Obdachloser Jim hat seine letzte Ruhe in Israel gefunden

Als er von den starken Schneefällen in Hannover gehört hat, musste David an seinen Vater denken: Jim Holm, den Obdachlosen aus der List, der am 24. Januar im Alter von 57 Jahren verstorben war. „Zumindest dieser Wintereinbruch ist meinem Vater erspart geblieben“, überlegt David, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, am Telefon. Er möchte wissen, welche Hilfsangebote es für Wohnungslose gibt. Und freut sich, als er von den Anlaufstellen unter anderem in der Marktkirche, der Volkshochschule, der Caritas oder auch vom Kältebus erfährt. Jim Holm war um das Jahr 2010 herum nach Hannover gezogen und hatte seither auf der Straße gelebt. Ursprünglich stammte er aus einer gut situierten israelischen Familie. Ungefähr im Alter von 20 Jahren war er nach Norwegen gezogen, hatte dort an der Universität von Tromsø die Doktorwürde in Informatik erlangt. Er hatte sich mit Freunden selbstständig gemacht, gemeinsam wollten sie Entwickler-Geschichte schreiben. So wie ihre Vorbilder Bill Gates oder Steve Jobs. Sie scheiterten jedoch, was Jim sehr schwer mitgenommen habe. Zusätzlich plagten ihn psychische Probleme, mehrere Behandlungsversuche scheiterten. Unter anderem litt er an einer Klaustrophobie, die ihn wohl auf die Straße trieb, wo er unbeengt lebte, sich frei fühlen konnte. Inzwischen ist Jim beigesetzt. „Die Familie hat ihn heimgeholt nach Israel“, erzählt David. „Das war gar nicht so leicht, Ihr Deutschen liebt wirklich euren Papierkram“, sagt er und lacht. Als nächster Verwandter kümmerte sich der Sohn um alles. „Mein Vater ist nach arabischem Ritus beigesetzt worden.“ Er war ein palästinensischer Israeli. Drei Tage lang sei er im Haus seiner Eltern in der Nähe der Westküstenmetropole Haifa aufgebahrt worden. „Er lag in einem offenen Sarg. So konnten sich alle, die ihn kannten von ihm verabschieden. Na ja“, schränkt er ein, „nicht alle, wegen Covid waren nur die nächsten Verwandten und Bekannten da. Etwa 550 Personen.“ Ohne Corona hätten 2000 Menschen in Israel Jim verabschiedet: So viele? „Das sind gar nicht so viele“, entgegnet David und lacht wieder. „Die Familie meines Vaters ist in der Region wirklich sehr bekannt. Und bei arabischen Trauerfeiern ist es so, dass einfach jeder kommt, um zu kondolieren. Nahe Verwandte, entferntere Verwandte, gute Bekannte und Menschen, die einen kennen, der einen kennt, der den Verstorbenen kannte. Sie alle wollen sein Andenken ehren, den Angehörigen ihr Beileid aussprechen, es wird viel geherzt und geküsst.“ David schätzt, wenn es Covid nicht gegeben hätte, dann hätten sich sicherlich um die 2000 Menschen von seinem Vater verabschieden wollen. Der Sohn selbst war nicht dabei. „Und das macht mich natürlich traurig“, räumt er ein. „Aber Covid machte das unmöglich. Dafür habe ich mich in Hannover von meinem Vater verabschieden können.“ In der Gerichtsmedizin habe er ihn noch ein letztes Mal gesehen, die Obduktion hatte ergeben, dass Jim Holm eines natürlichen Todes gestorben war. Sohn David war in der Woche nach dem Tod aus dem norwegischen Stavanger für vier Tage mit seiner Frau angereist, wollte die Plätze aufsuchen, an denen sein Vater zuletzt gelebt hatte. Den Hauptbahnhof, die Marienstraße, das Königinnendenkmal an der Eilenriede, die Bödekerstraße und eben den Lister Platz. All das habe ihm beim Abschiednehmen geholfen, genauso, wie den Vater noch einmal zu sehen. „In der Gerichtsmedizin haben sie einen Abschiedsraum für die Angehörigen, der wirklich sehr nett zurechtgemacht ist“, erzählt er. „Mein Vater sah sehr friedlich aus, es war gut, ihn so in Erinnerung behalten zu können. Und es tut auch gut zu wissen, dass er jetzt zu Hause bei der Familie seine letzte Ruhe gefunden hat. Das ist ein versöhnliches Ende, finde ich.“ Lesen Sie auch Hannover: Markusgemeinde gedenkt Obdachlosem Jim in Gottesdienst Sohn des toten Obdachlosen in Hannover erzählt, wer sein Vater Jim war Der tote Obdachlose von der Bödekerstraße: Warum ließ Jim sich nicht helfen? Tod eines Obdachlosen: So nimmt Hannover Anteil Von Verena Koll