Radweg-Ausbau im Schneckentempo? Niedersachsen verspricht Besserung

Der Bund sieht sich nicht in der Pflicht einen Radweg entlang des Südschnellwegs zu bauen, den sich die Stadt Hannover und auch die Politik wünschen. Aus Sicht der Grünen kein Einzelfall. Sie sehen ein grundsätzliches Problem in ganz Niedersachsen. „Fahrradverkehr hat für Andreas Scheuer einfach keine Priorität“, kritisiert der hannoversche Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler den Bundesverkehrsminister. Das Radverkehrsnetz in Niedersachsen sei „löchrig wie ein Schweizer Käse“. Der Bund habe in den letzten Jahren „deutlich zu wenig“ darin investiert. Kindler weiß das auch mit Zahlen zu belegen. Die Grünen hatten beim Bundesverkehrsministerium kürzlich eine umfassende Anfrage zum Fortschritt des Ausbaus der Radverkehrsinfrastruktur gestellt. Aus der Antwort von Scheuers Behörde geht hervor, dass in den Jahren 2017 bis 2020 in Niedersachsen nur 35 Kilometer Radwege an Bundesstraßen neu gebaut wurden. Das sind im Schnitt gerade einmal 8,7 Kilometer. 2020 waren es mit 4,7 Kilometern zuletzt sogar besonders wenig. An 1650 Kilometern Bundesstraße gibt es in Niedersachsen noch gar keinen Radweg. Das ist mehr als ein Drittel. Fast 100 Millionen Fördermittel für Radschnellwege ungenutzt: Der Radwegausbau „im Schneckentempo“ liegt aus Sicht von Kindler nicht nur an zu wenig Geld, das zur Verfügung steht. Scheuer habe vor allem für „keinerlei Planungsbeschleunigung beim Radwegebau gesorgt“. Bis heute sei es „genauso aufwendig eine Landesstraße zu planen wie einen Radweg. Das ist doch Wahnsinn“, ärgert sich der grüne Abgeordnete. Ein Problem, das sich zum Beispiel beim Bau der neuen Radschnellwege zeigt. Schon im Herbst 2020 lagen 75 Millionen Euro, die dafür vorgesehen waren, ungenutzt beim Bund herum. Bis Ende 2020 war diese Summe laut der aktuellen Auskunft des Bundesverkehrsministeriums schon auf 98 Millionen Euro angewachsen. Für Niedersachsen fordert Kindler „ein ambitioniertes Lückenschlussprogramm für sein Radwegenetz. Bis 2030 müssen an 75 Prozent der Bundesstraßen in Niedersachsen sichere Radwege gebaut sein“. Zudem müsse mehr Geld in den Erhalt fließen. Zuletzt habe das Land pro Jahr nur im Schnitt rund zehn Millionen Euro für die Sanierung von Radwegen entlang der Bundesstraßen ausgegeben. 300 Millionen Euro für den Radverkehr in Niedersachsen: Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) hat kürzlich allerdings Besserung in Aussicht gestellt. Er hat angekündigt, dass Bund und Land zusammen rund 300 Millionen Euro in den Radverkehr investieren wollten. Althusmann will damit den Radverkehrsanteil im Land bis 2025 von derzeit 15 auf 20 Prozent steigern. „Fahrräder sind längst keine Randerscheinung im Alltagsverkehr mehr, sondern Ausdruck klimafreundlicher und individueller Mobilität, auf die zunehmend mehr Menschen zurückgreifen“, erklärte er. Lesen Sie auch Stau bei Radschnellwegen: 75 Millionen Euro liegen ungenutzt herum Hannovers Südschnellweg: Niemand will Radweg bezahlen – kommt die Klage? Radverkehr: Hannover hofft auf Geldsegen vom Bund Zwar sei Niedersachsen im Radverkehr bereits gut aufgestellt und im Vergleich zu den anderen Flächenländern würden in Niedersachsen prozentual am meisten Wege mit dem Rad zurückgelegt, sagte Althusmann. Und beim Anteil von Radwegen entlang von Bundes- und Landstraßen liege Niedersachsen hinter Schleswig-Holstein an zweiter Stelle. Beispiele aus Ländern wie den Niederlanden und auch Dänemark zeigten aber, dass es gerade im Alltagsradverkehr noch viele Potenziale und damit viel zu tun gebe. Hannover will Südschnellweg-Radweg mit Hilfe vom Land bauen: Dazu will das Ministerium die Kommunen beim Ausbau des Radwegenetzes stärker fördern. Vorgesehen ist eine einheitlich Förderung mit bis zu 75 Prozent der Baukosten, bislang lag die Unterstützung je nach Steueraufkommen der Kommune zwischen bis zu 60 und bis zu 75 Prozent. Profitieren davon soll auch der Bau breiterer und somit komfortablerer Radwege, da deren Förderung künftig abhängig von der prognostizierten Nutzung sein soll. Hannover spekuliert bereits auf Gelder seitens des Landes Niedersachsen. Weil der Bund den Bau des Radwegs entlang des Südschnellwegs nicht übernehmen will, möchte die Stadt das jetzt selbst übernehmen – mithilfe üppiger Fördermittel seitens des Landes. Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hat deshalb schon einen Brief an Althusmann mit der Bitte um Unterstützung geschrieben. Von C. Bohnenkamp