Nachruf: Hannovers Karate-Mann Werner Meyer ist in München gestorben

Er war schon eine ganz besondere Erscheinung im Innenstadtleben von Hannover. Helle, fast schlohweiße Haare und zu jeder Jahreszeit einen weißen Karate-Anzug am Körper und davor einen blau-roten Latz, den ein gutes Dutzend Orden und Auszeichnungen zierten. Früher begleitete ihn stets ein Schäferhund. Karate-Mann oder Karate-Kid wurde der merkwürdig anmutende Typ genannt, der ein überaus freundlicher Mann war und sich als Beschützer der Ärmsten der Gesellschaft sah. Werner Meyer hieß er wirklich, war knapp unter 80, und beileibe kein verrückter Obdachloser, wie viele gedacht haben, weil er oft Helm und Handschuhe trug und einen Seesack auf dem Rücken oder eine Hüfttasche aus Gaffa-Tape. Meyer hatte eine feste Bleibe in Hannover, wenn er Flaschen sammelte, dann nur, um seine große Leidenschaft zu finanzieren: das Bahnfahren mit der Bahn-Card 100. Unterwegs im ICE 509 nach München: Nun ist der Karate-Mann, der abwechselnd seinen roten oder seinen schwarzen Gürtel trug, vor fünf Tagen in München gestorben. Auch an seinem Todestag war Meyer seine liebste Strecke gefahren, Hannover-München-Hannover mit dem ICE 509. Der Legende nach hatte Meyer einst alleine mit seinem Samuraischwert am Stadion ein Rudel Skinheads in Schach gehalten, verhindert, dass ein Fan aus der linken Szene verprügelt wurde. Hunderte Beileidsbekundungen: Nun war der Karate-Mann so beliebt, dass es im Netz hunderte von Beileidsbekundungen gab. „Seine letzte Reise hatte er gestern mit uns“, schrieb Marion, „da war er schon sehr gezeichnet von seiner Krankheit“. „Wahrscheinlich der einzige Fahrgast, den die ganze Bahnwelt kannte“, mutmaßte Bastian. Sogar die beiden Bahn-Facebook-Seiten „Zugbegleiter“ und „Lokführer“ verabschiedeten sich von ihrem Dauergast, Mitarbeiter von Hannovers Fernverkehrsdienststelle am Hauptbahnhof richteten eine kleine Gedenkstätte ein, schnell war sie geschmückt mit Fotos, Blumen, Kerzen. Damit Werner Meyer, der scheinbar keine Verwandten mehr hat, nicht anonym in München bestattet werden muss, lief bis gestern eine Facebook-Spendenaktion. In nur drei Tagen wurden 3000 Euro gesammelt. Weil es wohl vielen so ging wie Jasmina und Heike: „In Hannover kannte ihn fast jeder. Er war ein Unikat. Das fehlen wird in unserer Stadt.“ Von Christoph Dannowski