Verschwundene Maddie: Polizei setzt Suche in Kleingarten bei Hannover fort

Die Spurensuche im Fall Maddie auf dem Gartengrundstück in Letter (Seelze) ging am Mittwoch weiter – unter lebhafter Beobachtung der internationalen Presse. Erst am Abend gegen 19 Uhr wurde die Suche beendet. Was dazu geführt hat, dass die Polizei bezüglich ihrer Öffentlichkeitsarbeit weiter dicht gemacht hat. Sogar die zuvor im Sichtschutzzaun befindlichen Spalten wurden zugeklebt, dann am Abend abgebaut. Zahlreiche Polizeifahrzeuge stehen auf dem schmalen Weg entlang der B 441. Nur mit Mühe kommen die Fußgänger und Radfahrer die von Letter nach Ahlem wollen oder in der Gegenrichtung unterwegs sind, an den Einsatzwagen vorbei. Ein etwas älterer Radfahrer steigt ab und schüttelt den Kopf. „Man kommt hier ja gar nicht mehr durch“, schimpft er. Einen derartigen Auflauf an Polizeikräften und Medienleuten hatte es in dem Ort im Nordwesten Hannovers schon lange nicht gegeben. Ein Nachbar des durchsuchten Grundstücks ist mittlerweile etwas genervt. Andauernd klingeln Journalisten an seiner Pforte. Dabei weiß er doch gar nichts. „Das ist schon so lange her“, sagt er. „Das da drüben ist ohnehin eine andere Welt.“ Die ist zwar nur durch ein weiteres Grundstück und einen von der Polizei derzeit gesperrten Weg von seinem Anwesen getrennt, aber dennoch offenbar weit entfernt von seiner Lebenswelt. Suchen die Beamten nach Maddies Leiche? Auf dem Grundstück selbst laufen die Arbeiten derweil auf Hochtouren. Die zuvor vorhandene Terrasse und der Keller wurden offenbar komplett eingerissen. Die Beamten zerkleinern mit einer großen Motorflex einzelne Metallteile. Inzwischen haben die Fahnder zwei Zelte auf dem Gelände aufgebaut. Sie suchen fieberhaft – doch wonach ist unklar. Vermuten sie dort die Leiche der seit 2007 vermissten Maddie McCann? An der Aktion ist neben der Polizei aus Hannover und Braunschweig weiter auch das Bundeskriminalamt (BKA) beteiligt. Der Hauptverdächtige Christian B. (43) könnte damals diesen Garten genutzt haben. Zumindest soll dort ein Mann gesehen worden sein, auf den die Beschreibung B.s passt, der zwei Hunde und einen Campingwagen besaß. B. hatte in den folgenden Jahren bis 2011 seinen Lebensmittelpunkt in Hannover-Linden, nicht allzu weit vom Rand Letters entfernt, wo sich der Garten befindet. „Die werden schon irgendwas finden“, ist eine junge Schülerin, die mit einigen Freundinnen unterwegs nach Ahlem ist, sicher. „Vielleicht Maddies Leiche.“ Das Geschehen auf dem abgelegenen Gartengrundstück am Rande des Mittellandkanals ist Tagesgespräch in Letter. Doch das tatsächlich eine Leiche dort liegen könnte, ist hochgradig ungewiss. Die Polizisten, Beamte des Bundeskriminalamtes, schweigen sich aus. Viele der Journalisten, die sich rund um das Gelände die Beine in den Bauch stehen, glauben jedenfalls nicht daran. „Wenn man eine Leiche verschwinden lassen wollte, bräuchte man sie doch nur in den Kanal werfen“, meint einer. Internationale Presse anwesend: Reporter aus der ganzen Welt sind in den kleinen Vorort von Hannover ausgerückt. Sogar aus Australien sind Berichterstatter angereist, aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden und England. Das TV-Team von Sky Channel hat einen hannoverschen Journalisten als Übersetzer engagiert. Aus mitgebrachten Taschen versorgen sie sich mit belegten Bäckerbrötchen. Natürlich sind auch die deutschen Agenturen und TV-Sender vor Ort. Alle warten darauf, dass etwas passiert, dass etwas gefunden wird. Das internationale Medieninteresse an der Suche in Letter ist kein Wunder, da der Fall des verschwundenen britischen Kindes seit damals immer wieder für Schlagzeilen sorgte – auch, weil zunächst die Eltern in Verdacht geraten waren. Da Informationen fehlen, wird spekuliert. Wie kommen die Fahnder ausgerechnet auf dieses Grundstück? Hat es einen Hinweisgeber gegeben? Möglicherweise derselbe Zeuge, der Christian B. bereits einmal belastet hat? Was suchen sie dort? Eine Leiche oder weiteres belastendes Material? Einige Journalisten sind frustriert, „weil man ja gar nichts in Erfahrung bringen kann“, sagt einer. Angeblich sei ein Gyrocopter von der Flugsicherung am Überfliegen des Grundstücks gehindert worden. Dort sei eine Flugverbotszone eingerichtet worden. Schon am Dienstag, so wird gemunkelt, hätten die Beamten eine Drohne beschlagnahmt. Der Pächter der unmittelbar angrenzenden Nachbarparzelle hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt, dass das Gartengrundstück zuletzt unbenutzt gewesen sei. Es befand sich kein Gartenhaus mehr darauf, auf dem Gelände wuchsen Brombeerbüsche und ein Kirschbaum. Vor Start der Grabungsarbeiten hatte die Polizei den Baum fällen und Buschwerk entfernen lassen. In den zwei Jahren, in denen er seine Parzelle nutze, habe er auf dem Nachbargrundstück niemanden gesehen, so der Pächter. Christian B. der Hauptverdächtige im Fall Maddie: Der mehrfach einschlägig vorbestrafte B. gilt seit Anfang Juni als Hauptverdächtiger im Fall Maddie. Er soll am 3. Mai 2007 mit seinem Handy im portugiesischen Praia da Luz telefoniert haben. An dem Ort, an dem Maddie aus einer Ferienanlage verschwand. Dort soll er auch 2005 eine 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt haben, weswegen in das Landgericht Braunschweig zu sieben Jahren Haft verurteilt hat. B. bestreitet diese Tat und hat Berufung eingelegt. Sein Strafregister umfasst 17 Einträge. Erstmals war er 1994 wegen Kindesmissbrauchs zu einer zweijährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Aktuell verbüßt er in Kiel eine Haftstrafe wegen Drogenhandels. Das Bundeskriminalamt und die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig geben weiterhin keine Auskünfte, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Julia Meyer, schloss sogar aus, dass Details noch in dieser Woche bekannt gegeben würden. Maddie verschwand in der Nacht des 3. Mai 2007 kurz vor ihrem vierten Geburtstag aus einer Ferienanlage in Portugal. Seitdem ist sie verschwunden. Deutsche Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen, das heute 17 Jahre alt wäre, tot ist. Für die britische Polizei gilt sie noch immer als vermisst. September 2007: Die Eltern gelten zu diesem Zeitpunkt als Verdächtige. Medien berichten, die Polizei gehe von einem Unglücksfall aus – die Eltern hätten die Leiche verschwinden lassen. Juli 2008: Die portugiesische Polizei stellt die Ermittlungen ohne Ergebnis ein. Für ein Verbrechen gebe es keine Beweise. Januar 2009: Ein Team ehemaliger Fahnder von Scotland Yard hat sich nach britischen Medienberichten im Auftrag der Eltern auf die Suche nach Madeleine gemacht. Ein Geschäftsmann finanziere die Aktion. Mai 2009: Die Eltern flehen mögliche Entführer erneut an, ihre Tochter freizulassen. Sie nutzen dazu ein Gespräch mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey, das Millionen Zuschauer sehen. März 2011: Madeleines Eltern protestieren vergeblich gegen den Verkauf eines Buches, das der portugiesische Ex-Chefermittler über den Fall geschrieben hat. Er vertritt die These, das Kind sei bereits im Hotel der Familie gestorben und nicht entführt worden. Mai 2011: Die Mutter Kate McCann, veröffentlicht ein Buch mit ihrer Version der Geschichte. Die Ermittlungsakten würden erneut überprüft, kündigt der damalige britische Premierminister David Cameron an. April 2012: Laut britischer Polizei ist Maddie möglicherweise noch am Leben. Es gebe Anhaltspunkte für Ermittlungslücken. Oktober 2013: Die portugiesischen Behörden nehmen wegen neuer Indizien die Ermittlungen wieder auf. Juni 2014: Eine neue Suche nach Spuren des verschwundenen Mädchens in der Nähe der portugiesischen Ferienanlage bringt keine Hinweise. April 2017: Die britische Polizei hat die Hoffnung auf eine Lösung des Falls nicht aufgegeben. Vier Beamte seien weiter damit befasst, teilt Scotland Yard mit. März 2018: Das britische Innenministerium bewilligt weiteres Geld für die Ermittlungen. 3. Juni 2020: Der Fall Maddie ist – wie schon früher – Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“. Ein 43-jähriger Deutscher stehe unter Mordverdacht, teilt das Bundeskriminalamt mit. Lesen Sie auch Fall „Maddie“ und Hannover: Polizei durchsucht Kleingarten in Letter Christian B. – verstrickter als gedacht im Mordfall Rose Von Andreas Krasselt/dpa