Kritik an Beschlüssen: Kita-Chaos und das Warten auf Klarheit

Die am Mittwoch von Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne angekündigten Einschränkungen in Schulen und Kitas werden von Betroffenen mit deutlicher Kritik quittiert. So sollen etwa Kitas nur bis zu 50 Prozent ausgelastet werden. Viele Eltern sollen ihre Kinder somit bis Ende Januar zuhause betreuen. „Der Shutdown an sich mag noch sinnvoll sein, aber der Ausgleich ist für Eltern schlecht geregelt“, sagt Peter Schulze vom Kita-Stadtelternrat. So sollen Eltern über zusätzliche Kinderkrankentage die Betreuung zuhause sicher stellen können. „Dabei kommt das Kinderkrankengeld gar nicht für alle in Betracht – etwa für Privatversicherte wie Beamte.“ Zudem werde das Gehalt nicht in voller Höhe ersetzt – „und das, wo die finanzielle Decke doch bei allen ohnehin schon kürzer als sonst ist.“ Während die Landesregierung das Ziel ausgegeben habe, dass die 50-Prozent-Kitabelegung bei Bedarf auch aufgestockt werden kann, weigerten sich viele Kitaträger, mehr aufzunehmen – mitunter aus personellen Gründen. „Jetzt rächt sich, dass die von uns seit Jahren geforderte dritte Betreuungskraft nicht da ist“, so der Elternrat. Abstimmung zwischen Politik und Trägern schlecht: Überhaupt sei die Abstimmung zwischen Kultusministerium und Kitas mangelhaft. „Die neue Verordnung ist noch nicht raus, aber die Kitas sollen die Betreuung ab Montag bereits verlässlich organisieren. Wie soll das gehen, wenn niemand genau weiß, wer Anspruch auf Notbetreuung hat? Viele Kitas machen da einfach ihr eigenes Ding!“ Kritik kommt auch von anderer Stelle: Die von Elternvereinen getragenen Kindertagesstätten fordern in der Coronakrise mehr Unterstützung für die Eltern. Die vorgesehene Verlängerung des Kinderkrankengeldes könne nur ein erster Schritt sein, sagte die Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen Niedersachsen-Bremen, Stefanie Lüpke, am Mittwoch in Hannover dem Evangelischen Pressedienst. Sie regte einen Sonderurlaub für Eltern an. In dieser Zeit sollte der Staat eine Art Elterngeld zahlen, damit nicht der Arbeitgeber auf den Kosten sitzen bleibe. „Kleine Kinder brauchen viel Aufmerksamkeit. Und die Eltern können nicht nur nachts arbeiten, wenn das Kind schläft.“ Das stehe auf Dauer niemand durch. Lesen Sie auch Lockdown: So planen Kita-Träger die Notbetreuung Hannover: SPD will Kitagebühren im Lockdown aussetzen Homeschooling führt zu „unaufholbaren Rückständen“: Auch wegen der weitgehenden Schulschließungen hagelte es Kritik – vom niedersächsischen Landesschülerrat etwa. Vorsitzender Florian Reetz: „Wir gehen mit dem Homeschooling das Risiko ein, Schüler langfristig zu verlieren und Rückstände unaufholbar zu vergrößern. Corona darf nicht zum Damokles-Schwert ganzer Schullaufbahnen werden.“ Auch für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind Schulschließungen der falsche Weg. Die Politik habe es versäumt, den Gesundheitsschutz und das Recht auf Bildung gleichermaßen zu sichern, sagte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth: „Auf Kosten der Beschäftigten und der Schüler wird seit Jahren am falschen Ende gespart.“ Die Gewerkschaft erwarte von Land, Bund und Kommunen, die kommenden drei Wochen zu nutzen, damit das zweite Schulhalbjahr gelinge. Die Schulen müssten jetzt das Geld für Schutzkleidung, Lüftungsgeräte und Schutzscheiben erhalten sowie genügend große Räume zur Verfügung haben. Kleinere Kinder können keine Freunde mehr treffen: Die Initiativen „Familien in der Krise“ und „Kinder brauchen Kinder“ zeigen sich fassungslos angesichts der beschlossenen Kontaktbeschränkungen von Bund und Ländern. „Die Befürchtungen vieler Familien sind nicht nur wahr geworden, sondern sogar noch übertroffen worden”, heißt es. Kleinere Kinder könnten gar keine Freunde mehr treffen, da sie die Begleitung ihrer Eltern brauchen. „Das zeigt erneut, dass die Rechte und Bedürfnisse von Kindern bei den Entscheidungen keine Rolle spielen“, so Sina Denecke von der Initiative. Von Simon Polreich