Modellkommune Hannover: Öffnen Handel und Gastronomie nach Ostern?

Ärger, Frust, Zorn: Mit diesen Begriffen lassen sich die Reaktionen der hannoverschen und niedersächsischen Handel- und Wirtschaftstreibenden auf die jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse kennzeichnen. Er sei „tief betroffen und schockiert“ über die Fortführung des Lockdowns, sagte etwa Martin Prenzler von Hannovers City-Gemeinschaft: „Bei unseren Mitgliedern herrscht die totale Frustration darüber, dass wir das zweite Jahr in Folge mit dem Ostergeschäft nicht rechnen können“ so Prenzler. Das werde erneut zu massiven Umsatzeinbußen führen: „Ostern heißt im Handel nicht umsonst das kleine Weihnachten. Zwar wird die Region die neuen Regeln erst dann umsetzen, wenn die Landesordung aktualisert worden ist – die aktuelle Corona-Verordnung gilt nach einer Mitteilung der Region voraussichtlich bis zum Sonntag, dem 28. März. Dann würden aber in Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 die Corona-Beschränkungen noch einmal deutlich verschärft werden. Die Stadt rudert zurück: Dabei hatten vergangene Woche noch Hoffnungen geblüht. Mit Testpflicht, Hygienekonzepten und der digitalen Kontaktverfolgung sollte der „Hannoversche Weg“ gegangen werden. Sowohl Handel als auch Gastronomie sollten in Hannover als einer der Modellkommunen trotz hoher Infektionszahlen noch vor Ostern öffnen. Die Pläne waren vor zwei Tagen noch so konkret, dass Akteure und Akteurinnen aus Region, Stadt und Einzelhandelsverbänden sowie der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sich bereits auf ein Eckpunktepapier geeinigt hatten. Doch nun ruderte die Stadt zurück: Ein Modellversuch in Hannover könne aufgrund des Bund-Länder-Beschlusses frühestens nach Ostern starten. Immerhin: „Die Landeshauptstadt Hannover will sich weiter als Modellkommune beim Land Niedersachsen bewerben“, betonte Pressesprecher Dennis Dix. Doch nach einem Gespräch mit dem Land habe sich herauskristallisiert, dass der Modellversuch zunächst verschoben werden müsse. Nun würden für die Bewerbung eines Modellversuchs nach Ostern noch die Einzelheiten geklärt: „Auch wird geprüft, wie die Voraussetzungen in Hannover erfüllt werden können,“ so Dix. „Das Konzept muss weiterverfolgt werden“: Die niedersächsischen Kommunen hatten auf einen neuen Anlauf der Landesregierung für den Tourismus im eigenen Land beim nächsten Bund-Länder-Treffen gehofft – und sind nun enttäuscht worden. „Die Städte benötigen dringend eine Perspektive“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages, Jan Arning, am Dienstag. Noch am Samstag gab es nach Angaben der Deutschen Presseagentur Gespräche mit der Landesregierung über die Modellkommunen. „Das Konzept einer Öffnung von Einzelhandel und Gastronomie mit Schnelltests in Modellkommunen muss weiterverfolgt werden“, sagte Arning. Er befürchte, dass das Öffnungsprojekt unter Einbeziehung von Schnelltests jetzt mit deutlich weniger Teilnehmern an den Start gehen könnte. Am Wochenende sei noch eine zweistellige Zahl an Modellkommunen im Gespräch gewesen. Die grundlegende Idee des Modellversuchs: Innerhalb von Hannover sollen Zonen für Einzelhandelsbetriebe, Hotels, Gastronomie, Kultureinrichtungen und Betriebe mit sonstigen Dienstleistungen eingerichtet werden. In diesen später noch festzulegenden Gebieten könnten Besucher einkaufen, Restaurants oder Museen besuchen – wenn sie vorher einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 24 Stunden ist und digital in Form einer App bescheinigt wird. Auch die Kundendaten könnten papierlos etwa über die Kontaktverfolgungs-App „Luca“ erfasst werden. Depression in der Gastronomie: Dieser Plan ist nun zumindest bis nach Ostern vertagt, was bei den Gastronomen zu großen Ängsten führt. Der Gaststättenverband Dehoga in Niedersachsen sorgt sich um die Gesundheit der Mitglieder. „Mittlerweile herrscht überall tiefste Frustration und Depression“, sagte Hauptgeschäftsführer, Rainer Balke, am Dienstag. „Wenn das ständig so weiter geht, geht es für die Betriebe nicht mehr nur um eine existenzielle Gefährdung, sondern auch um persönliche Gefährdung.“ Eigentlich hätten viele Restaurantbesitzer, Gastwirte, Hoteliers und deren Mitarbeitende zu Ostern eine Öffnung erwartet – und damit eine Perspektive, wie es danach weitergehe. „Die Betriebe hätten nach langer Zeit endlich mal wieder ein Gefühl von Gastgewerbe gehabt.“ Umso größer sei nun die Enttäuschung – und die schlage vielen auf das Gemüt, sagte Balke. „Die Leute gehen alle auf dem Zahnfleisch.“ Für das Ostergeschäft sei ein „gewaltiger Umsatzausfall“ zu erwarten. Auch auf eine Öffnung der Außengastronomie gebe es keine Hoffnung mehr. Wirtschaft ist schockiert: Die Wirtschaft in Niedersachsen hat schockiert auf die neuerliche Lockdown-Verlängerung reagiert und der Politik völlige Konzeptlosigkeit im Umgang mit der Pandemie vorgeworfen. „Die Beschlüsse sind weitab von jeder betrieblichen Realität“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsen-Metall, Volker Schmidt. Sein Verband vertritt Tausende Firmen der im Land wichtigen Auto-, Zuliefer- und Maschinenbauindustrie. Die Idee, man könne um die Ostertage kurzfristig Anlagen einfach wieder herunterfahren, sei naiv und die Stimmung „kurz vorm Bersten“, so der Verband am Dienstag nach dem Beschluss eines harten Lockdowns über Ostern aus der Nacht. IHK verlangt Fortführung des hannoverschen Modells: Kritik an den Beschlüssen setzte es auch von der Industrie- und Handelskammer Hannover. „Wieder verlieren die Betriebe durch fortgeschriebene Lockdowns und Notbremsen wertvolle Zeit für den Neustart, die sie bei wachsenden wirtschaftlichen Schäden oftmals nicht mehr haben, vielen Betrieben geht gerade die Luft aus“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. Auch sie setzt auf die Fortführung des „Hannoverschen Weges“: „Die aktuellen Bund-Länder-Beschlüsse geben Niedersachsen den Spielraum für solche Modellprojekte, und wir erhoffen uns jetzt vom Land, dass unser hannoversches Modell schnellstmöglich an den Start gehen kann.“ Lesen Sie auch Hannover: Corona-Apps im Sicherheitscheck - Schwachstellen bei „Luca“ „Ruhezeit“ zu Ostern: Was ist erlaubt? Freizeitgestaltung in der Pandemie: Was sollte, was nicht? Von Sophie Peschke und Michael Lange