Wild, Schwein, Geflügel: App vermittelt in Hannover regionales Fleisch zu fairen Preisen

Milch, Eier, Brot, Rind, Schwein, Reh, Hirsch und mehr: Im Internet startet gerade eine Einkaufsplattform mit Lieferservice namens „R50“ für land- und forstwirtschaftliche Produkte aus der Region. Das Besondere: Geschlachtet oder geschossen wird erst, wenn das Tier verkauft ist. „Uns geht es darum, eine Plattform für Produkte aus dem Umkreis von maximal 50 Kilometer um Hannover zu schaffen – daher der Name R50“, sagt Alexander Appel (27), Leiter des Projekts, das an der Leibniz Universität angesiedelt ist. Null Verschwendung: Über die zugehörige Internetseite „ r50-regionalladen.de “ können die Partnerlandwirte von R50 ihre Produkte nach dem Prinzip des „Crowdfarming“ und „Crowdbutching“ anbieten, „einer Art Vorbestellsystem, bei der Lebensmittelverschwendung auf de facto Null reduziert wird, erklärt Appel. Das bedeutet: Erst müssen entsprechend viele Menschen Fleischpakte bestellen – wenn die Marke von 100 Prozent erreicht ist, wird das Tier geschlachtet, portioniert und geliefert. Zusätzlich sollen „Alltagsprodukte nach dem traditionellen Milchkannenprinzip“ in die Innenstadt gebracht werden. Heißt: Es soll eine Art Abonnement geben für Eier, Milch, Brot und ähnliche Produkte, die man wöchentlich einkauft – nur dass sie eben vom R50-Team geliefert werden. Wahre Preise: Ziel sei es, „die Schätze der Region für die Hannoveraner transparent und erlebbar zu machen“ und dabei Landwirte in der Region „zu unterstützen, wahre Preise durchzusetzen und durch kurze Transportwege einen Beitrag zu einer klimapositiven Landwirtschaft der Zukunft zu leisten“, erklärt der studierte Wirtschaftswissenschaftler. „Wir wissen ja gar nicht, was es alles in der Region im Umkreis von 50 Kilometern gibt.“ Das Preisniveau soll in etwa „auf Marktniveau“ sein – mit dem Supermarkt dürfe man das nicht vergleichen. „Der Landwirt bestimmt den Preis – und wir versuchen, den den Kunden schmackhaft zu machen“, sagt Appel und verweist darauf, dass hier auch Effekte auf die Umwelt (etwa die Klimaschädigung) eingepreist sein sollen, anders als bei den Industrieprodukten. Weihnachtsgeschäft: Gerade ist das Pilotprojekt gemeinsam mit den Niedersächsischen Landesforsten gestartet, bei dem Wildpakete von Rehen aus den Wäldern um Hannover angeboten werden. Für das Weihnachtsgeschäft soll es dort auch Karpfen, Gänse, Flugenten und Wildschwein geben. Da unsicher ist, ob die Sache funktioniert, ist das mit dem Schlachten und Schießen für den ersten Test schon erlegt – in Zukunft heißt es dann aber: Erst wird verkauft, dann geschossen oder geschlachtet. Adoption möglich: Das Konzept soll für die Hannoveraner transparent gemacht werden „und einen wirklichen Impact für unsere Region und unsere Umwelt schaffen“ – also tatsächlich Wirkung erzielen. Zudem kann es dazu dienen, dass Neues probiert und angeboten wird: So überlege eine Landwirtin, ob sie Puten züchten soll. Da könnte das Adoptionsmodell helfen: Kunden übernehmen quasi eine Patenschaft und sichern sich so ihren Anteil – und die Landwirtin weiß, dass sie nicht auf ihren Tieren sitzen bleiben wird. Weltverbesserer: Entstanden ist das Konzept für R50 unter dem Dach des an der Leibniz Universität angesiedelten Enactus-Projekts, wo sich Studierende laut Appel treffen, „um sozialunternehmerische Geschäftsmodelle zu entwickeln und aufzubauen“. Derzeit seien es allein in Hannover (das Enactus-Projekt gibt es weltweit an vielen Hochschulen) „über 100 Studierende, die sich engagieren, um die Welt ein klein bisschen besser zu machen“. Für R50 seien derzeit fünf Studierende und zwei Ehemalige tätig – zur Zeit noch ehrenamtlich: Funktioniert die Sache, wird ein Unternehmen gegründet. Das jüngst vorgestellte Projekt „ Eco:fibr “ zur Lösung der massiven Probleme des Ananas-Anbaus entstammt auch dem Enactus-Projekt Hannover. Lesen Sie auch: Bonpflicht Hannover: App "epap" kann jetzt echte digitale Bons Erfindung aus Hannover: Studenten lösen Ananas-Problem: Zellstoff für Papier Internetkriminalität: Handwerkskammer Hannover wird erpresst Von Ralph Hübner