zu können.“ Resultat: Sie legten haufenweise Kilos zu. Tahir Gülsahin und Deniz Karadag kennen sich aus fitteren Zeiten: Karadag war Gülsahins Fußballtrainer. Heute sind beide Jugendtrainer – und Schichtarbeiter. Gülsahin arbeitet als Elektroniker bei VW, Karadag als Industriemechaniker bei der Salzgitter AG. Trotz „House of Sweets“ wollen sie ihre Hauptjobs nicht aufgeben. „Wir wollen uns nicht zu früh freuen und noch nicht die Sicherheit eines festen Jobs verlieren.“ Nur Sahin Gülsahin, der studierte Betriebswirt, kümmert sich ausschließlich um das Geschäft. Sein Metier ist der Onlineshop. Karadag kümmert sich um die Koordination beider Läden, Tahir Gülsahin ist der „Finanzminister“ unter den dreien. „Wenn ich etwas bestellen will, muss ich es bei ihm beantragen“, sagt er und lacht. „Wir zoffen uns manchmal so richtig! Aber wir haben eine Grundregel: Sobald wir den Laden verlassen, sind wir wieder private Freunde.“ Private Freunde, die sich auf private Höhepunkte freuen: Tahir Gülsahin wird heiraten, Sahin Gülsahin und Deniz Karadag werden mit wenigen Wochen Abstand erstmals Vater. Ein Junge und ein Mädchen sind unterwegs. „Unsere zukünftigen Geschäftsführer“, sagt Gülsahin und lacht. „Wir träumen von einer Franchise-Kette, wir brauchen also Nachwuchs.“ Lesen Sie auch Desens-Matuschack verkauft ihre Törtchen bei Galeria Kaufhof Hannover Neustart in Hannover: Das hat Bäcker Jochen Gaues vor Von Josina Kelz