Wasserkunst Herrenhäuser Gärten: So sieht es im sanierten Gebäudes aus

Mit ein paar Drehungen an dem historischen Kurbelbock öffnet Klaus-Peter Piephoe die Schott. Leinewasser strömt herein und bring das große Schaufelrad in Gang. Es wird laut im Gebäude der Wasserkunst an den Herrenhäuser Gärten, es rauscht, platscht und spritzt. Und vor allem: Es läuft. Klaus-Peter Piephoe sieht zufrieden aus. Jahrhunderte alte Technik, die begeistert. Wieder begeistert, um genau zu sein. „Das ist noch nicht so lange her, da herrschte hier Einsturzgefahr“, ruft der 59-Jährige gegen das Rauschen. Er selbst arbeitet seit 35 Jahren in der Wasserversorgung der Herrenhäuser Gärten. Dass er noch erleben wird, dass hier alles wieder tipptopp hergestellt wird, hat er in seiner Anfangszeit nicht geglaubt. Doch jetzt steht die Sanierung des historischen Gebäudes kurz vor dem Abschluss. Nächstes Frühjahr sollen nicht nur Wassermassen, sondern auch Menschen ins Gebäude strömen, die historischen Maschinen bewundern und dank Museumsführern, Info-Tafeln und Filmen im Innern auch verstehen. Seit 2012 wurde daran gearbeitet, sechs Millionen Euro in das verfallene Gebäude und vor allem die die Restaurierung der alten, historischen Technik gesteckt. 1720 knackt die Wasserkunst den Weltrekord: Die Wasserkunst von 1720 dient bis heute der Regulierung des Wasserspiegels der den Großen Garten umgebenden Graft. Bis 2007 konnte sie in voller Funktion besichtigt werden, dann wurde sie aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Die Maschinen wurden entworfen und gebaut, um die Große Fontäne zu betreiben. Mit ihr brach der Kurfürst Georg Ludwig – zugleich König Georg I. von Großbritannien – 1720 den Weltrekord. Die Fontäne erreichte 35 Meter und ließ die Wasserspiele von Versailles mit seinen 27 Höhenmetern alt aussehen. Passend zur Neueröffnung feiert die Wasserkunst als auch die Große Fontäne 2020 ihr 300-jähriges Jubiläum. Sie wird allerdings seit 1956 nicht mehr von der Wasserkunst betrieben, sondern von einem eigenständigen Pumpwerk. Sie erreicht heute eine Höhe von bis zu 72 Meter. In der Zeit dazwischen wurde immer wieder an der Wasserkunst – ursprünglich mit fünf Wasserräder, 40 Pumpen mit spezieller Kehrschlosstechnik – gewerkelt und gefeilt. Den wohl größten Wandel erlebte sie aber leider mit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Der Gebäudeteil aus Holz im Bereich Wehranlage brannte komplett nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. In jüngerer Zeit nahm man in den 1970ern eine Komplettsanierung des Gebäudes vor. Videoüberwachung gegen Graffiti: Damals erhielt das Gebäude seine weiße Fassade, mit der es viele Hannoveraner heute noch kennen (inklusive permanenter Graffiti-Schmierereien). Während der Sanierung hat man die Fassade wieder in ihren ursprünglichen Ton versetzt, den Putz fast komplett vom roten Backstein entfernt. „Das war ein Riesen-Aufwand“, sagt Ronald Clark, Direktor der Herrenhäuser Gärten. Eine auf mittelalterliches Mauerwerk spezialisierte Firma aus Süddeutschland hatte man eigens engagiert. Damit keine weiteren Graffitis das Bild verschandeln, wird die Fassade rund um die Uhr mit Kameras und Infrarot-Technik überwacht, so Clark. Ein noch riesigerer Aufwand war es aber, das Fundament und die zwei 8,47 Meter großen Wasserräder zu erneuern. „Die Räder wurden an Stahlträgern aufgehängt, dann in ihre Einzelteile zerlegt, morsches Holz ersetzt, die 140 Jahre alten Schrauben entrostet und hinterher alles wieder genau zusammengesetzt“, so der Gartendirektor weiter. „Eine Unmenge an Hölzern und Speichen, fein durchdacht ineinandergefügt.“ Die historische Technik habe alle Beteiligten immer wieder fasziniert. Steingebäude ruhte auf marodem Holzfundament: Bis auf den Grund des Gebäudes musste man. Das erstaunliche: Das Steinfundament des Gebäudes ruhte auf einem Fachwerk aus Holz im feuchten Kies. Die enormen Balken waren im Laufe der Zeit marode geworden. „Alles haben wir mühsam saniert“, so Clark. Die Sanierungschronik allein füllt schon ein Buch – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Zur Eröffnung der Herrenhäuser Wasserkunst im Frühjahr (ein genauer Termin ist noch nicht klar) soll auch ein Bildband über die Arbeiten erscheinen. „Die Sanierung bestand aus so vielen interessanten Details“, so Clark. In den nächsten Monaten will man noch den Zugang über die benachbarte Wehr-Insel ausbauen, um auch einen barrierefreien Eingang zu schaffen. „Und wir suchen interessierte, die Führungen durchs Haus übernehmen. Anfragen von pensionierten Ingenieuren haben wir schon“, so der Direktor. Zu sehen ist dann ab und an auch Klaus-Peter Piephoe am Kurbelbock. Wenn er die Schotten öffnet, müssen die Besucher jedoch Abstand halten. Nicht nur wegen der Sicherheit – unterstützt von elektrischen Pumpen transportieren die achteinhalb Meter hohen Räder 400.000 Liter Wasser in der Stunde und leisten bis zu 186 PS. „Wenn die Schotten komplett offen sind, bleibt vor den Rädern auch keiner trocken“, sagt er schmunzelnd. Lesen Sie auch: Herrenhäuser Gärten: 300 Jahre Fontäne – und Hannover hatte die höchste Brückenarbeiten an der Wasserkunst in Herrenhausen Von Simon Polreich