Dass Hannover an vielen Stellen für Radfahrer ein gefährliches Pflaster ist, werden viele ahnen. Wer sich täglich mit dem Rad durch die Stadt bewegt, wird immer wieder brenzlige Situationen erleben. Nun verschaffen Daten des Statistischen Bundesamtes einen genaueren Überblick über kritische Punkte. Obwohl nur Unfälle gelistet sind, bei denen es Verletzte gab, lassen sich für den Radverkehr eine Reihe gefährlicher Orte identifizieren.
Allein auf dem Engelbosteler Damm gab es vergangenes Jahr 16 Unfälle mit Radfahrern. Im Bereich Limmerstraße mit Küchengarten, sowie rund um die Kreuzung Friederikenplatz waren es jeweils 13 Unfälle. Die Hildesheimer Straße ist vor allem zwischen der Bregenzer Straße und der Bernwardstraße gefährlich. In diesem Abschnitt, der auch die große Kreuzung am Südschnellweg umfasst, gab es zwölf Rad-Unfälle. Im Bereich Königsworther Platz waren es zehn, ebenso viele passierten rund um das Operndreieck. Die Polizeidirektion will nicht von Unfallschwerpunkten reden, lediglich von Punkten mit Unfallhäufung. Diese sehen die Ermittler im gesamten City-Ring an großen Kreuzungen sowie im Bereich Linden-Nord.
Zahl der Unfälle ist 2018 deutlich gestiegen
Eberhard Röhrig-van der Meer, Sprecher des Radfahrerclubs ADFC in der Region, ist froh, dass es die Daten nun so detailliert aufbereitet und für alle einsehbar gibt. „Nun kann jeder hinschauen und sich damit auseinandersetzen. Das schafft Transparenz“, lobt er. Dass es an bestimmten Stellen immer wieder kracht, wundert den Sprecher nicht. Die Unfallgefahr nehme allein dadurch zu, „dass immer mehr Radfahrer unterwegs sind. Dadurch steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einen Unfall verwickelt werden“, sagt er. In diesem Jahr ist die Zahl der Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern deutlich gestiegen. Laut Polizei um bislang 20 Prozent. Mit Stichtag 31. August zählte die Behörde 1710 Radfahr-Unfälle. Im gleichen Zeitraum 2017 waren es 1403, 2016 sogar nur 1288. Im gesamten Vorjahr starben acht Radfahrer, dieses Jahr sind es bislang fünf Getötete. Den Hauptgrund für die gestiegenen Unfallzahl sieht die Polizei im wachsenden Fahrradverkehr, der in diesem Jahr durch den langen Sommer einen besonderen Schub erlebte.
An vielen Stellen fehle es in Hannover aber auch „an breiten, klar erkennbaren und sicheren Anlagen für den Radverkehr“, sagt Röhrig-van der Meer. Dem widerspricht Heiko Johannsen, Leiter der MHH-Unfallforschung: „Alles in allem ist die Situation für Radfahrer gut. Die Anzahl der Fahrradstraßen in der Stadt ist sensationell, ebenso die geteerten Wege durch die Eilenriede. Die Mehrzahl der Radwege ist breit, nur einige wenige sind schmal und in einem schlechten Zustand.“ Der Experte betont aber: „Das heißt nicht, dass sich die Stadt auf dem Status quo ausruhen sollte.“ Verzweifeln lässt den Unfallforscher hingegen die Sturheit einiger Fahrradfahrer: „Viele beharren auf ihrem Recht, bringen sich dadurch selber in brenzlige Situationen.“
„Viele beharren auf ihrem Recht“
Johannsen wünscht sich mehr Aufklärungskampagnen, auch um auf die Gefahr von abbiegenden Lkw aufmerksam zu machen. „Aufnahmen von Dashcams zeigen uns immer öfter, dass den Radfahrern gar nicht bewusst zu sein scheint, in welche Gefahrenzone sie sich selber bringen. Lieber etwas länger warten, den Blickkontakt suchen, bevor man auf dem Rad losfährt“, rät der MHH-Mann. An Abbiegeampeln kann er sich außerdem Ansätze, wie es sie bereits in Frankreich gibt, vorstellen. „Dort ist es Radfahrern erlaubt, bei Rot abzubiegen. Die Erfahrungen dort sind gut. Und Radfahrer sind generell geneigt, rote Ampel zu missachten“, sagt er.
Für besonders gefährlich hält Röhrig-van der Meer, wie auch die Polizei, den Cityring mit seinen großen Kreuzungen. Einen schnellen Umbau wünscht sich der ADFC-Mann auch an der Ecke Celler Straße/Herschelstraße. „Der freie Rechtsabbieger dort ist ein Sicherheitsrisiko“, sagt er. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen das. An dieser Stelle gab es 2017 fünf Unfälle mit Verletzten, an denen Radfahrer beteiligt waren. Für den Unfallschwerpunkt Engelbosteler Damm kann sich Röhrig van der Meer eine Fahrradstraße mit Tempo 30 vorstellen. „Dort wird viel zu schnell gefahren, obwohl es dort viele Läden und viel Gastronomie gibt“, kritisiert er. Allerdings will der ADFC-Sprecher den Blick nicht nur auf die im Unfallatlas verzeichneten Vorfälle richten. „Die vielen Beinahe-Unfälle kommen dort gar nicht vor. Das sagt also wenig darüber aus, wo sich Radfahrer sicher fühlen und wo nicht“.
Von Britta Lüers und C. Bohnenkamp