OVG kippt die Ausgangssperre in der Region Hannover

Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg hat die Ausgangssperre der Region Hannover als rechtswidrig eingestuft. Damit ist der erhebliche Grundrechtseingriff ab sofort vom Tisch, wie Regionssprecherin Christina Kreutz am Dienstagabend erklärte. Seit dem 1. April durften die 1,1 Millionen Einwohner in der Region Hannover zwischen 22 und 5 Uhr nicht mehr Haus oder Wohnung verlassen. Grund für die Verfügung war die hohe Inzidenz von mehr als 100 (Zahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen). Laut OVG-Sprecher Heiko Leitsch hat der 13. Senat deutliche Worte zu der Verfügung der Region Hannover gefunden. „Die Richter haben die eingeschränkte Geeignetheit der Maßnahme bemängelt“, erklärt er. Denn wie soll eine Infektionsgefahr bestehen, wenn Alleinlebende oder Personen aus einem Hausstand abends spazieren gehen? Dann habe die Region nicht ausreichend erklärt, inwieweit überhaupt regelwidrige nächtliche Vorkommnisse vorliegen. Diffuse Erklärungen reichten in dieser Hinsicht nach einem Jahr Pandemie nicht aus. „Man kann nicht eine ganze Bevölkerung solch einer massiven Beschränkung unterwerfen, nur weil Einzelne sich nicht an die Kontaktverbote halten“, so Leitsch. Insofern sei der Grundrechtseingriff nicht verhältnismäßig. Bereits andere Gerichte urteilten ähnlich: Das OVG Niedersachsen ist nicht das erste Gericht, dass die Grundrechte über den Infektionsschutz stellt. Der Verwaltungsgerichtshof (VGR) in Mannheim hatte die Ausgangssperre für Baden-Württemberg 11. Februar 2021 kassiert. Die Landesverordnung sei zu „pauschal und undifferenziert“. Allerdings ließ der VGR die Tür für regionale Ausgangsbeschränkungen bei hoher Inzidenz offen. Das OVG Bautzen in Sachsen hatte Anfang März zwei Ausgangsbeschränkungen für rechtswidrig erklärt. Es ging um nächtliche Spaziergänge und einen Radius von 15 Kilometern um den Wohnort, den niemand verlassen durfte. Die Landesregierung nahm daraufhin diese Beschränkungen aus der Verordnung. Nun ist erstmals eine regionale Ausgangssperre gekippt worden. Nachdem in der vergangenen Woche vier Eilanträge im Verwaltungsgericht Hannover eingegangen waren, waren es am Dienstag bereits rund 100. Das Verwaltungsgericht hatte am Karfreitag gegen die Beschränkung entschieden. Sie sollte nächste Woche am Montag, 12. April, enden. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte am Dienstag genau entgegengesetzt geurteilt. „Ohne die Ausgangsbeschränkungen wäre eine Eindämmung der Corona-Pandemie wegen der deutlich steigenden Infektionszahl erheblich gefährdet“, entschieden die Richter. Seit Karfreitag herrscht in der Hansestadt ein nächtliches Ausgehverbot. Lesen Sie auch Region Hannover lässt Ausgangssperre gerichtlich überprüfen Eilanträge gegen Ausgangssperre in der Region Hannover haben Erfolg Regionspräsident Hauke Jagau erklärte nach der OVG-Entscheidung: „Ich kann gut damit leben.“ Es sei das Grundproblem, dass der Infektionsschutz nun mal in die Freiheit des Einzelnen eingreife. Es sei gut, dass die Gerichte ein Auge auf die behördlichen Anordnungen haben. Am Dienstag lag die Inzidenz in der Region bei 116,1, also über dem kritischen Wert von 100. Ende März hatte diese Quote noch bei 150 gelegen. Die Ausgangssperre ist laut Polizei ohne größere Zwischenfälle von der Bevölkerung angenommen worden. Von Thomas Nagel